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"Will mit der Mannschaft weiter Geschichte schreiben"

Unzählige WM- und Olympia-Medaillen, große Kristallkugeln, kleine Kristallkugeln, Tournee-Trophäen.

Hätte Alexander Pointner alle Erfolge in seiner siebenjährigen Amtszeit mit nach Hause nehmen dürfen, er hätte ein eigenes Haus dafür bauen müssen.

Und es wird wohl noch einiges dazu kommen. Denn der Tiroler hat weitere drei Jahre vor sich. Mindestens.

Bis zu den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi macht der 40-Jährige - so nichts Unvorhersehbares passiert - auf jeden Fall weiter.

Wie es danach weitergehen könnte, warum seine Mission noch längst nicht zu Ende ist und wo er bei sich selbst noch Potenzial sieht, erklärt Pointner im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Alex, vor dem Auftakt in Kuusamo stellt sich wie fast jedes Jahr die Frage: Was wollen die ÖSV-Adler eigentlich noch gewinnen?

Alexander Pointner: Seit vier, fünf Jahren höre ich, dass die Latte so hoch liegt und man sie nicht mehr höher setzen kann. Man muss Erfolg irgendwann auch anders definieren. Es geht nicht immer nur um erste Plätze und Goldmedaillen. Hätten wir nur diese Ziele vor Augen, würden wir irgendwann daran zerbrechen.

LAOLA1: Welche Ziele gibst du dann vor?

Pointner: Wir wollen aus allen Athleten ihr Bestes ausschöpfen und sie in allen Bereichen weiter entwickeln. Zum Glück haben wir viele Möglichkeiten, um uns ständig zu verbessern. Würden wir nie etwas Neues machen und nur unser Erreichtes verteidigen, würden wir sehr schnell eingeholt werden.

LAOLA1: Inwiefern hat sich deine Rolle in den letzten Jahren verändert? Bist du mehr Manager als Trainer?

Pointner: Es hat sich in den letzten Jahren definitiv verschoben. Ich war in der ersten Zeit stark mit den Basiskompetenzen beschäftigt, da hab‘ ich mir anfangs einiges eingebildet. Ich hab‘ mich Tag und Nacht mit Trainings-Übungen und -Konzepten beschäftigt. Mittlerweile hat sich ein gutes und flächendeckendes System etabliert. Meine zweite Vision war, dass man Skispringen auf eine größere mediale Bühne hebt. Dazu braucht es für die Athleten viel Sozialkompetenz.

LAOLA1: Wie hast du es geschafft, die ganze Truppe so zusammenzuhalten, dass Neid und Missgunst quasi keine Chance hatten?

Pointner: Vor meiner Zeit war das Teamgefüge nicht so vorhanden. Darum war das neben der sportlichen Kernkompetenz der erste Bereich, den ich in Angriff genommen hab‘. Wir haben das behutsam mit verschiedenen Konzepten aufgebaut. Wichtig war, dass alle offen für etwas Neues waren. Die Kommunikation ist bei uns das Fundament, auf dem wir alles aufgebaut haben.

LAOLA1: Wie schwierig war es, die Jungs bei Laune zu halten?

Pointner: Man muss sich vorstellen, dass wir mittlerweile fünf Siegspringer haben. Davon gibt es einige Alphatiere. Man weiß ja vorher nicht, wie sich ein Sportler entwickelt, wenn er zum Gewinnen anfängt. Darum muss man gewisse Sachen schon im Vorfeld vorbereiten. Die Athleten müssen sich immer mit gegenseitigem Respekt gegenüber stehen. Das wird bei uns ganz groß geschrieben.

LAOLA1: Dein Vertrag läuft bis nach Olympia 2014, dann wärst du genau zehn Jahre im Amt. Spürst du nicht manchmal Verschleißerscheinungen?

Pointner: Das kommt immer auf die Situation an. Ich hab‘ als Cheftrainer schon verschiedene Phasen miterlebt. Am Anfang musste ich viel strukturieren, dann die Mannschaft auf eine andere öffentliche Ebene vorbereiten. Anschließend hab‘ ich das Stützpunktsystem aufgebaut, wo die Burschen ja hauptsächlich trainieren. Dazu gehören unheimlich viele Trainer, die letztlich für den Erfolg verantwortlich sind. Es gibt also immer wieder etwas Neues zu tun. Gerade beim Thema Neuro-Coaching ist noch viel herauszuholen, da sehe ich bei mir noch viel Potenzial.

LAOLA1: Aber hat es nicht einmal ein Angebot gegeben, wo du fast schwach geworden wärest?

Pointner: Im Moment nicht. Ich sehe mich wie vorher erwähnt in einer neuen Epoche, was das Neuro-Coaching betrifft. Da bin ich selbst erst bei 40, 50 Prozent. Dabei kann man gerade im Spitzensport damit viel erreichen. 95 Prozent der Profi-Sportler haben den Bogen schon überspannt, können aber dagegen nicht ankämpfen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, mit dem Neuro-Coaching in einer anderen Sportart zu arbeiten. Ich weiß, dass diese Methode auch in anderen Sparten wirkt.

LAOLA1: Wahrscheinlicher ist also, dass du innerhalb des ÖSV die Sparte wechselst oder eine übergeordnete Position einnimmst, als dass du den Verband wechselst?

Pointner: Derzeit stehe ich so im Saft, dass ich mich als Sprung-Cheftrainer noch lange nicht am Plafond sehe. Die Mannschaft hat sich wieder weiter entwickelt. Ich komme mir vor, als würde ich gerade am Anfang stehen. In meinen Gedanken ist der definitive Schlusspunkt noch nicht vorhanden. Ob es im Verband woanders hingeht oder in eine ganz andere Sportart, ist noch offen. Aber momentan hab‘ ich nur im Sinn, mit der Mannschaft weitere Sportgeschichte zu schreiben.

Das Interview führte Kurt Vierthaler