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"Hirschers Erfolg stellt die anderen in Frage!"

Als Marcel Hirscher nach Siegerehrung und Presskonferenz ins ÖSV-Zelt gebracht wurde, um auch zu den VIP-Gästen noch ein paar Worte zu sprechen, warteten die Trainer schon am Eingang.

Um dem Schladming-Sieger einen entsprechenden Empfang zu bereiten.

Sie hoben ihn und auch den Drittplatzierten Mario Matt auf ihre Schultern und ließen die beiden Slalom-Asse hochleben.

Die Botschaft war unmissverständlich: Schaut her, wir haben uns alle lieb! Seht uns an, wir sind ein super Team!

Wer ist der „Mister X“?

Der Eindruck, den man in den Tagen davor gewinnen konnte, war aber ein anderer.

Seit ein Unbekannter mit einer SMS an zwei Journalisten schwere Vorwürfe gegen Hirscher und Felix Neureuther erhoben hatte, die es in weiterer Folge in die Zeitung schafften, stellten sich einige Fragen.

Warum tritt jemand diese Lawine ausgerechnet vor den Rennen in Kitzbühel und Schladming los? Was ist an den Vorwürfen um nicht geahndete Einfädler in Zagreb und Adelboden dran? Und vor allem: Wer ist der böse SMS-Schreiber, der „Mister X“?

Kein Kommentar

Letztere ist bis dato unbeantwortet, der Ski-Verband dementierte am Mittwoch eine Meldung, wonach die erhobene Telefonnummer aus dem Umfeld von Benjamin Raich kommen soll.

„Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, die Nummer kann überhaupt keinem ÖSV-Mitarbeiter zugeordnet werden“, heißt es von Verbandsseite.

Weitere Mutmaßungen und Verdächtigungen wird man künftig nicht kommentieren.

„Werden die Sache klären“

Fakt ist aber: Präsident Peter Schröcksnadel hat die „Causa prima“ zur Chefsache erklärt und sich bereits dran gemacht, den „Maulwurf“ zu finden.

„Wir lassen uns keinen Virus hineinsetzen oder auseinander dividieren. Wir haben schon viel herausgefunden und werden auch diese Sache klären.“

Er habe Mittel und Wege und außerdem auch in der Vergangenheit schon den einen oder anderen detektivischen Erfolg gefeiert, lächelt der mächtige Ski-Boss im Gespräch mit LAOLA1 vielsagend.

„Und wir haben ja auch noch die Möglichkeit, die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft einzuschalten, immerhin handelt es sich hier um Rufschädigung“, stellt Schröcksnadel klar.

„Misstrauen ist Teil des sozialen Lebens“

Sportdirektor Hans Pum, Herren-Chef Mathias Berthold und weitere Verantwortliche führten noch in Schladming mit Marcel Hirscher, Zielscheibe der Angriffe, mehrere Gespräche, um das Vertrauen wieder herzustellen und ihm den Rücken zu stärken.

Die richtige Reaktion, erklärt Sportpsychologe Günter Amesberger im Gespräch mit LAOLA1: „Misstrauen gehört zum sozialen Leben dazu, aber man muss es ansprechen und erklären, wer was erwartet und wie man nach so einer Geschichte miteinander umgeht. Dass man sich an einen Tisch setzt und redet ist eine konstruktive Reaktion.“

Redebedarf gibt es aber nicht nur mit der sportlichen Führung, wie LAOLA1 von einem ÖSV-Insider erfuhr.

Parallelen zum „Herminator“

Denn die Stimmung im Slalom-Team soll im Vergleich zur Abfahrts- oder Riesentorlauf-Mannschaft alles andere als gut sein.

„Es haben einige ein Problem mit Hirschers Erfolgen“, wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt.

Für den Sportpsychologen eine ganz normale Reaktion: „Wenn eine Person so dominant ist und im Rampenlicht steht, leiden die anderen kurzfristig darunter.“

„Mit seinen Erfolgen stellt Hirscher die anderen in Frage. Aber damit muss ein Spitzensportler umgehen können“, sagt Amesberger und erinnert an einen gewissen Hermann Maier, an dessen Dominanz mehr als ein Läufer zerbrochen ist.

„Das ist charakteristisch für den Spitzensport, wir sind ja da auf keiner Harmonieveranstaltung.“

Der Erfolg hat viele Väter

Man darf auch nicht vergessen, so der hochdekorierte Universitäts-Professor weiter, dass man zwar immer vom Ski-Team spricht, es sich schlussendlich aber doch um Einzelsportler handelt.

Dass der Einzelsportler Marcel Hirscher in diesem Team seinen eigenen Weg geht und immer wieder sein ganz persönliches Umfeld hervor streicht, birgt aber ebenfalls Konfliktpotenzial.

„Der Erfolg hat in den meisten Fällen viele Väter. Es stehen Trainer dahinter, man kann im Team Dinge besser entwickeln, das Leistungsniveau steigert sich. Hochgefährlich wird es dann, wenn sich einerseits jemand diese Erfolge alleine an den Hut steckt oder andererseits die Arbeit des gesamten Teams nicht gewürdigt wird.“

„Würde zu Zerfleischung führen“

Trotzdem warnt Amesberger davor, den SMS-Schreiber, sollte er aus dem Team kommen, öffentlich anzuprangern.

„Das wäre der falsche Weg, würde nur zu einer weiteren Zerfleischung führen.“

Das sieht auch ÖSV-Präsident Schröcksnadel so: „Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, das Thema noch einmal anzuheizen. Vielleicht klären wir die Sache auch intern.“

Stephan Schwabl