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"In gewissen Situationen ist das eine Bürde"

Ernst Vettori ist in diesen Tagen ein gefragter Mann.

Am Donnerstag reist der ÖSV-Renndirektor zum Saisonfinale der Skispringer nach Planica, daneben sucht er fieberhaft nach einem neuen Kombi-Cheftrainer (LAOLA1 berichtete).

Auch bei den Springern herrscht Anspannung, immerhin gibt es ja noch eine Minimalchance auf den Gesamtweltcup.

"Aber eigentlich kann Gregor Bardal nur mehr abfangen, wenn der irgendwelche Probleme hat. Und das wünschen wir ihm absolut nicht", hofft der 47-Jährige auf einen fairen Ausgang.

Im LAOLA1-Interview rät der Tiroler außerdem, demütiger zu sein und die Erwartungshaltung zu drosseln.

LAOLA1: Ernst, der Skisprung-Weltcup geht am Wochenende in Planica zu Ende. Bist du auch froh, dass eine lange Saison bald vorbei ist?

Ernst Vettori: Ja, aber da geht’s, glaube ich, allen Nationen so. Am Ende ist es schon gut, dass die Saison vorbei ist. Es war eine lange und schwierige Saison. Vor allem, was die Bedingungen betrifft. Jeder Athlet ist doch irgendwie müde und ausgelaugt.

LAOLA1: Wie sehr zehren solche Bedingungen und die damit verbundenen Wartezeiten an der Substanz?

Vettori: Da reagiert jeder Athlet individuell anders. Manche kommen auch erst gegen Ende der Saison richtig in Form. Trotz der schwierigen Bedingungen blicken wir trotzdem auf ein sehr gutes Jahr zurück. Wir haben fast alle Ziele erreicht. Im Gesamtweltcup wird es schwer, weil Bardal einfach konstant gut springt.

LAOLA1: Stichwort Gesamtweltcup: Schlierenzauer bräuchte fast ein Wunder, um Bardal noch abfangen zu können. Wie siehst du die Chancen?

Vettori: Eigentlich kann Gregor Bardal nur mehr abfangen, wenn der irgendwelche Probleme hat. Und das wünschen wir ihm absolut nicht. Es ist immer besser, wenn die Entscheidung fair ausgesprungen wird. Bardal hat einen komfortablen Vorsprung und es sieht so aus, als ob er es schaffen würde.

LAOLA1: Österreich hat in den letzten Jahren so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Muss man auch einmal wieder etwas Demut an den Tag legen?

Vettori: Man muss auf jeden Fall demütig sein. Ich bin selbst drei Mal Zweiter und ein Mal Dritter im Gesamtweltcup geworden. Ich kenne das Gefühl also. Aber mit etwas Abstand erkennt man, dass es schon eine große Leistung ist, überhaupt ein Thema für den Gesamtweltcup zu sein. Gregor hat sein großes Ziel, die Tournee zu gewinnen, erreicht, und auch den Gesamtweltcup schon gewonnen. Man muss angesichts dessen, wirklich Demut zeigen.

LAOLA1: Ist euer großes Problem, dass die Erwartungshaltung schon ungesund hoch ist?

Vettori: Ja, das ist schon ein Problem. Man schätzt plötzlich gewisse Dinge nicht mehr. Man geht immer davon aus, dass unsere ‚Buam‘ das packen. In gewissen Situationen ist das eine Bürde. Wenn es dann einmal Probleme gibt, werden viele Dinge falsch ausgelegt. Aber eine Sache sollte man schon auch bedenken.

LAOLA1: Und zwar?

Vettori: Dass einige Springer doch eine Problemsaison gehabt haben. Für Loitzl und Fettner ist es nicht so gelaufen. Daran müssen wir arbeiten, da es auch um die Gesamtleistung der Mannschaft geht.

LAOLA1: Hinter Schlierenzauer, Morgenstern, Kofler und Koch klafft doch eine Lücke. Man hat das Gefühl, dass keiner so richtig nachdrängt.

Vettori: Naja, Hayböck und Kraft sind zwei Burschen, von denen ich überzeugt bin. Ich glaube fest daran, dass sie bald den Anschluss schaffen werden. Sie haben halt während der Saison kaum Möglichkeiten, sich im Weltcup festzubeißen. Gerade wenn man keine Routine hat, ist es schwierig. Aber wir brauchen nichts schönreden, wir hätten natürlich gerne den einen oder anderen Jungen dabei gehabt.

LAOLA1: Hat es dich verwundert, dass Zauner nicht wirklich in die Saison gefunden hat?

Vettori: Nein. Man darf nicht vergessen, dass David erst Ende Oktober seine ersten Sprünge nach der langen Verletzungspause gemacht hat. Am Anfang hat es ganz gut funktioniert, aber es fehlen ihm einfach hunderte Trainingssprünge. Das werden wir im Sommer nachholen.

LAOLA1: Deutschland und vor allem Norwegen haben deutlich aufgeholt. Überrascht, dass sie schon so nah an euch dran sind?

Vettori: Ja und nein. Man muss die Situation schon genau betrachten. Bei den Deutschen gibt es zwei Athleten, die auf einem sehr guten Niveau springen. Dahinter haben sie – so wie fast alle Nationen - Probleme. Man kann auch nicht davon ausgehen, acht Siegspringer zu haben. Unser Ziel muss es nun sein, hinter dem aktuell erfolgreichen Quartett breiter aufgestellt zu sein.

LAOLA1: Wie zufrieden bist du mit dem Abschneiden der Damen in ihrer ersten Weltcup-Saison?

Vettori: Sehr zufrieden. Daniela Iraschko konnte ausgerechnet zu Hause in Hinzenbach ihre ersten Weltcupsiege feiern und hat im Gesamtweltcup den guten zweiten Platz hinter der überragenden Hendrickson belegt. Jacqueline Seifriedsberger hat auch einen Podestplatz zu Buche stehen und die Top Ten im Gesamtweltcup nur knapp verpasst.

Das Interview führte Kurt Vierthaler