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"Es würde auch nächstes Jahr noch funktionieren"

Ein ganz Großer verabschiedet sich in den Ruhestand.

Mario Matt beendet über 15 Jahre nach seinem Weltcup-Debüt seine glorreiche Karriere. „Es ist eigenartig. Ich hätte nicht gedacht, dass die Entscheidung so schwer sein wird“, gibt der 35-Jährige zu.

„Ich weiß, dass ich mit den Schnellsten mithalten kann. Ich bin mir sicher, dass es auch nächstes Jahr noch funktionieren würde, wenn das Paket stimmt“, will der zweifache Weltmeister und Olympiasieger  nichts davon wissen, aufgehört zu haben, weil er nicht mehr konkurrenzfähig sei.

Vielmehr habe er gespürt, dass es Zeit für einen neuen Lebensabschnitt sei: „Beim Training, als wir perfekte Bedingungen und eine Eispiste hatten, habe ich rüber zu den Touristen geschaut, die im Tiefschnee gefahren sind,  und mir gedacht, dass das jetzt mehr Spaß machen würde. So würde es keinen Sinn machen, weiter zu machen.“

Warum sein Rücktritt nicht zu spät kommt, wie schwerwiegend seine Knöchel-Verletzung wirklich ist und wie seine Zukunft aussieht, verrät Mario Matt ebenfalls.

MARIO MATT ÜBER…

 

… seine Karriere: Ich kann im Großen und Ganzen auf eine schöne Zeit zurückblicken. In St. Anton bin ich mit 20 Jahren Weltmeister geworden, das war wunderschön. Das zweite Mal in Are, wo nach der Verletzung harte Arbeit nötig war, war ebenfalls wunderschön. Ich hatte viele Tiefs zu überwinden, wie es im Leben so ist. Man darf nie aufgeben und muss immer weiterarbeiten, es hat sich ausgezahlt. Der Olympia-Sieg im hohen Alter von 35 Jahren hat mich sehr stolz gemacht. Danach habe ich lange überlegt und wusste nicht, ob ich weitermache oder nicht. Irgendwie war die Zeit noch nicht reif, aufzuhören. Ich war bereit und von Anfang an gut in Form. Leider habe ich mein Ziel durch die vielen Ausfälle nicht erreicht.

… seine Gefühlswelt: Es ist nicht einfach, wenn es zu dem Punkt kommt. Ich habe mehrmals gespürt, dass die Zeit reif ist, aber Skifahren war trotzdem mein Lebensmittelpunkt. Alles wurde darauf ausgerichtet, ich habe mich stets gut vorbereitet und alles versucht. Egal, wann man die Entscheidung trifft, es fällt immer schwer.  Es ist eigenartig. Ich hätte nicht gedacht, dass die Entscheidung so schwer sein wird. Es ist immer im Kopf drin, trainieren zu müssen und alles für den Sport zu machen. In dieser Saison hatte ich oft andere Gedanken, der Drang zu einem neuen Lebensabschnitt war da.

… die Wertigkeit seiner Erfolge: Es ist schwer, zu beurteilen, was mehr wert ist. Jeder Erfolg ist ganz besonders. Der WM-Titel in St. Anton ging relativ leicht von der Hand, ich war jung und unbekümmert. Mir wurde erst ein paar Jahre später bewusst, dass es nur ganz wenigen Sportlern gelingt, in der Heimat Gold und Silber zu gewinnen. Der zweite Titel (Are/Anm.) hat für mich große Bedeutung, weil ich davor lange verletzt war und hart kämpfen musste. Die WM-Titel waren wunderschön, der Olympiasieg dann die Krönung. Das im hohen sportlichen Alter erleben zu dürfen, war etwas ganz Besonderes. Ich denke nicht, dass es vielen gelingt, zweimal Weltmeister und Olympiasieger zu werden. Wenn man dazwischen Probleme hat und verletzt ist und sich mit der Startnummer zurückkämpfen muss, macht es das Ganze noch spezieller. Dass mir das drei Mal gelungen ist, macht mich zufrieden und stolz.

… seine Knöchel-Verletzung: Nach dem Sturz vor der WM habe ich mich einer MRT-Untersuchung unterzogen. Dort hat sich gezeigt, dass ich nicht ernster verletzt bin und weiteren Starts nichts im Wege steht. Die Schmerzen waren aber stark. Ich habe alles versucht, um fit zu werden und bei der WM am Start zu stehen. Das ist mir bis zu meinem Ausfall gut gelungen. Danach sind die Schmerzen nicht besser geworden. Eineinhalb Wochen später habe ich mich in Innsbruck nochmals untersuchen lassen. Dort hat sich herausgestellt, dass die Verletzung schlimmer ist, als zunächst angenommen. Es wurde ein Knochenmarksödem im Sprungbein festgestellt. Bei einem Schlag oder starker Belastung könnte das Sprungbein jederzeit brechen. Das macht einen Start in Kranjska Gora und beim Weltcup-Finale nicht möglich.

… die Dinge, die er am meisten vermissen wird: Schwer zu sagen. Es ist sehr viel harte Arbeit, die man im Fernsehen nicht sieht. Was ich nicht vermissen werde, sind die täglichen Material-Tests. Man hat die perfekte Abstimmung gefunden, dann kommt man auf andere Verhältnisse und alles ist anders und passt nicht mehr. Das hat mir in dieser Saison auch mental viel abverlangt. Was ich vermissen werde, sind die Läufe, die man im Rennen ins Ziel bringt, wie man es sich vorstellt und dann am Podest ganz oben steht. Dafür nimmt man alles auf sich. Auch im Training, wenn man fährt wie man es sich vorstellt, verspürt man Genugtuung, die einen zufriedenstellt.

… seine Pferdezucht und Ski-Hütte: Die Pferde bedeuten mir sehr viel. Ich unternehme viel mit ihnen und bin viel auf internationalen Schauen unterwegs. Ich freue mich, dass ich das in Zukunft intensiver betreiben kann. Wenn ich im Sommer auch einmal einen längeren Ausritt ohne Zeitdruck machen kann, darauf freue ich mich. Das Crazy Kanguruh führe ich seit sechs Saisonen, das fordert viel Arbeit. So wird meine Zukunft aussehen.

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz

…seine vielen Rückschläge und Tiefs:  Man muss in solchen Phasen kühlen Kopf bewahren. Für mich war das Umfeld zuhause, auch die Pferde, ganz wichtig, um abzuschalten und nicht immer nur ans Skifahren zu denken. So hatte ich die nötige Lockerheit. Dennoch war ich sehr ehrgeizig, das muss man auch sein, wenn man sich mit hoher Startnummer nach vorne kämpfen muss. Ich wusste immer, dass ich schnell sein kann.

… die Behauptung, sein Rücktritt komme ein Jahr zu spät: Ich hatte letztes Jahr nicht das Gefühl, dass es vorbei ist. Ich denke, alles richtig gemacht zu haben. Jetzt habe ich gemerkt, dass es nicht mehr das allerwichtigste ist, Rennen zu fahren. Letztes Jahr war es nicht so, deshalb wäre es nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Es ist ganz wichtig für mich, das selbst gespürt zu haben. Leider stehen die Resultate heuer nicht am Papier, ich weiß aber, dass ich mit den Schnellsten mithalten kann. Ich bin mir sicher, dass es auch nächstes Jahr noch funktionieren würde, wenn das Paket stimmt. Es ist es ein bisschen schade – fast schon verrückt - dass ich zu Beginn der Saison so gut drauf war, aber es nie ins Ziel gebracht habe. Danach war es nicht einfach, trotzdem habe ich bei der WM alles versucht. Es hat einfach nicht sein sollen. Wenn ich zurückblicke, kann ich trotzdem zufrieden sein. Im Laufe der Saison habe ich gemerkt, dass Skirennfahren nicht mehr das allerwichtigste in meinem Leben ist. Beim Training, als wir perfekte Bedingungen und eine Eispiste hatten, habe ich rüber zu den Touristen geschaut, die im Tiefschnee gefahren sind, und mir gedacht, dass das jetzt mehr Spaß machen würde. So würde es keinen Sinn machen, weiter zu machen.