news

"Schön zu sehen, dass Lindsey Vonn ein Mensch ist"

Anna Fenninger – Superstar!

Drei Medaillen bei einer WM, zwei davon in Gold. Im Riesentorlauf holt die Salzburgerin wie im Super-G Gold, dazu kommt Silber aus der Abfahrt.

„Ich wusste, dass ich schnell Ski fahren und Medaillen holen kann. Dass ich es hier genau so umsetze, ist schon speziell“, jubelte die Salzburgerin nach ihrem dritten Edelmetall.

Dominierten bisher recht knappe Vorsprünge die WM, war es diesmal eine riesige Differenz von 1,40 Sekunden, die die 25-Jährige auf die zweitplatzierte, Viktoria Rebensburg, zu Buche stehen hatte.

„Als ich im Ziel den Vorsprung gesehen habe, konnte ich es nicht glauben. Das war irgendwie zu viel“, staunte die Gesamtweltcupsiegerin über sich selbst.

Warum sie fast „auf der Pappn“ gelegen, fast am Druck zerbrochen wäre und sich freut, dass Lindsey Vonn auch nur ein Mensch ist, erklärt Anna Fenninger bei LAOLA1:

ANNA FENNINGER ÜBER...

... ihren ersten Lauf:

Ich hatte selber gar nicht das mega-gute Gefühl. Ich war bei ein paar Schwüngen doch runder als vorgenommen. Einfach, weil der Speed höher war, als ich mir das gedacht habe. Das lag daran, dass ich zwischen den Toren versucht habe zu pushen - und das ist mir gelungen. Beim Zielsprung bin ich nochmal weit rausgekommen. Als ich den Vorsprung im ersten Durchgang gesehen habe, war ich überrascht.

... den Fehler beim zweiten Lauf:

Es hat mich da verschnitten, dann hat es mir den Ski gefressen. Es hat nicht viel gefehlt und ich wäre auf der Pappn gelegen. Als ich den Fehler gemacht habe, dachte ich kurz, dass der Vorsprung weg ist und ich wieder pushen muss. Das habe ich gemacht.

… ihren großen Vorsprung:

Ich hätte gedacht, dass es heute ein enges Rennen wird, weil es hier ziemlich flach ist und es nicht so viele Kurven gibt. Ich habe versucht, Gas zu geben und zwischen den Toren anzudrücken. Als ich dann im Ziel den Vorsprung gesehen habe, konnte ich es nicht glauben. Das war irgendwie zu viel.

… den Stellenwert von RTL-Gold:

Ich wollte es nie sagen, aber wenn ich ehrlich bin, war mir der Risentorlauf am wichtigsten. In dieser Disziplin erfordert es die meiste Arbeit, zudem ist es im Riesenslalom in früheren Jahren schon einmal nicht so gut für mich gelaufen. Da musste ich mich zurückkämpfen und da habe ich viel erlebt. Nach wie vor benötigt es sehr viel Zeit und Aufwand, um im Riesentorlauf schnell zu sein. Deshalb bin ich sehr stolz, das geschafft zu haben.

... die Umstellung von Speed auf Riesentorlauf:

Ich habe so viel investiert, es war mir so wichtig, dass ich im Riesentorlauf eine Medaille machen kann. Ich habe mich generell sehr gut gefühlt. Das habe ich der harten Arbeit der letzten Wochen zu verdanken. Auch Head hat tolle Arbeit geleistet. Ich habe immer versucht, zwischen den Speed-Events Riesentorlauf-Trainings einzulegen. So habe ich versucht, in Riesenslalom-Form zu bleiben.

… die Tatsache, drei Medaillen bei einer WM gewonnen zu haben:

Im Weltcup hatte ich heuer nur einen Sieg, war aber immer ganz vorne dabei. Ich wusste, dass ich schnell Ski fahren und Medaillen holen kann. Dass ich es hier genau so umsetze, ist schon speziell. Weil es immer auf den Tag und die Verfassung ankommt. Ich habe versucht, mich darauf einzustellen, wie bei Olympia letztes Jahr. Daher wusste ich, wie ich es angehen muss. Ich habe mein Bestes gegeben, im Vorhinein kann man aber nie annehmen, drei Medaillen zu holen. Das ist nicht selbstverständlich, sondern etwas ganz Besonderes. Das ist meine beste WM – es wird sehr, sehr schwer, sie zu toppen.

… die Tränen bei der Siegerehrung:

Das war, weil ich es mir so sehr gewünscht habe. Im Riesentorlauf ist alles anders, man hat zwei Durchgänge und alles dauert länger. Im ersten Durchgang läuft es gut, dann muss man es im zweiten umsetzen. Das sind ganz andere Spannungen als im Speed, wo du einmal an den Start gehst und danach ist alles vorbei. Im Riesenslalom zieht es sich mehr, die Emotion kann sich mehr aufbauen – deswegen war das heute so.

... die Müdigkeit nach der anstrengenden WM:

Man spürt jeden Muskel am Körper, es zehrt extrem. Ich kann es nicht in Kilo sagen, habe im Laufe der WM aber sicher Gewicht verloren. Wenn man Stresssituationen hat, hat man wenig Zeit zu essen und gar keinen Appetit. Im Sommer baut man gewisse Substanz auf, die man im Winter verliert. Mir tut mein Nacken, mein Kreuz und eigentlich alles weh. Das ist muskulär, weil der Körper merkt, er kann loslassen.

... ihr Material:

Den Ski habe ich für den Riesentorlauf nicht gewechselt, aber ich hatte eine ganz neue Platte oben. Es ist schon ein großes Risiko, bei einer WM so etwas einzusetzen. Genau hier kann man aber auch viel gewinnen.

… die Genugtuung, es so weit geschafft zu haben:

Es war eine schwierige Zeit, als mir alles vorhergesagt wurde, weil ich als Jugendliche schon so gut war. Umso größer ist die Leistung, es geschafft zu haben. Ich bin schon ein sensibler Mensch und habe mir in dieser Zeit viel Druck gemacht. Es ist trotz großen Talents nicht selbstverständlich, es in die Weltspitze zu schaffen. Ich habe aus allem viel gelernt, die Arbeit der letzte Jahr trägt jetzt die Früchte. Das ist nicht, weil ich mit 16 Jahren schon alles gewonnen habe, sondern weil ich gemerkt habe, woran ich arbeiten muss und woran es liegt.

… die Tatsache, mit 25 Jahren schon am Höhepunkt zu sein:

Es ist einfach eine Mega-Leistung. Ich hatte nach der letzten Saison das Gefühl, dass ich das nie mehr erreichen kann. Jetzt stehe ich hier und habe drei WM-Medaillen gewonnen. Ich weiß nicht, was noch alles kommt. Ich hoffe, dass es ab jetzt nicht bergab geht. Wenn ich das Level halten kann, bin ich zufrieden. Ich denke schon, dass ich noch nicht gesättigt bin.

… möglichen Ärger über die zwei Hundertstel, die auf Abfahrtsgold und die dritte Goldmedaille dieser WM gefehlt haben:

Jetzt nach dem Riesentorlauf nicht. Wenn, dann war es kurz nach der Abfahrt da. Die Chance, Abfahrtsweltmeisterin zu werden, war sehr groß. Eine Silbermedaille zu gewinnen, ist auch nicht schlecht. Dafür, dass mir die Abfahrt nicht so wichtig ist, ist es gut gelaufen (lacht). Die Abfahrt ist für mich eine Disziplin, wo ich mir nicht so viel erwarte, weil sie nicht so trainingsintensiv ist. In der Abfahrt lernt man eher über die Jahre und die Rennen. Das nehme ich so mit und sehe sie als meine dritte Disziplin. Gewonnen habe ich leider noch nie, ich hoffe, das kommt aber noch.

... die Tatsache, ihrer Rivalin Lindsey Vonn in deren Heimat die Show gestohlen zu haben:

Ich wünschen niemandem Misserfolg oder Schaden. Ich weiß, wie schwer es ist, zu Hause Erfolge zu haben oder eine WM zu fahren. Ich habe nicht daran gedacht, was sie gemacht hat, sondern geschaut, dass ich gut fahre. Ich finde es schön zu sehen, dass auch eine Lindsey Vonn ein Mensch ist. Oft zeigt sie das nicht so richtig. Das ist ihr Weg, das Ganze zu handeln. Dennoch sieht man, dass nicht alles so leicht ist.

 

Aus Vail/Beaver Creek berichtet Matthias Nemetz