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Der Capitals-Überlebensdrang

Der Capitals-Überlebensdrang

Mittlerweile ist es für die Vienna Capitals ein bekanntes Gefühl. Das Gefühl der Ungewissheit. Jenes der Beklemmung. Des mentalen Drucks.

Auf die Wiener Cracks wartet am Dienstag bei den Black Wings (LIVE-VIDEO ab 19:15 Uhr bei LAOLA1.tv/ServusTV zeigt die Konferenz) das x-te Endspiel dieser Saison. Eines mit „Do or Die“-Charakter wie er im Buche steht.

Dennoch: Die Chance lebt. Tommy Samuelsson, der schwedische Ruhepol auf der Betreuerbank, wird nicht müde dies zu betonen. Die Fahnen der Hauptstadt sollen in den Playoffs hoch gehalten werden.

„Wir müssen so weiterspielen wie bereits die ganze Serie. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir am Ende gewinnen“, erweist sich Philippe Lakos trotz 1:3-Rückstand als Kämpfer-Natur.

Wie wollen die Caps nun Viertelfinale sechs erzwingen? LAOLA1 fragte beim Abwehrrecken und dem zum Zuschauen verdammten Rafael Rotter nach.

  • Die Analyse:

„Wer die Tore nicht schießt, bekommt sie eben!“ Eine abgedroschene Binsenweisheit, welche in Spiel vier einmal mehr ihre Berechtigung darlegen konnte. Mit einer ausverkauften Albert Schultz Halle im Rücken vermochten die Capitals, den Linzern ihr Tempo aufzuzwingen. Kritikpunkt: Man verpasste, an vorderster Front von der Dominanz zu profitieren.

„Wir fingen sehr gut an, hatten Möglichkeiten, verwerteten diese leider nicht. Und dann erhielten wir zwei Gegentore in Unterzahl, das war sehr blöd“, gibt Lakos zu verstehen. Zwar gelang dank Jonathan Ferland im Powerplay der zwischenzeitliche Ausgleich, weitere vier Überzahl-Gelegenheiten blieben allerdings ungenützt.

„Die Special-Team-Formation funktioniert bei uns noch immer nicht so, wie wir uns das vorstellen. Es ist kein Geheimnis“, bezieht sich Rotter auf eine grundlegende Problematik. Statistisch gesehen, liegt man mit 17,69 Prozent Effizienz nur auf dem drittletzten Rang der Powerplay-Wertung. Für ein Team, das im Titelkampf mitmischen möchte, zu wenig.

So schließt sich auch der Kreis. Denn Kaltschnäuzigkeit zeichnete die Linzer Offense besonders in Wien aus. Allen voran Gregor Baumgartner (hier geht’s zum Interview). Acht Mal jubelte der Goalgetter bereits gegen den früheren Arbeitgeber, einen „Bewacher" erhält er trotzdem nicht. „Wenn er allein steht und den freien Schuss bekommt, lässt er sich die Chance meist nicht nehmen. Er hat derzeit das nötige Glück“, kommt Lakos auf Fortuna zu sprechen.

  • Der Faktor Glück:

Wie singt Alexander von Biczo so schön: „Das Glück is a Vogerl, gar liab, aber scheu, es lasst si schwer fangen, aber fortg’flogn is glei.“ Die Wiener Anhängerschaft hofft, jenes bald begrüßen zu dürfen. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. Zum Unvermögen im Abschluss gesellte sich nämlich im letzten Duell noch etwas Pech.

Scharfschütze Francois Fortier scheiterte im ersten Abschnitt erst am überragend parierenden Linzer Goalie Alex Westlund, wenig später stand die Stange oder der auf der Linie rettende Defender Curtis Murphy im Weg. „Wir hätten diese Partie entscheiden können, dominierten.“ Die Verzweiflung wich bei Rotter, der auf der Tribüne mitfieberte, längst der Zuversicht: „Haben wir das Quäntchen Glück auf unserer Seite, siegen wir.“

Erzwingen könne man jedoch nichts. Demzufolge soll die Brechstange vorerst eingepackt bleiben, so Lakos: „Wir müssen locker agieren. Zwischen den Teams ist kein allzu großer Unterschied. Wir sollten positiv hineingehen, das Glück kommt letztlich von selbst.“ Auf Teufel komm raus anzugreifen, wäre in Anbetracht der gefährlichen Black-Wings-Gegenstöße die falsche Marschroute.

„Wir wissen, dass die Linzer sehr gut in der Transition sind. Es geht ziemlich schnell ab, wenn sie den Konter fahren“, weist Rotter auf die essentielle Qualität des Liga-Dominators hin. Der Stürmer selbst rackert nach Kreuzband-Verletzung hart für das Comeback. „Mitte März gehe ich wieder aufs Eis und baue alles auf, um kommende Saison richtig loszulegen.“ In Oberösterreich wird der 24-jährige nicht zugegen sein.

  • Die Vorbereitung:

„Ich werde nicht mitreisen, damit sich die Truppe besser konzentrieren kann. Ich blödle gerne herum, wobei es hin und wieder nützt, zu lachen. Bei so einem Match ist aber voller Fokus gefragt. Die Spieler haben Rituale im Vorfeld, da will ich nicht stören“, begründet Rotter sein Fernbleiben. Überdies wäre eine Anreise mit privatem Aufwand verbunden, da Verletzte nicht im Mannschaftsbus mit dürfen.

„Die Ansage gab es zu Saisonbeginn“, klärt der Stimmungsmacher auf. Zuvor wird er die Kollegschaft beim gemeinsamen Mittagessen nochmals einschwören: „Wir haben Leader, die wirklich wissen, was zu tun ist. Ich werde mit ihnen reden, sie richtig motivieren. Viel muss nicht gesagt werden, denn alle sind Profis genug.“ Ob Rotter in dieser Rolle zu überzeugen weiß, wird sich noch zeigen.

Gleichwohl ist es ein bedeutendes Indiz für den neu entflammten Teamspirit. Daher verzichtete auch die sportliche Leitung auf die oftmals als probates Mittel vor solch richtungsweisenden Begegnungen angesehene Kasernierung. „Das passiert, glaube ich, nur in Salzburg. Jeder hat seinen eigenen Ablauf, was er am Tag vor dem Spiel macht. Wir wissen, wie wir uns vorbereiten“, freut sich Lakos über eine erholsame Nacht im eigenen Bett.

Der 31-Jährige legte nach dem montägigen Vormittags-Training die Beine hoch, die Regeneration war ebenso bei den Einheiten vordergründig: „Wir wollen energiegeladen antreten. Mit Video-Analysen und Besprechungen zeigte man uns Kleinigkeiten, die wir besser machen oder fortsetzen sollen.“ Die Ruhe vor dem Sturm quasi.

  • Die Belastung:

Urlaub oder Spiel sechs? Darüber sind sich die Cracks im Klaren. Dennoch ist die Stimmung ungetrübt, keine Rede mehr vom absenten Zusammenhalt vergangener Wochen. „Jeder glaubt an diese Chance, das ist am wichtigsten. Es läuft alles super. Wir müssen das einzig umsetzen“, betont Lakos. Selbiges behauptet Rotter, der sich stets im Wirkungsbereich der Mannschaft befindet.

„Ich rede täglich mit ihnen. Klarerweise waren sie down, da wir gewinnen wollten. Die Burschen sind aber positiv eingestellt.“ Welch immenser Druck auf seinen Mitspielern lastet, kann das Eigengewächs der Capitals nachempfinden. „Ich erlebte so etwas öfter. Man ist nervöser. Andererseits weiß jeder, wie man damit umgehen muss.“

Rotter selbst habe solche Zwickmühlen meist als „zusätzliche Motivation gesehen“. Ähnlich befindet dies Lakos: „Wir dürfen nicht viel nachdenken.“ Die Situation ist den Wienern, wie eingangs erwähnt, nicht fremd, stand man doch im Verlauf einige Male vor dem Abgrund. „In der Qualirunde mussten wir siegen und das haben wir getan. Wir zeigten, dass wir mit dem Druck klar kommen. Jetzt ist es wieder so.“

An etwaige Reise-Destinationen nach dem Saisonende verschwendete der baumlange Lakos noch keinen Gedanken: „Ehrlich gesagt, habe ich wirklich keine Lust auf Urlaub, schon gar nicht auf einen derart langen. Mir wird meistens nach ein paar Wochen fad. Bitte noch so lange wie möglich.“

Die Capitals sehnen also danach, dieses Gefühl des ungewissen Urlaubs-Antrittes weiterhin zu haben.

Christoph Köckeis