news

Wieso verliert Rapid so viele seiner Top-Talente ablösefrei?

Leopold Querfeld könnte das dritte Hütteldorfer Eigengewächs binnen drei Jahren sein, welches den Klub ablösefrei verlässt. Was läuft falsch?

Wieso verliert Rapid so viele seiner Top-Talente ablösefrei? Foto: © GEPA

Der SK Rapid ist hinter dem FC Red Bull Salzburg der erfolgreichste Ausbildungsverein Österreichs.

Die Hütteldorfer nahmen alleine in den letzten fünf Jahren deutlich über 20 Millionen Euro an Transfererlösen mit dem Verkauf von in der eigenen Akademie ausgebildeten Spielern ein.

Im gleichen Zeitraum zeichnete sich aber auch ein umso negativerer Trend ab: Immer mehr grün-weiße Top-Talente verlassen Rapid in einem äußerst frühen Stadium ihrer Karriere und bringen den Wienern kaum Ablöse bzw. in den allermeisten Fällen nur eine vergleichsweise geringe Ausbildungsentschädigung ein.

Erst im vergangenen Sommer kehrte den Hütteldorfern mit Leo Greiml ein talentierter Innenverteidiger nach seinem Vertragsende ablösefrei den Rücken; bei Leopold Querfeld könnte den SCR ein ähnliches Schicksal ereilen, wenn man den Worten des Vaters des 18-Jährigen Glauben schenkt.

Und die beiden hochveranlagten Abwehrspieler sind keine Ausnahme. LAOLA1 zeigt anhand von vier Ex-Rapidlern, die als Jugendliche zum SCR kamen, in Hütteldorf ausgebildet wurden und den Verein ablösefrei wieder verließen, auf, was zuletzt falsch lief:

Die vier wertvollsten Spieler, die bei Rapid ausgebildet wurden, den Hütteldorfern aber keine Ablöse einbrachten:

Spieler Alter Bei Rapid von aktueller Verein aktueller Marktwert (laut transfermarkt.at)
Attila Szalai 24 2012-2017 Fenerbahce Istanbul 15.000.000 €
Dejan Ljubicic 25 2006-2017 1.FC Köln 10.000.000 €
Milos Kerkez 19 2014-2019 AZ Alkmaar 7.000.000 €
Leo Greiml 21 2018-2022 FC Schalke 04 2.500.000 €

2021 Ljubicic, 2022 Greiml und 2023 Querfeld?

10 Millionen Euro ist Ljubicic mittlerweile wert, Rapid sah gerade mal die Ausbildungsentschädigung für ihn
Foto: © GEPA

Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass keine Fußballakademie der Welt davor gefeit ist, seine größten Talente um vergleichsweise geringe Ablösesummen zu verlieren. Jene des SK Rapid ist da natürlich keine Ausnahme.

Auch dass Spieler, die sich für den nächsten Schritt in ihrer Karriere bereit fühlen, nicht unbedingt dazu neigen, auslaufende Arbeitspapiere zu verlängern, ist kein Phänomen, welches sich auf Hütteldorf beschränkt.

Allerdings droht den Grün-Weißen bei einem Abgang von Leopold Querfeld im dritten Jahr in Folge ein Abgang eines Spielers, der einen großen Teil seiner fußballerischen Ausbildung bei Rapid genoss und in Hütteldorf seinen Marktwert in die Höhe schrauben konnte, dem Verein - mit Ausnahme der Ausbildungsentschädigung - aber keinen Cent Ablöse einbringen wird. 

Im Sommer 2021 verließ Dejan Ljubicic nach einem langwierigen Vertragspoker als Kapitän seinen Ausbildungsklub und fungiert momentan als absolute Schlüsselfigur beim 1.FC Köln. Im zurückliegenden Transferfenster konnte Leo Greiml, der zwar bei der AKA St. Pölten NÖ seine Jugend verbrachte, aber 17-jährig zum SK Rapid stieß, trotz seiner Rekonvaleszenz nach einem Kreuzbandriss ebenfalls nicht von einer Vertragsverlängerung überzeugt werden.

Sollte im kommenden Sommer auch Querfeld, dessen Vater zuletzt kritisierte, dass die Hütteldorfer Verantwortlichen ihren jungen Eigenbauspielern im Vergleich zu älteren Reservisten viel zu niedrige Vertragsangebote vorlegen würden, nach über elf Jahren einen ablösefreien Abgang von seinem Jugendverein antreten, würde das in der Hütteldorfer Anhängerschaft wohl für ordentlich Unmut sorgen. Mit Niklas Hedl, dessen Vertrag 2024 ausläuft, stünde zudem bereits der nächste Kandidat für einen Gratis-Transfer parat.

Rapid ließ zwei Ungarn ziehen, die jetzt so viel wie der ganze Kader wert sind

Zumal der SK Rapid in der jüngeren Vergangenheit zwei weitere große Talente zum Nulltarif ziehen ließ bzw. lassen musste, die zurzeit einen deutlich höheren Marktwert als jedes aktuelle Hütteldorfer Kadermitglied aufweisen.

Das Talent von Attila Szalai wurde in Hütteldorf schlicht übersehen
Foto: © GEPA

Speziell der Abgang von Attila Szalai wird noch heute vor allem bei einem Rapidler viel Herzschmerz auslösen: Zoran Barisic. Der aktuelle SCR-Sportchef und -Trainer in Doppelrolle galt während seiner ersten Amtszeit an der grün-weißen Seitenlinie als großer Fan des wuchtigen Innenverteidigers.

2016 verhalf Barisic dem damals 18-Jährigen Szalai zu seinem Bundesliga-Debüt, ehe er kurze Zeit später entlassen wurde. Unter Barisics Nachfolger Mike Büskens spielte Szalai keine Rolle mehr, also wagte der Linksfuß einen ablösefreien Wechsel zurück nach Ungarn. Über Mezökövesd und den zyprischen Klub Apollon Limassol spielte er sich in den Fokus von Fenerbahce Istanbul, wo er seinen Marktwert so richtig in die Höhe schrauben konnte.

15 Millionen Euro und damit fast zwei Drittel des Gesamt-Marktwerts von Rapid ist Szalai mittlerweile wert; ein Wechsel des heute 24-Jährigen in eine europäische Top-Liga dürfte nur mehr eine Frage der Zeit sein.

Ähnlich unglücklich verlief der Abgang von Milos Kerkez aus Wien. Der heute 19-Jährige ist wie Szalai mittlerweile ungarischer A-Teamspieler und erfuhr ebenfalls den Großteil seiner fußballerischen Frühausbildung beim SK Rapid. Kurz nach seinem elften Geburtstag schloss sich der Linksverteidiger den Hütteldorfern an, schon damals galt er als Übertalent.

Allerdings fiel der serbisch-ungarische Doppelstaatsbürger während seiner Akademie-Zeit immer wieder mit Disziplinlosigkeiten auf, weshalb er 2019 suspendiert wurde. Kerkez wechselte zurück in seine ungarische Heimat, schaffte über ETO FC Györ den Sprung in den Nachwuchs des AC Milan und schloss sich Anfang 2022 um zwei Millionen Euro AZ Alkmaar an.

In Holland überzeugte der moderne Außenverteidiger prompt, mittlerweile zählt er weltweit zu einer der heißesten Linksverteidiger-Aktien seiner Altersklasse. Unter anderem Benfica Lissabon und Lazio Rom sollen am Linksfuß reges Interesse zeigen, sein Marktwert beträgt zurzeit sieben Millionen Euro.

Woran liegt es?

Es ist nicht eindeutig zu beantworten, warum es der SK Rapid zuletzt gleich mehrmals verpasste, den monetären Wert seiner größten Talente auszuschöpfen. Grundsätzlich muss zwischen zwei Arten von Spielern unterschieden werden:

Zunächst sind jene zu erwähnen, die bereits im Akademie-Alter das Interesse größerer Vereine auf sich ziehen und früh für eine geringe Ablösesumme in eine andere Akademie übersiedeln. Neben dem prominentesten Beispiel Philipp Lienhart (2014 zu Real Madrid) fallen unter anderem Christoph Klarer (2016 zu Southampton), Flavius Daniliuc (2011 zu Real Madrid) oder Adrian Grbic (2012 zum VfB Stuttgart) in diese Kategorie. Einem Klub wie Rapid sind in solchen Ausnahmefällen schlicht die Hände gebunden.

Zuletzt bediente sich aber auch immer öfter mit dem FC Red Bull Salzburg ein direkter Bundesliga-Konkurrent bei der Hütteldorfer Talenteschmiede. Der Serienmeister weiß sein Gesamtpaket aus sportlichem Erfolg, Durchlässigkeit in der Talenteförderung sowie natürlich finanzieller Strahlkraft auch im Jugendbereich gut zu vermarkten und jagt so immer wieder den anderen österreichischen Akademien ganz früh die größten Talente ab.

So wurden die beiden akuell vielversprechendsten U15-"Bullen"-Talente Nicolas Jozepovic und Dominik Dobis, die mit ihren gemeinsam 35 Treffern im vergangenen Herbst die ÖFB-U15-Jugendliga zerschossen, vor gut einem Jahr aus dem Rapid-Nachwuchs verpflichtet. Auch Sturmtank Oghenetejiri Adejenughure und Verteidiger Kelechi Nnamdi wurden in den letzten Jahren von den Mozartstädtern aus Hütteldorf abgeworben.

Rapid ist in solchen Fällen mehr oder weniger machtlos; wenn die mittlerweile europaweit hochangesehene Red-Bull-Akademie lockt, gibt es für andere Bundesligisten wenig entgegenzusetzen. Auch die Wiener Austria, die mit Oliver Lukic und Leon Lalic zwei ihrer größten Talente der letzten Jahre Richtung Salzburg verlor, musste das unlängst am eigenen Leib erfahren.

Personalie Querfeld zeigt auf, was falsch läuft

Allerdings gibt es mit Sicherheit auch Fälle, in denen Rapid schlicht die Weitsicht gefehlt hat. Attila Szalai, dessen Potenzial von der damaligen SCR-Führung schlicht übersehen wurde, ist das offensichtlichste Beispiel für eine solche Fehleinschätzung. Aber auch in den Fällen Leo Greiml und Dejan Ljubicic wäre mit einer vorausschauenderen Verhandlungsstrategie womöglich ein ablösefreier Abgang zu vermeiden gewesen.

Das bringt uns zurück in die Gegenwart: Dass Leopold Querfelds Jungprofi-Vertrag im kommenden Sommer 2023 ausläuft, kommt für keinen Hütteldorfer Verantwortlichen überraschend. Dennoch dürfte man im SCR-Management laut Querfelds Vater auf den Vetragsstatus seines Sohns "vergessen" und erst, als dieser zahlreiche erfahrenere Innenverteidiger-Konkurrenten aus der Mannschaft spielte, sich wieder daran erinnert haben. "Das spricht Bände", so Querfeld senior zu dieser Thematik erbost.

Als LAOLA1 Querfeld selbst während der U19-EM in der Slowakei im Juni 2022 nach einer möglichen Vertragsverlängerung bei Rapid fragte, erklärte dieser, dass eine solche "noch nicht angesprochen wurde".

Kann Leopold Querfeld noch von einem Rapid-Verbleib überzeugt werden?
Foto: © GEPA

Querfeld gilt nicht erst seit gestern als großes Innenverteidiger-Talent - umso bezeichnender ist, dass die Hütteldorfer - schenkt man Querfelds Aussage Glauben - ein Jahr vor Vertragsende mit einer ihrer heißesten Aktien noch keine Gespräche über eine Verlängerung geführt haben dürften.

Die Entwicklung des Blondschopfs dürfte für Rapid durchaus etwas überraschend gekommen sein, wurde mit Michael Sollbauer auf seiner Position im vergangenen Sommer doch ein ziemlich ähnlicher Spielertyp verpflichtet. Querfeld musste sich zu Saisonbeginn hinter Sollbauer, Kevin Wimmer und Max Hofmann anstellen, spielte sich mit starken Leistungen aber doch noch in die erste Elf und sammelte schlussendlich die meisten Einsatzminuten aller SCR-Innenverteidiger.

Dass dem ÖFB-U21-Kicker mit Sollbauer ein 32-jähriger Routinier, der es aus sportlichen Gründen zuletzt nicht in den grün-weißen Kader geschafft hat, vor die Nase gesetzt wurde, stieß nicht nur den Querfelds übel auf, sondern spricht ebenfalls nicht unbedingt für die Weitsicht der sportlichen Führung des SCR.

Der SK Rapid ist finanziell auf Verkäufe von Eigenbauspielern angewiesen. Umso bitterer ist, dass Spieler, die in Summe den aktuellen Kaderwert deutlich übertreffen, den Klub gratis verließen. Natürlich sitzen auch in der Rapid-Führungsriege keine Hellseher, allerdings sind prophetische Fähigkeiten auch nicht unbedingt notwendig, um das Potenzial von Talenten wie Querfeld zu erkennen und dementsprechend am Verhandlungstisch zu agieren.

Noch dürfte - wenn man zwischen den Zeilen liest - die Türe für eine Vertragsverlängerung mit dem 18-Jährigen offen sein. Der SK Rapid wäre gut darin beraten, spät aber doch alles dafür zu tun, nicht ein weiteres Riesentalent aus der eigenen Jugend ablösefrei zu verlieren...

Kommentare