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Sotschis Vermächtnis

Sotschis Vermächtnis

Ein Jahr nach den ersten russischen Olympischen Winterspielen in Sotschi und dem Nationensieg des Gastgebers macht sich Katerstimmung breit in der stolzen Sportnation. Dopingskandale und eine Wirtschaftskrise lasten auf Russland.

Wie geht es Sotschi heute?

Zum Jahrestag seiner ersten Olympischen Winterspiele will es Russland bei einer Feier in Sotschi am Schwarzen Meer mit Tausenden Gästen noch einmal krachen lassen.

Doch mit der Stimmung im Ort der ersten Winterspiele unter Palmen ist es nicht zum besten bestellt, wenn Bürgermeister Anatoly Pachomov am Samstag zum Feiern einlädt. "Auch ein Jahr nach den Spielen von 2014 ist Sotschi ein Vorbild für andere Städte im Land", meint Pachomov dennoch.

Tiefe Krise

Seit den mit geschätzt rund 35 Milliarden Euro teuersten Winterspielen der Geschichte und dem ersten Formel-1-Rennen in Sotschi hat sich die Lage in Russland verändert.

Im Ukraine-Konflikt, der bereits vor einem Jahr wie ein düsterer Schatten über der sonnigen Küste lag, sieht sich Russland vom Westen zunehmend ausgegrenzt.

Sanktionen der EU und den USA sowie der niedrige Ölpreis haben die stolze Sportnation in ihre schwerste Krise seit Amtsantritt von Kremlchef Vladimir Putin vor mehr als 15 Jahren gestürzt.

Die Jubelstimmung von Sotschi mit dem Sieg in der Nationenwertung ging fast nahtlos in den schwersten Konflikt Russlands mit dem Westen seit Ende des Kalten Krieges über.

Hinzu kommen Dopingskandale in den Reihen der prominentesten Sportler mit Folgen bis in die höchsten Funktionärsspitzen des Landes.

Gute Umfragewerte

Angesichts des Rubel-Verfalls sowie steigender Preise und Arbeitslosigkeit und einer in die Rezession rutschenden Wirtschaft gibt Putins Regierung Durchhalteparolen aus.

Olympia hatte damals seine ohnehin hohen Popularitätswerte weiter nach oben schnellen lassen. Noch ein Jahr später sagen 46 Prozent der Russen in einer Umfrage, sie seien stolz auf die Gastgeberrolle.

Und 49 Prozent sind überzeugt, dass die Spiele das Prestige des Landes erhöht haben.

Optimismus ist geblieben

Putins Popularitätswerte sind weiter hoch. Die Lage sei trotz vieler Probleme unter Kontrolle, meint Kremlsprecher Dmitri Peskov. Doch immer mehr Russen sehen mit Sorge in die Zukunft.

Aber auch in schwierigen Zeiten sei das nächste Großprojekt, Russlands erste Fußball-Weltmeisterschaft 2018, nicht gefährdet, heißt es.

Gleichwohl zweifeln nicht wenige daran, dass das Vorhaben zu stemmen ist. Seit Monaten wartet Nationaltrainer Fabio Capello auf Gehaltszahlungen in Millionenhöhe. Es gibt Abstriche bei der Größe der Stadien. Wegen der Sanktionen steigen die Baukosten, Termine geraten in Verzug.

Keine Spur vo Tourismus-Boom

Auch Sotschis Olympiastadion Fischt, Ort der Eröffnungs- und Schlussfeier, wird zur WM-Spielstätte umgebaut. Doch der Olympia-Park sei ein Jahr nach dem Ringespektakel menschenleer, von einem Touristenboom keine Spur, schreibt Alexander Valov von blogsochi.ru. In vielen der eigens gebauten Hotels gebe es kaum Lebenszeichen.

Der Eispalast "Bolschoi" erfreue sich vergleichsweise großen Zulaufs, berichtet Valov. Allerdings gebe die Regierung rund eine Million Rubel (etwa 13.000 Euro) täglich aus, um die Anlage zu erhalten.

Das gigantische Medienzentrum für Tausende Journalisten stehe jedoch leer. Dabei sollte dort ein großes Einkaufs- und Vergnügungszentrum entstehen.

Ähnlich sehe es an den großen Arenen "Eisberg", "Schajba" und der zum Tennisplatz umfunktionierten "Adler-Arena" aus. Walows Prognose: "Noch ein Jahr mit einer solchen Einstellung. Und alles wandelt sich in einen banalen Müllhaufen."

Bis heute ausständige Gehaltszahlungen

Schon bei Olympia gab es den Vorwurf, den ganzen Aufwand gebe es nur, um eine große Propagandashow für Putin zu inszenieren. Staatschefs der EU und USA mieden den Gastgeber demonstrativ - damals vor allem wegen der Kritik an Menschenrechtsverstößen.

Noch immer kämpfen viele Arbeiter um ihre Löhne, die ihnen bankrotte Baufirmen schulden, wie die Zeitung "Kawkaski Usel" mitteilt.

Zudem gibt es Berichte über Klagen von Klein- und Mittelständlern, die sich von Hotelketten und Konzernen aus der Kurregion vertrieben sehen.

Direktverbindung nach Peking geplant

Zumindest zum Jahreswechsel meldete das Gastgewerbe in den nach österreichischem und schweizerischem Vorbild gebauten Wintersportorten Rosa Chutor und Krasnaja Poljana solide Auslastungszahlen.

Die Hoffnungen sind groß, dass sich dieser Trend zur Hauptreisezeit im Sommer fortsetzt. Viele in der Region sehnen sich nach den Sowjetzeiten, als Sotschi als Riviera des Ostens galt. Und viele Tourismusanbieter hoffen vor allem, dass die Russen angesichts der politischen Spannungen mit dem Westen und der Wirtschaftskrise sich für einen Urlaub in der Heimat entscheiden.

Geworben wird auch um Touristen aus China, dem neuen strategischen Partner Russlands. Eine Direktverbindung von Peking nach Sotschi soll Bürgermeister Pachomov zufolge bereits am 1. Juni eröffnet werden.