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Sturm: Die "Nachspielzeit" des Christian Gratzei

Sturm-Urgestein über Rücktritt, das lustigste Team und seinen Lieblingskonkurrenten:

Sturm: Die Foto: © GEPA

"Mittendrin statt nur dabei", fühlt sich Christian Gratzei auch in dieser Saison beim SK Sturm Graz.

Auch wenn er derzeit nicht mehr auf dem Feld eingreifen darf, so wie er es über weite Strecken in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten getan hat.

Das erste Pflichtspiel dieser Saison war sein (bisher) letztes im Dress jenes Klubs, der für ihn zum Lebensverein wurde - im vergangenen Juli hütete er in der 1. Cup-Runde beim 3:0-Sieg beim FC Hard das Tor.

Am Mittwoch im Cup-Endspiel gegen den FC Red Bull Salzburg in Klagenfurt (ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker) könnte sich mit der letzten Titel-Chance seiner Karriere so gesehen der Kreis schließen.

"Der Cupsieg wäre auf alle Fälle emotional. Seit dem Meistertitel 2011 sind inzwischen wieder ein paar Jährchen ins Land gezogen. Wir waren damals eine ziemlich gute und coole Truppe, die dann auseinander gerissen worden ist. Jetzt sind wir wieder so weit, dass wir über Kontinuität etwas aufgebaut haben. Wenn wir die Fans und uns selbst mit einem Titel beschenken könnten, wäre das natürlich überragend - und für mich selbst wäre es natürlich zum Abschluss der Karriere noch einmal etwas ganz Besonderes", meint Gratzei im Gespräch mit LAOLA1.


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"Nachspielzeit": Rücktritt stand zu Saison-Beginn fest

Diese Saison ist quasi die "Ehrenrunde" in der Laufbahn des zehnfachen A-Team-Torhüters. Sommer-Neuzugang Jörg Siebenhandl ist die klare Nummer eins der "Blackies", dahinter wird Tobias Schützenauer aufgebaut. Gratzei selbst saß letztmals im Oktober auf der Ersatzbank.

Bei seinen "Nachfolgern" sieht der 36-Jährige Sturm im wahrsten Sinne des Wortes in guten Händen: "Jörg hat eine sehr gute erste Saison hingelegt, und 'Schützi' hat sich super entwickelt, damit kann man von Vereinsseite sehr zufrieden sein. Insofern braucht sich der Verein keine Sorgen zu machen."

"Ich habe schon im Laufe des Sommers gewusst, dass es meine letzte Saison sein wird, egal was passieren wird, egal ob ich gespielt hätte oder nicht. Ich habe voriges Jahr schon kurz überlegt, ob ich die Karriere beenden sollte, weil ich eine doch sehr erfolgreiche Saison hatte. Aber da habe ich noch zu viel Lust und Spaß verspürt."

Christian Gratzei

Die "Ehrenrunde" auf dem Platz absolvierte Gratzei quasi in der vergangenen Spielzeit. 2016/17 ließ er dem Deutschen Daniel Lück keine Chance und absolvierte 35 von 36 Liga-Spielen. Dies machte Lust auf eine weitere Saison, wobei der Karriere-Ausklang von Beginn an feststand:

"Ich habe schon im Laufe des Sommers gewusst, dass es meine letzte Saison sein wird, egal was passieren wird, egal ob ich gespielt hätte oder nicht. Ich habe voriges Jahr schon kurz überlegt, ob ich die Karriere beenden sollte, weil ich eine doch sehr erfolgreiche Saison hatte. Aber da habe ich noch zu viel Lust und Spaß verspürt, bei der Mannschaft zu sein, deswegen habe ich mir dieses Jahr noch einmal dazu gegeben. Aber inzwischen habe ich das Gefühl, dass meine Familie mich braucht, meine Kinder werden älter. Ich selbst wollte immer bis 35 spielen - 36 ist dann quasi eh schon die Nachspielzeit. Insofern ist es der richtige Zeitpunkt, dass ich jetzt aufhöre."

Die Wehmut kommt erst nächste Saison

Auch wenn Gratzei nicht spielt, ist er ein aktives Kadermitglied - genau so, wie er es schon immer gehalten hat, wenn er zwischenzeitlich auf die Ersatzbank verdrängt wurde.

"Meine Rolle ist folgende: Wenn es etwas zu sagen gibt, versuche ich mich einzubringen, ansonsten gilt es zu schauen, dass jeder gut drauf ist und es einfach laufen lässt. Ich denke, dass wir eine sehr erfolgreiche Saison gespielt haben und die Leute mit unserem Stil durchaus zufrieden sind. Ich bringe mich da ein, wo ich gebraucht werde, und ich denke, das mache ich ganz gut", findet der Keeper.

"Als ich zu Sturm gekommen bin, wollte ich unbedingt meine Fußabdrücke hinterlassen. Ich denke, das ist mir gelungen, und das macht mich schon sehr stolz."

Christian Gratzei

Auch wenn er viele Dinge derzeit letztmals als Profi erlebt, ist kein Platz für Wehmut: "Momentan genieße ich es einfach, mittendrin statt nur dabei zu sein, da gibt es noch keine Spur von Wehmut. Ich gehe immer gerne zum Training. Wehmut werde ich vielleicht nächste Saison verspüren, wenn ich daheim sitze, statt auf dem Trainingsplatz zu sein."

Das letzte Wort darüber, wie es nach der aktiven Karriere weitergeht, sei noch nicht gesprochen. Zu Beginn ist es womöglich ohnehin kein Fehler, einmal den nötigen Abstand zur Laufbahn zu gewinnen.

Fußabdrücke bei Sturm

2002 heuerte Gratzei nach einem einjährigen Zwischenstopp beim Lokalrivalen GAK bei Sturm an, im März 2003 erfolgte unter Trainer Franco Foda das Bundesliga-Debüt bei einem 2:0-Auswärtssieg in Bregenz (Torschützen Imre Szabics und David Mujiri).

Im Profi-Geschäft ist es längst ungewöhnlich geworden, einem Verein über einen derart langen Zeitraum die Treue zu halten. Ob ihn dieser Umstand mit Stolz erfüllt?

"In erster Linie wollte ich immer Fußball-Profi werden. Das war mein großes Ziel, und das wollte ich bei einem Heimat-Verein. Als ich Fußball-Profi wurde, war es ja nicht so leicht, zu Sturm Graz zu kommen, weil Sturm davor vier, fünf sehr erfolgreiche Jahre hatte. Als junger Spieler ist man nicht so wie heutzutage mit offenen Armen empfangen worden. Aber ich wollte, als ich zu Sturm gekommen bin, unbedingt meine Fußabdrücke hinterlassen. Ich denke, das ist mir gelungen, und das macht mich schon sehr stolz, muss ich ehrlich sagen. Ich denke einfach, dass ich mit meiner Karriere zufrieden sein kann, und das bin ich auch."

Esser als Lieblingskonkurrent

Über die Jahre hat der gebürtige Leobener zahlreiche Konkurrenten kommen und gehen gesehen, wie auch die Diashow mit allen seinen Konkurrenten belegt. Die Antwort darauf, wer sein "Lieblingskonkurrent" gewesen sei, kommt wie aus der Pistole geschossen: "'Bruno' Esser!"

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Eine Antwort, die insofern ein wenig überrascht, da Gratzei in der Saison 2015/16 gegen den Deutschen klar den Kürzeren zog und nicht eine Bundesliga-Minute absolvierte. Michael Esser nutzte sein Jahr in der steirischen Landeshauptstadt, um sich für die deutsche Bundesliga zu empfehlen. Am Saisonende erfolgte der Wechsel zu Darmstadt, mittlerweile drückt er bei Hannover 96 die Ersatzbank.

"Mit ihm habe ich mich sicher am besten verstanden. Mal abgesehen davon, dass wir zusammen fortgegangen oder frühstücken gegangen sind, war es einfach so, dass wir gemeinsam viel Spaß hatten und der gegenseitige Respekt immer da war. Er war sicher mein coolster Konkurrent. Wir haben uns gegenseitig gepusht. Wenn ich ein bisschen Anteil an seiner hervorragenden Saison bei uns hatte, dann passt das gut", erinnert sich Gratzei.

Vom Konkurs zum Titel

Der Torhüter hat diverse Generationen an Sturm-Mannschaftenen miterlebt. "Die spannendste Zeit war sicher, als wir im Konkurs waren", meint Gratzei.

"Abgesehen von den letzten zwei Jahren war es von 2009 bis 2011 am lustigsten. Damals waren wir ein zusammengewachsener Haufen, wo nur wenig variiert worden ist. Da entstehen dann ganz andere Freundschaften. Genau das ist bei der jetzigen Mannschaft auch wieder der Fall."

Christian Gratzei

"Damals hat man ja von einem Tag auf den anderen nicht gewusst, wie es weitergeht und was unterm Strich rauskommt. Wenn es nicht funktioniert hätte, hat man ja bei anderen Vereinen gesehen, was dann passiert. Aber der Zusammenhalt bei Sturm war einfach so groß - innerhalb der Mannschaft und des Vereins, dass wir die schwere Zeit überstanden haben."

Der größte Fun-Faktor war in den Titel-Jahren vorhanden: "Abgesehen von den letzten zwei Jahren war es von 2009 bis 2011 am lustigsten. Damals waren wir ein zusammengewachsener Haufen, wo nur wenig variiert worden ist. Da entstehen dann ganz andere Freundschaften. Genau das ist bei der jetzigen Mannschaft auch wieder der Fall. Damals und heute, das war und ist schon eine lustige Zeit."

Ein "Abschiedsspiel"?

Vielleicht wird am Mittwoch in Klagenfurt auch die aktuelle Phase mit einem Titel gekrönt.

Und wer weiß, vielleicht bekommt Gratzei ja sein "Abschiedsspiel" vor den Sturm-Fans. Sollte es die Ausgangsposition zulassen, würde sich das finale Heimspiel in Runde 35 gegen die Admira ja geradezu aufdrängen.

Es wäre sein 273. Bundesliga-Spiel. Gegen die Admira feierte Gratzei am 15. März 2003 übrigens sein Heim-Debüt für Sturm.

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