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Kröll als Opfer eines Chaos-Super-G

Kröll als Opfer eines Chaos-Super-G

Ein Skandal-Super-G, der nach einem Sturz des Steirers Klaus Kröll abgebrochen worden ist, hat auf der Lenzerheide zwei Rennen vor Saisonschluss hat letztlich die endgültige Entscheidung im Gesamtweltcup gebracht.

Der Salzburger Marcel Hirscher liegt vor dem Riesentorlauf und Slalom 149 Punkte vor Aksel Svindal. Wenige Stunden nach der Absage verkündete der Norweger den Verzicht auf einen Slalom-Start, womit Hirscher auch rechnerisch nicht mehr von der Spitze verdrängt werden kann.

Als Super-G-Disziplinsieger stand Svindal bereits fest. Bei den Damen, deren Super-G ebenfalls dem schlechten Wetter zum Opfer fiel, heißt die Kugelgewinnerin Tina Maze.

Alle Speedrennen abgesagt

Waren die Abfahrten am Mittwoch nach stundenlanger Verschiebung wegen Nebels schussendlich abgesagt worden, so hatte es den Anschein, dass man den Super-G unbedingt durchbringen wollte.

Und unrühmlicher hätten die Speedbewerbe in diesem Winter nicht zu Ende gehen können.

Wegen Neuschnee und schlechter Sicht war das Herrenrennen zunächst von 9.30 Uhr auf 13.00 Uhr verschoben worden, doch nach dem mit Nummer eins gestarteten Vizeweltmeister Gauthier De Tessieres gab es die erste Unterbrechung.

"I was the Crash-Tester today"

"Es ist ein bisschen zu gefährlich wegen des Windes", hatte der Franzose verlauten lassen.

In der Unterbrechung nach seiner Fahrt schickte der Vize-Weltmeister eine Grußbotschaft in die Kamera: "I was the Crash-Tester today."

Trainer und Läufer befragt

Was danach am Start passierte, sorgte im Nachhinein für Verwunderung, Verärgerung und auch Entsetzen.

Die Jury hatte sich an Athletensprecher Ted Ligety (USA) gewandt, der die Rennläufer befragte, ob sie fahren wollen.

Wie genau diese Abstimmung ausging, ist nicht ganz klar - nach einem 5:5 bei der Trainer-Befragung soll es sich um ein 6:4 unter den Athleten gehandelt haben.

Prinzipiell lautete der Tenor aber, wenn es sicher ist, wolle man fahren.

Oberarm-Bruch bei Kröll

Nach 35 Minuten wurde das Rennen fortgesetzt.

Kröll ging mit Startnummer zehn ins Rennen, kam bei der Landung nach einer Kuppe in den weichen Schnee und krachte ins Netz. Er musste mit dem Helikopter geborgen werden, im Kantonsspital in Chur wurde ein Bruch des linken Oberarms mit Beteiligung des Oberarmkopfes diagnostiziert.

Der Zweite der Abfahrtswertung wurde noch am Donnerstag operiert.

ÖSV-Team zurückgezogen

Das österreichische Team beschloss während der Unterbrechung, dass es die Nennung zurückzieht und keinen Läufer mehr ins Rennen schickt.

"Die Sicht ist schlechter geworden, der Wind ist stärker geworden - und wechselhaft, so dass die Athleten das Tempo nicht kontrollierten konnten. Obwohl es nicht allzu schnell war, aber gerade bei den kritischen Sprüngen war es problematisch", erläuterte ÖSV-Sportdirektor Hans Pum.

"Das habe ich noch nie erlebt"

Auch er hatte am Funk mitbekommen, dass die Jury die Läufer befragen ließ.

"Das hat keiner glauben können, dass so eine Frage gestellt wird. Das habe ich in 36 Jahren noch nicht erlebt, dass man eine Entscheidung so wegschiebt. Es gibt eine Jury, die entscheidet, ob die Sicherheit gewährleistet ist oder nicht. Wenn gestartet wird, wird gestartet. Wer nicht starten will, startet nicht", empörte sich Pum.

Sicherheit der Athleten

Worum es ausschließlich gehe, sei die Sicherheit der Athleten. "Wenn du Athleten fragst, tut jeder was anderes."

Normalerweise würde in Lenzerheide von der Organisation her alles funktionieren.

"Aber die Erstversorgung von Klaus hat nicht gepasst. Das hat zu lange gedauert", betonte Pum.

Kompression machte Probleme

Auch die Stelle, an der Kröll stürzte, sei bei der Besichtigung schon besonders ins Auge gestochen ("Nase" auf der Kuppe) und erst auf Begehr der Österreicher noch einmal speziell mit blauer Farbe markiert worden.

Allerdings erst nach der Fahrt von De Tessieres. Speed-Chef Burkhard Schaffer hatte seinen Läufern vorher deshalb sogar schon gesagt, er stelle sich etwas oberhalb hin, damit sie wissen, wann diese Passage komme.

Hirscher "brutal grantig"

 Hirscher war "brutal grantig, weil die Gesundheit von den Athleten aufs Spiel gesetzt worden ist".

Die Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet gewesen, und mehr Routine als Kröll könne man nicht haben.

Zum Gesamtweltcup meinte er: "Es schaut sehr gut aus, aber das relativiert sich auch ein bisserl, wenn man sieht, was dem 'Krölli' passiert ist. Dass beim letzten Rennen so etwas passiert, das ist ein Scheiß, das steht sich überhaupt nicht dafür", sagte der 24-Jährige, der zunächst absolut keine Freude für die wohl wahrscheinliche große Kugel empfinden konnte.

Sicherheit muss gewährleistet sein

"Der Wind ist gegangen, geschneit hat es gescheit, gut, dass sie es abgesagt haben", erklärte Max Franz.

Zur Situation nach der Fahrt von De Tessieres meinte er: "Sie haben die Trainer und Läufer gefragt. Die Meinung in der Hütte war: Wenn es sicher und fair ist, fahren wir, sonst nicht. Aber das können wir nicht entscheiden. Dann haben sie zwei Vorläufer runtergeschickt, und anscheinend war es dann sicher und fair", meinte der Kärntner.

Kritik von Innerhofer

"Ich bin mit gemischten Gefühlen gestartet und froh, dass ich gesund im Ziel bin. Dass die Stelle, wo es den Klaus erwischt hat, problematisch ist, war mir bewusst. Da konnte man nicht auf Zug fahren, sondern musste abbremsen", meinte Christof Innerhofer.

"Traurig ist, dass sich immer erst jemand wehtun muss, bis reagiert wird. Es geht um unser Leben und unsere Gesundheit", sagte der Südtiroler.

Er erzählte auch, dass die Läufer aufgefordert waren, die Fahrt von De Tessieres anzuschauen, dann werde eine Entscheidung getroffen. "Danach hat uns aber keiner mehr gefragt."

"Es ist nicht fair"

Auch Ivica Kostelic kritisierte das Vorgehen: "Die Bedingungen sind nicht gleich für alle, damit ist es nicht fair. Ich habe am Start gehört, sechs Trainer waren für einen Start, vier dagegen", erklärte der Kroate.

"Es ist extrem wechselhaft gewesen, der Wind hat oben extrem geweht, dazu noch der Licht-Schatten-Wechsel, der wohl auch Klaus zum Verhängnis geworden sein dürfte", glaubte Romed Baumann.

"Der Klaus ist schon ein sehr guter Skifahrer. Und wenn es ihn so erwischt, dann muss man sich schon fragen. Er ist bei der Stelle fünf Meter weiter gesprungen, als wir geglaubt haben, er hatte keinen Platz zum Reagieren."

Kristallkugel für Maze

Im Anschluss an das Herrenrennen wurde auch der Damenbewerb abgesagt.

Die US-Amerikanerin Julia Mancuso hätte der führenden Slowenin Tina Maze das Kristall noch streitig machen können, sie lag 55 Zähler zurück.

So aber ging die dritte Kugel in dieser Saison nach jener für den Gesamtweltcup und jener für den Riesentorlauf an Maze.