news

"Wenn Rafa und Roger verlieren, kann ich es auch"

77 Jahre ist es her. Damals triumphierte ein gewisser Fred Perry im All England Club von Wimbledon.

Der spätere Mode-Label-Gründer sollte der letzte britische Heimsieger für eine lange Zeit gewesen sein. Viele seiner auserkorenen Nachfolger scheiterten am gigantischen Erfolgsdruck der Fans.

Andy Murray soll es nun besser machen. Mit seinem Olympia-Sieg im vergangenen Jahr bewies der 26-jährige Schotte, dass er das Zeug dazu hat, im Rasen-Mekka der Allerbeste zu sein.

Dementsprechend groß ist in Wimbledon der Trubel um den großen Superstar, der von den Fans regelrecht über die Anlage gejagt wird.

Henman „Murray spielte nur durchschnittlich“

Zudem fühlen sich zahlreiche Experten dazu bemüßigt, die bisherigen Leistungen von Murray zu analysieren und dessen Titel-Chancen einzuschätzen.

So meinte Tim Henman, seines Zeichens vierfacher Wimbledon-Halbfinalist, nach dem etwas mühevollen Drei-Satz-Sieg über Mikhail Youzhny im Achtelfinale, dass Murrays Vorstellung „eigentlich ziemlich durchschnittlich“ gewesen sei.

Lädierter Rücken bereitet Sorgen

Sorgen bereitet den Briten auch der lädierte Rücken ihres Tennis-Helden. Wegen starker Schmerzen musste Murray deshalb schon auf einen Großteil der Sandplatz-Saison verzichten.

Nun traten die Probleme auch im Match gegen Youzhny auf. Nach der Partie musste er sich einer 20-minütigen Behandlung unterziehen.

„Mein Rücken ist wie er ist“, sieht der Schotte die Lage pragmatisch. „Es fühlt sich derzeit auf jeden Fall viel besser an, als es noch vor ein paar Wochen der Fall war. Manchmal habe ich während der Partie Schmerzen. Man muss einfach schauen, wie man diese Phasen am besten übertaucht.“

Favoriten-Stellung hat für Murray keinen Wert

“Ich darf mich nur auf mein nächstes Match konzentrieren”, versucht Murray fokussiert zu bleiben und nicht an ein mögliches Halbfinale gegen den Sieger des polnischen Duells Jerzy Janowicz gegen Lukasz Kubot zu denken.

Erst im Endspiel würde es dem Papier nach zum Traum-Finale gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic kommen. Den Spekulationen, dass er den 77-jährigen „Heimfluch“ der Briten in Wimbledon brechen könnte, geht er gezielt aus dem Weg.

Als Top-Favorit hätte man laut Murray nämlich noch lange keine Garantie auf den Titel.

„Im Damenbewerb hat schließlich auch niemand mit der Niederlage von Serena Williams gerechnet. Auch Roger und Rafa sind bereits draußen – alle diese Leute sind besser als ich und wenn die verlieren können, kann ich auch verlieren.“

Haushoher Favorit gegen Verdasco

All dieser Tiefstapelei zum Trotz geht Murray am Dienstag natürlich als haushoher Favorit in sein Viertelfinal-Duell gegen Fernando Verdasco.

Der wiederauferstandene Spanier steht erstmals seit den US Open 2010 bei einem Grand-Slam-Turnier unter den letzten Acht.

„Verdasco ist ein sehr, sehr guter Tennis-Spieler, der auf allen Belägen spielen kann. Aufgrund seiner Verletzungen konnte er zuletzt nie wirklich konstant spielen.“

Verdasco: „Du darfst den Glauben nicht verlieren“

Der 29-jährige Madrilene konnte von neun Duellen gegen Murray zwar nur eines für sich entscheiden, an den Fünf-Satz-Thriller im Achtelfinale der Australian Open 2009 erinnert er sich aber umso lieber zurück. Schließlich zog er damals in Folge auch in sein bislang einziges Grand-Slam-Halbfinale ein.

„Du darfst einfach nicht den Glauben verlieren“, will Verdasco seine Mini-Chance gegen Murray nützen. „Andy ist die Nummer zwei bei diesem Turnier und einer der aktuell besten Spieler der Welt. Zudem hat er das Publikum hinter sich. Das wird einfach richtig schwierig werden.“

Gemeinsame Trainingszeiten in Spanien

Der ehemalige Weltranglisten-Siebente freut sich aber trotzdem auf das Match. Schließlich sind er und Murray schon seit langer Zeit befreundet. Der Schotte verbrachte als Jugendlicher seine Ausbildungsjahre in Barcelona.

„Wir haben in Spanien viel miteinander trainiert, obwohl er etwas jünger ist als ich. Wir hatten immer schon eine gute Beziehung miteinander – sowohl auf, als auch neben dem Platz.“

Für Murray wird das Duell gegen Verdasco trotzdem etwas ungewohnt. Erstmals seit den US Open im vergangenen Jahr (dritte Runde gegen Feliciano Lopez) spielt der Schotte auf der Tour wieder gegen einen Linkshänder.

„Das macht beim Return natürlich schon einen Unterschied“, weiß Murray, der aber auch hier auf Erfahrungen in der Jugendzeit setzen kann. Schließlich ist sein Bruder, langjähriger Trainingspartner und Doppel-Spezialist Jamie ebenfalls ein sogenannter „Lefty“.

Christian Frühwald