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"Es müssen sich alle am Schopf packen"

Portsmouth-Vorstand mit Herz in Graz: Ertl über Fanverein-Zukunft und Eindrücke in Liebenau.

Als Profifußballer mit einer Schildkröte verglichen zu werden, mag zunächst nicht nach einer großen Ehre klingen.

Bei Johnny Ertl ist das anders. Für die Fans in England ist er auch kein gewöhnliches Panzertier. Er ist "Johnny Ertl - Ninja Turtle".

Vom Anhang des FC Portmouth wird der ehemalige Verteidiger nicht nur für seinen unerbittlichen Einsatz am Rasen gehuldigt.

Nach dem Ende seiner Profi-Karriere wählen die Fans den 33-Jährigen in den Vorstand des "Portsmouth Supporters Trust", wo er die Geschicke dieses Klubs mit seiner außergewöhnlichen jüngeren Vergangenheit mitlenken darf.

Ein Klub in der vierten Liga, der sich nach zwei Insolvenzen und windigen Investoren mithilfe der Fans befreit hat, schuldenfrei ist und an eine Zukunft in der Championship denkt.

Ertl, der einen Master in Business Administration und eine Aubildung zur Unternehmensführung im Fußball- und Privatsektor besitzt, macht sich aber nicht nur im Süden Englands Gedanken über den Fußball. Aufgrund diverser Tätigkeiten zieht es ihn immer öfter nach Österreich und zu seinem Heimatverein SK Sturm in Graz.

Dort, wo momentan ein tiefer Graben zwischen Fangruppen und Verein liegt.

Ein Portsmouth-Fan anno 2013 (c) Twitter/@Haggard14

LAOLA1: Du willst deinen Lebensmittelpunkt wieder nach Österreich verlegen. Warum?

Johnny Ertl: Aufgrund von familiären Gründen zieht es meine Frau wieder mehr in die Heimat. Bisher haben wir in England gelebt. Meine Aufgaben bei Portsmouth habe ich weiterhin. Das heißt, ich werde in Zukunft zwischen England und Österreich pendeln.

LAOLA1: Im "Portsmouth Supporters Trust" wurdest du von den Fans in den Vorstand gewählt. Worum dreht sich deine Arbeit dort?

Ertl: Wir arbeiten an verschiedenen Projekten. Es fängt an beim Stadion-Neubau bis hin zu unserem zukünftigen Finanzierungsmodell. Einmal im Monat gibt es Vorstandssitzungen. Vieles läuft auch über E-Mails und Foren ab.

LAOLA1: Aktuell ist Portsmouth im vorderen Feld der League Two zu finden. Wohin führt der Weg?

Ertl: Unser Anspruch ist, in die Championship zu kommen. Zurzeit könnten wir mit unserem Budget in die League One aufsteigen. Ich bin das vor kurzem mit unserem Financial Advisor durchgegangen. In der zweiten Liga würden uns gehaltsmäßig umgerechnet zehn Millionen Euro fehlen. Das liegt an den Gehaltsstrukturen. Die muss man erst einmal aufbringen. Wenn man aufsteigt, könnte auch eine erneute Negativspirale drohen. Deshalb arbeiten wir in 3- bis 5-Jahresplänen. Die Premier League ist ein Wunschgedanke, auch wenn wir von der Größenordnung mit Klubs wie Watford oder Crystal Palace vergleichbar sind. Unsere Fanbase ist aber viel größer. Im Schnitt haben wir in der vierten Liga 16.500 Zuschauer.

LAOLA1: Welche Gefahren bestehen bei der Finanzierung?

Ertl: Normalerweise hast du in England einen Geldgeber, der ordentlich reinpulvert. Den haben wir nicht. Man kennt den Fall von Hull City, die plötzlich Hull City Tigers geheißen haben, oder Cardiff, die in blau gespielt haben, jetzt spielen sie in rot. Wir wollen nicht, dass irgendein Eigentümer sagt: Wir heißen jetzt Portsmouth Tigers. Deshalb arbeiten wir an einem Modell, in dem ein Investor, der natürlich nicht umsonst investieren will, Mitspracherecht hat, aber unser Denkmal geschützt bleibt. Es wurde bei der Übernahme der Fans ein "Shareholding Agreement" abgeschlossen, dass es neu zu gestalten gilt, damit die Fans zufrieden sind.

"Es gibt den Bauern mit seiner Landwirtschaft zuhause und reichere, die ein größeres Business haben und damit auch anteilsmäßig mehr vom Kuchen bekommen."

LAOLA1: Die Fans haben den Klub seinerzeit mit einem besonderen Finanzierungsmodell gerettet. Wie?

Ertl: Es gibt 16 sogenannte Präsidenten, die zwischen 50.000 und 600.000 Pfund in den Klub gesteckt haben und es gibt den "normalen" Fan, der 1.000 Pfund dem Verein gegeben hat. Es war kein Crowdfunding, sondern man hat sich Anteile kaufen können. Bei den Fans kann man von einer Good-Will-Aktie sprechen, weil die Anteile nicht mehr ausgeschüttet werden. Aber wir haben erst kürzlich evaluiert und es ist herausgekommen, dass der Aktienwert bei 1.500 Pfund liegt. Wir sind schuldenfrei und damit einer von nur 15 Klubs in der zweiten, dritten und vierten Liga (insgesamt 72, Anm.), der das von sich behaupten kann.

LAOLA1: Welche Summe hat man damit erreichen können?

Ertl: Insgesamt haben 2.280 Fans jeweils die 1.000 Pfund dem Klub gegeben, das sind also 2,28 Millionen. Zusammen mit dem Geld der Präsidenten kam man auf rund 6 Millionen Pfund. Diese Präsidenten kommen aus den unterschiedlichsten Schichten. Es gibt den Bauern mit seiner Landwirtschaft zuhause und reichere, die ein größeres Business haben und damit auch anteilsmäßig mehr vom Kuchen bekommen. Sie alle haben den Klub gerettet. Für mich sind wir ein Flagschiff. Ein "Flagship across the UK".

LAOLA1: Haben jene, die mehr in den Klub investiert haben, auch etwas zu sagen?

Ertl: Denen gehören dann zum Beispiel neun oder zehn Prozent vom Verein. Damit hat man kein großartiges Mitspracherecht. Sie haben ein paar gesonderte Rechte, aber nicht viel mehr.

LAOLA1: Wer trifft dann die Entscheidungen im Verein?

Ertl: Vom Team der Präsidenten gibt es vier, von denen einer zum Sprachrohr auserkoren wurde und vom Supporters Trust drei. Das sind die Entscheidungsträger. Dazu gibt es einen Geschäftsführer, einen Financial Advisor und so weiter. Es schmilzt alles zusammen, jeder arbeitet mit jedem zusammen.

LAOLA1: Du hast das baufällige Stadion angesprochen. Was gehört getan?

Ertl: Der Fratton Park ist ein richtig geiles Stadion, aber er gehört revitalisiert. Wir haben keine Corporate Facilities. Man sieht es jetzt beim Neubau von Rapid, die dann eben viel mehr Geschäftsleute in ihr Stadion bringen können. Die Möglichkeiten haben wir im Moment nicht, auch wenn es diese Leute in unserer Region gäbe.

LAOLA1: Was macht deine Aufgabe bei Portsmouth für dich so besonders?

Ertl: Es ist höchst interessant und ich bin wirklich froh, dass die Geschäftsführung und die Präsidenten damals gesagt haben: Johnny, wir wollen, dass du dabei bist. Insgesamt dauert die Legislaturperiode zwei Jahre. Ich habe schon jetzt einiges gelernt, was sich hinter den Kulissen eines Fußballvereins abspielt. Ich habe nach dem Ende meiner Profikarriere die U16 trainiert, meine Trainier-Qualifikationen gemacht. Ich wollte mich einfach breit aufstellen und sehen, was in jedem einzelnen Bereich im Fußball möglich ist. Jetzt kann ich mich in die verschiedenen Positionen hineinversetzen.

"Wenn ich sehe, dass es da so eine Kluft gibt, denke ich mir: Es müssen sich alle am Schopf packen und an einer gemeinsamen Lösung arbeiten."

LAOLA1: Die Kluft zwischen Fans und Vereinsverantwortlichen ist in Graz derzeit bedeutend größer. Du warst vergangene Woche beim 4:1 von Sturm gegen Altach im Stadion. Was waren deine Eindrücke?

Ertl: Es war keine Stimmung, so wie ich es von meinen Schwoazen gewöhnt bin. Mir hat aber extrem gut gefallen, wie die Mannschaft aufgetreten ist. Sie hat gezeigt, dass sei eine Einheit ist. Nach dem 2:1 hat man das mangelnde Selbstvertrauen gesehen. Die Mannschaft hat gezittert. In der zweiten Halbzeit sind sie sehr tief gestanden und hatten große Abstände. Die letzten Minuten waren dann natürlich ganz besonders für Edi (Bright Edomwonyi, Anm.). Franco Foda macht nach wie vor eine super Arbeit. Es sind ein paar sehr junge Burschen dabei, denen man das Vertrauen geben muss.

LAOLA1: Die Kritik der Fangruppen richtet sich schon seit längerer Zeit an die Verantwortlichen. Ist diese Form des stillen Protestes für dich legitim oder nimmt man sich zu wichtig?

Ertl: Sturm ist zwar mein Heimatverein, ich sehe aber derzeit vieles nur aus der Distanz. Für mich ist klar: Sturm ist ein Familienverein. Ein Sympathieträger. Ich bin mit dem Verein aufgewachsen, habe meine ersten Bierduschen in der Gruabn bekommen. Wenn ich sehe, dass es da so eine Kluft gibt, denke ich mir: Es müssen sich alle am Schopf packen und an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. Damit Sturm wieder dort hinkommt. Die Mannschaft hat das für mich am vergangenen Samstag vorgelebt.

LAOLA1: Die Fangruppen vermissen eine Antwort auf detailliert geäußerte Kritik, die Zuschauerzahlen sinken und das hat auch finanzielle Konsequenzen für den Verein. Irgendetwas läuft da grundsätzlich falsch, oder?

Ertl: Kommunikation ist sicher eines der Schlüsselthemen. Es muss einen guten Austausch geben, und zwar zwischen allen Parteien. Wie gesagt, ich bin im Moment ein bisschen zu weit weg, werde aber in Zukunft öfter im Stadion sein. Die Fans sind das wichtigste in einem Verein. Sie leben dafür. Man muss sie einbinden und auf ihre Meinung hören.

LAOLA1: Der Verein stellt sich in der sportlichen Leitung wie es aussieht mit Günter Kreissl als Geschäftsführer neu auf. Deine Meinung zu dieser Wahl?

Ertl: Ein super Typ, eine tolle Entscheidung. Ich kann mich erinnern, wie er vor acht Jahren einmal bei Crystal Palace war, dort haben wir uns kennengelernt. Er bringt einiges an Erfahrungswerten mit und hat sich bei Wiener Neustadt in jeden Bereich eines Vereins hineinleben können. So wie das bei mir in Portsmouth ist. Von dieser Position aus kann er als Geschäftsführer bei Sturm nur profitieren.

LAOLA1: Dein Name wurde zwischendurch auch als möglicher Kandidat genannt. Würde es dich reizen, möglicherweise in anderer Funktion zu Sturm zurückzukehren?

Ertl: Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass ich da medial ins Rennen geworfen worden bin, aber es gab keine Gespräche. Es ist cool, dass die Leute denken: Der könnte es auch machen. Irgendwann in nächster Zeit kann ich es mir schon vorstellen. Momentan habe ich aber meine Aufgaben und bin happy.

Das Interview führte Andreas Terler

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