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"Man muss es nicht schönreden, habe nichts gesehen"

Ein Raunen geht durch das Zielstadion. Totenstille. Für zehn Sekunden, dann brandet Jubel auf.

Soeben schied Marcel Hirscher im zweiten Durchgang des WM-Slaloms in Führung liegen aus. Eingefädelt, rund 15 Sekunden vor dem Ziel.

„So ist es eben. Sieg und Niederlage liegen so knapp beisammen.“, zeigte sich der Salzburger danach nicht allzu enttäuscht. „Im Endeffekt waren es zehn Tore, die mir gefehlt haben.“

„Habe gar nichts gesehen“

Der immer stärker werdende Schneefall setzte den Läufern ordentlich zu. Von Minute zu Minute wurden die Flocken dichter.

„Man muss es nicht schönreden, ich habe genau gar nichts gesehen. In meinem ersten Bewerb (Kombi/Anm.) hatte ich etwas Glück, heute hatte ich es nicht“, haderte der Doppelweltmeister von Vail und Beaver Creek nicht mit dem Schicksal.

Ähnlich sah es auch ÖSV-Herrenchef Andreas Puelacher: „Für die letzten Drei war es brutal schwer, da ist jeder zurückgefallen. Beim Marcel hat alles gepasst, er hätte um Gold gekämpft. Es ist einfach passiert.“

„Im Slalom geht es um Zentimeter, wenn die Brille beschlägt und du nichts siehst, wird es schwer“, bestätigte er, dass der Schneefall durchaus Mitschuld am Einfädler gehabt haben könnte.

Frust nicht allzu groß

Beim 25-Jährigen selbst hielt sich der Frust und die Verärgerung danach in Grenzen. „Ich habe alles gegeben und gekämpft wie ein Löwe.“

„Es zipft mich mehr an, im Weltcup alles zu geben, 14. zu werden und nicht zu wissen, warum. Heute ist es ziemlich einfach, das zu erklären“, freute sich der Salzburger über die Tatsache, schnell unterwegs gewesen zu sein.

Außerdem kann sich Hirscher mit drei Mal Edelmetall trösten: „Natürlich ist es bitter, aber drei Medaillen – zwei in Gold, eine in Silber – ist nicht so schlecht. Daher fällt es mir nicht so schwer, den Ausfall zu akzeptieren. Besser, als Vierter zu werden.“

„Schön, dass Grange wieder da ist“

Zudem zeigte sich der Annaberger als fairer Verlierer. Nachdem er den Hang hinunter ins Ziel rutschte, schüttelte er allen drei Medaillengewinnern die Hand. Weltmeister Jean-Baptiste Grange und sein Kumpel Felix Neureuther, der Bronze holte, bekamen sogar eine Umarmung.

„Schön, dass Grange wieder da ist. 2011 war er Weltmeister, dann leider verletzt. Jetzt ist er zurück“, freute sich der dreifache Gesamt-Weltcupsieger über die Rückkehr des Franzosen auf den Thron.

Er streute dem frischgebackenen Slalom-Weltmeister Rosen: „Er ist auch im ersten Durchgang gewaltig gefahren, hatte aber einen schweren Fehler. Er konnte seine Leistung bestätigen.“

Viele schöne Momente

Auf die Frage nach seinem schönsten WM-Moment überlegte Hirscher lange, konnte sich aber nicht festlegen: „ Da gibt es so viele. Abartig, was in den 14 Tagen passiert ist. Ich will keinen rauspicken.“

Der Ausfall sei auch für die anstehenden Aufgaben im Weltcup kein Moral-Killer: „Ich war ja schnell, das Selbstvertrauen ist also da.“

Wer Marcel Hirscher kennt, der weiß, dass ihn Niederlagen nur noch mehr anstacheln. Denn Verlieren liegt nicht im Blut des Modelathleten. Kombiniert mit dem Selbstvertrauen der WM-Medaillen wird er auch im Saison-Finish nur schwer zu schlagen sein.

Und vielleicht kann er Kritikern mit dem historischen vierten Gesamtweltcup-Sieg in Serie die passende Antwort liefern.

 

Aus Vail/Beaver Creek berichtet Matthias Nemetz