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Waber: "Bei uns läuft es in die falsche Richtung"

Waber:

Es war eine historische Pleite. Mit der 1:2-Niederlage im Relegations-Duell gegen Lettland stiegen Österreichs Tennis-Damen am Samstag erstmals in die Europa/Afrika-Zone II ab.

„Wir gingen mit realistischen Erwartungen in diese Woche und haben gewusst, dass es schwierig wird“, analysierte Fed-Cup-Kapitän Jürgen Waber im LAOLA1-Interview nüchtern die zukünftige Viertklassigkeit.

Überraschender waren für den 43-jährigen Oberösterreicher eher die Aussagen des im Februar scheidenden ÖTV-Präsidenten Ronnie Leitgeb im Vorfeld der Fed-Cup-Woche.

„Was soll ich dazu sagen, wenn der Präsident in Wien sitzt und verkündet: ‚Das Ziel kann nur der Aufstieg sein‘? Ich weiß, wie unsere Mädels spielen und was sie für ein Leistungsvermögen haben. Die Erwartungshaltung entspricht nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten.“

Abstieg als Chance

Waber versucht, das Positive an der aktuellen Situation zu sehen: „Vielleicht ist der Abstieg die Chance, dass jene, die in Zukunft im Verband das Sagen haben werden, es Schwarz auf Weiß sehen, wo wir mittlerweile stehen.“

Bei uns spricht der ehemalige Coach von Sybille Bammer darüber, welche Versäumnisse in der Vergangenheit passiert sind, wo in Zukunft der Hebel angesetzt werden sollte und er erklärt, warum wir im Tennis nur bei den Senioren Weltklasse sind.

LAOLA1: Wie lautet deine Analyse der vergangenen Fed-Cup-Woche?

Jürgen Waber: Wir gingen mit realistischen Erwartungen in diese Woche und haben gewusst, dass es schwierig wird. Beinahe hätte es sogar mit dem Klassenerhalt geklappt. Das entscheidende Doppel gegen Lettland stand auf Messers Schneide und hätte auch anders ausgehen können. Im Endeffekt waren Lettland, Liechtenstein und Österreich aber schon im Vorfeld die Mannschaften mit dem niedrigsten Niveau. Nach dem krankheitsbedingten Ausfall von Patricia (Anm.: Mayr-Achleitner) war es dann fast schon eine „Mission Impossible“.

LAOLA1: Im Nachhinein schmerzte sicherlich auch die Absage von Tamira Paszek. Wäre es nicht möglich gewesen, sie noch zu einem Start zu überreden? Gesund wäre sie ja gewesen und auch eine 80-prozentige Tamira hätte vielleicht den Unterschied ausmachen können.

Waber: Wir haben oft miteinander telefoniert. Am Ende hat sie eine Entscheidung getroffen, die ich akzeptieren musste. Natürlich hätte ich gerne mit dem bestmöglichen Team gespielt.

LAOLA1: Wie haben die Spielerinnen den Abstieg verarbeitet?

Waber: Die Mädchen sind natürlich alle traurig, aber das ist nicht das primäre Problem. Die Zugehörigkeit zur Europa/Afrika-Zone I hat eigentlich nur verschleiert, was in den letzten Jahren passiert ist. Erfolge von einzelnen Spielerinnen haben die wirklichen Probleme im österreichischen Tennis überschattet. Die Frage ist nämlich, wie es weiter gehen soll und wie wir in Zukunft international bestehen sollen. Haben wir überhaupt genügend Spieler, die auf diesem Level auch nur annähernd bestehen können?

LAOLA1: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass bei den Damen so eine extreme Lücke klafft?

Waber: In einem Ranking des europäischen Tennis-Verbands wurde kürzlich festgestellt, wo die einzelnen Länder im Nachwuchs-, Profi-, Senioren-Tennis sowie im Behindertensport stehen. Da hat sich gezeigt, dass wir im Senioren-Tennis Zweiter sind und im Nachwuchs-Bereich auf der 25. Position knapp hinter der Türkei. Wir haben kaum einen Nachwuchs und speziell das Damen-Tennis ist vernachlässigt worden.

Waber-Schützling Babsi Haas holte den einzigen Sieg für Österreich

LAOLA1: Wie zufrieden warst du mit den Leistungen von Barbara Haas und Julia Grabher?

Waber: Bei Barbara kann ich es natürlich am besten beurteilen, weil ich ihr persönlicher Trainer bin. Wir haben aufgrund des Fed Cups unsere Planung für die Vorbereitung geändert. Unser Schwerpunkt lag hauptsächlich auf dem körperlichen Bereich und ein paar technischen Details. Da wäre sie praktisch ohne Matchpraxis zum Fed Cup gekommen, wo sie auf einem noch ungewohnten Niveau spielen hätte müssen. Deshalb wollten wir ein paar kleine Turniere im Vorfeld bestreiten. Daraus ist leider nichts geworden, weil sie sich im Training eine Achillessehnenreizung zuzog und zwei Wochen ausfiel. Dadurch war die Situation dann genau so, wie wir sie nicht haben wollten. Sie hat sich dann aber von Spiel zu Spiel gesteigert und vor allem am Samstag eine gute Leistung gebracht. Ich bin froh, dass wir so zumindest ein bisschen etwas Positives aus dieser Woche mitnehmen konnten. Bei Julia ist es genau das Gleiche. Sie kam auch ohne Matchpraxis aus der Vorbereitung. Die beiden haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute Leistungen gebracht. Sie haben gezeigt, dass in ihnen ein Potenzial schlummert. Sie sind nicht Weltklasse, aber sie sind gut. Wenn alles passt, können sie in Zukunft aufschließen. Wir haben aber halt nur zwei solche Spielerinnen, andere Länder haben zwölf bis fünfzehn.

LAOLA1: Was für Spielerinnen braucht es deiner Meinung nach, um in der Europa/Afrika-Zone I bestehen zu können?

Waber: Idealerweise hat man vier bis fünf Spielerinnen aus den Top 100 oder knapp darüber. Solche, die es gewohnt sind, auf international hohem Niveau zu spielen. Es gibt immer wieder Absagen und dadurch wäre man nicht mehr abhängig von einzelnen Spielerinnen. Am besten wären sieben Spielerinnen in den Top 200, damit man konkurrenzfähig ist. Davon sind wir aber weit entfernt. Im WTA-Ranking haben wir derzeit insgesamt gerade einmal 14 Spielerinnen. Drei davon haben nur drei oder vier Punkte. Da schaut es bei den meisten unserer Nachbarländer deutlich besser aus.

LAOLA1: Wie kann man das ändern?

Tamira Paszek ist derzeit nicht in den Top 100

LAOLA1: Kurz- und mittelfristig sieht es deiner Meinung nach also düster für das rot-weiß-rote Damen-Tennis aus?

Waber: Die Erwartungshaltung entspricht nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten. Sybille (Anm.: Bammer) und Yvonne (Anm.: Meusburger) werden nicht mehr anfangen. Wir müssen schauen, was wir mit den aktuellen Spielerinnen schaffen können.

LAOLA1: Mit Paszek und Mayr-Achleitner haben wir zumindest noch zwei erfahrene Spielerinnen.

Waber: Das Ranking lügt nicht. Es ist eine Durchschnittswertung des vergangenen Jahres und es gibt Gründe, warum Tamira nicht mehr Top 30, sondern 130 ist. Natürlich verfügen sie und auch Patricia über Potenzial. Es rücken aber jedes Jahr viele gute Jugendliche nach. Das Tennis entwickelt sich immer weiter, das Niveau wird immer höher. Aber was soll ich dazu sagen, wenn der Präsident in Wien sitzt und verkündet: „Das Ziel kann nur der Aufstieg sein“? Ich weiß, wie unsere Mädels spielen und was sie für ein Leistungsvermögen haben. Vielleicht ist der Abstieg die Chance, dass jene, die in Zukunft im Verband das Sagen haben, es Schwarz auf Weiß sehen, wo wir mittlerweile stehen. Auch im Davis-Cup-Team sieht es nicht viel anders aus. Wir haben mit Dominic Thiem zwar einen super Spieler, aber wen haben wir in Zukunft neben bzw. hinter ihm?

LAOLA1: Ist für dich der Posten als Fed-Cup-Kapitän auch in Zukunft ein Thema?

Waber: Mir sind eher jene Themen wichtig, die wir gerade besprochen haben. In der einen Woche kann man nicht viel bewirken. Als Fed-Cup-Kapitän sollte man meiner Meinung nach mehr ein ganzjähriger Damen-Sportdirektor sein, der die Möglichkeiten hat, im Nachwuchsbereich Strukturen zu schaffen, damit sich in Österreich etwas entwickeln kann.


Das Gespräch führte Christian Frühwald

Waber: Das Wichtigste wäre, dass viele Kinder und Mädchen bei uns Tennis spielen und diese dann auch gut ausgebildet werden. Die Lettin Jelena Ostapenko ist 17 Jahre jung und bereits komplett fertig. Da gibt es nur mehr technische Feinheiten, die man verbessern muss. Die muss mit sechs, sieben Jahren angefangen haben, mit den besten Coaches zu trainieren. Bei uns läuft es in die falsche Richtung. Da fängt man immer erst zu arbeiten an, wenn die Mädchen die ersten Erfolge feiern. Auch bei uns müsste es viele Kinder geben, die technisch von Beginn an auf hohem Niveau ausgebildet werden, damit man sie dann mit 14 Jahren spezialisiert. Im Kinder- und Jugendalter gehören die Spielerinnen unterstützt. Ob dann einer etwas erreicht, ist schlussendlich eh von jedem selbst abhängig.

LAOLA1: Wie kann der Verband so etwas erreichen?

Waber: Ich halte es für wichtig, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen und die richtigen Reize gesetzt werden. Das Jugend- und Kinder-Tennis muss in Österreich viel mehr Bedeutung erlangen. Es müssen möglichst viele Spieler in den europäischen und internationalen Jugendranglisten stehen. Wenn du viele Spieler hast, kristallisieren sich die Besten schon heraus. Ab diesem Zeitpunkt gibt es dann wieder ganz andere Hürden. Ein Spieler, der Top-100-Potenzial hat, schafft es normalerweise relativ schnell in die 250. Manche schaffen es dann explosionsartig wie die Schweizerin Belinda Bencic, manche müssen sich hingegen langsam nach oben spielen. Diese Spielerinnen muss man dann auf ihrem Weg nach oben fördern und unterstützen. Man muss einfach eine richtige Pyramide erschaffen.

LAOLA1: Auf diesem Weg bist du derzeit mit Barbara Haas, die sich im Ranking um Position 300 bewegt.

Waber: Richtig. Sie gehört gefördert und unterstützt. Solche Spielerinnen wie Barbara und Julia, die der internationalen Spitze zwar hinterher hinken, aber durchaus ein gutes Potenzial haben, mit denen muss man zu den besten Akademien fahren und mit den besten Leuten trainieren. Wenn die mit ihren persönlichen Trainern dorthin fahren und dort arbeiten, kriegen auch die Trainer mehr Know-How. Die Spielerinnen müssen auf den besten Plätzen mit den besten Leuten trainieren. Sonst kann ich dieses Niveau, diese Weltspitze, nicht erreichen.

LAOLA1: Wäre das also deine Wunschliste an den kommenden ÖTV-Präsidenten, der im März die Nachfolge von Ronnie Leitgeb antreten wird?

Waber: (lächelt) Ja, das kann man so sagen. Mir ist natürlich bewusst, dass wir uns nicht mit Nationen wie Frankreich oder Großbritannien vergleichen können. Man sieht aber bei diesen auch, dass man Spitzenspieler nicht einfach so produzieren kann. Denn sonst hätten diese finanzkräftigen Nationen zig Spieler in den Top 100 oder Top 200. Man kann nur schauen, dass man viele Kinder und Jugendliche super ausbildet und jene Spieler, die das Zeug zum Profi haben, weiter fördert und auf ihrem Weg unterstützt. Wir haben natürlich nicht so viele Ressourcen, deshalb müssen wir besonders darauf schauen, wie man das am geschicktesten macht.