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Bye, bye, Highroad: Ein Abgang mit Beigeschmack

Bye, bye, Highroad: Ein Abgang mit Beigeschmack

Es war ein Abgang mit Würde, den HTC-Highroad vollzog. Ein Abgang, wie er sich für das erfolgreichste Team der Saison gehört.

Tony Martin bescherte dem Team von Bob Stapleton bei seinem letzten Auftritt auf der großen Bühne einen Sieg, der Deutsche gewann das Einzelzeitfahren Chrono des Nations.

Für HTC-Highroad war es (inkl. Damen-Mannschaft) der 121. Erfolg in diesem Jahr. Eine Bilanz, nach der die Konkurrenz neidvoll lechzt. Aber auch eine Bilanz, die nicht ausreichte, um die Equipe am Leben zu halten.

Das Ende nach 20 Jahren

Stapleton und Teamchef Rolf Aldag mühten sich vergeblich. Diverse Interessenten wurden ins Spiel gebracht, unzählige Gespräche geführt, einige intensive Vertragsverhandlungen eingeleitet, doch nichts Zählbares blieb übrig.

Nach 20 Jahren im Peloton sagt deshalb einer der schillerndsten Rennställe Lebewohl. In all dieser Zeit erlebten Pedaleure, Mechaniker, Funktionäre und Fans unzählige unvergessene Stunden. Es gab Leid und Tränen, noch viel mehr Grund zur Freude, aber auch jede Menge Skandale.

Den Anfang machte das Jahr 1991. Ein deutsches Spitzenteam wurde seinerzeit im Feld schmerzlich vermisst, als sich die Deutsche Telekom dazu entschloss, eine schlagkräftige Truppe zu formen, die langfristig für internationale Glanzlichter sorgen kann.

Aller Anfang war schwer

Gesagt, getan: Nach und nach verpflichteten die Team-Granden in erster Linie deutsche, aber auch ambitionierte ausländische Fahrer und führten diese an die Weltspitze heran. Es war beileibe kein leichtes Unterfangen, denn für die großen Rundfahrten reichte die Klasse des Teams zunächst nicht aus.

Auch 1995 sah es danach aus, als würde Telekom bei der Vergabe der Einladungen außen vorgelassen. Die Organisatoren zeigten sich gnädig und gewährten dem Rennstall ein Schlupfloch. Gemeinsam mit ZG Mobili wurde ein „Mixed-Team“ zugelassen.

Sprinter Erik gelangen daraufhin zwei Etappenerfolge, auch die weiteren Telekom-Fahrer hinterließen einen prächtigen Eindruck und verschafften diesem fortan eine Dauerkarte im Konzert der Großen. Bjarne Riis und Jan Ullrich verliehen der Truppe mit ihren Tour-Siegen 1996 bzw. 1997 endgültig Flügel.

Neuanfang unter Bob Stapleton

Die Angst ging um, die Zukunft zahlreicher Stars war gefährdet. Mit Stapleton kam schließlich ein US-Amerikaner, der den Rennstall übernahm und damit vor dem Untergang rettete. Zugleich gelang es ihm, das Ansehen durch den Austausch des Gros des Personals überraschend schnell wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Speziell die Verpflichtungen von Mark Cavendish und Tony Martin sollten der fortan als Team Highroad bzw. Columbia startenden Truppe neues Leben einhauchen und jede Menge Siege einbringen.

Unter der Führung von Aldag reiften die genannten Fahrer von Talenten zu Top-Stars. Seit 2008 konnte sich HTC-Highroad, wie der Rennstall zuletzt hieß, 513 Siege (inkl. Damen-Team) auf die Brust heften.

Ein fahler Beigeschmack bleibt

Eine eindrucksvolle Machtdemonstration lieferten die „Highrider“ auch bei den Straßen-Weltmeisterschaften in Kopenhagen im September ab. Martin gewann Gold im Einzelzeitfahren, Cavendish im Straßenrennen. Mit Matthew Goss (Silber) und Andre Greipel (Bronze) landeten zudem zwei weitere (Ex-)Highroad-Profis auf dem Stockerl.

Das alles half jedoch nichts, als es für Stapleton darum ging, die Palmares in bare Münze umzuwandeln. Trotz intensiver Gespräche erklärte sich kein potenzieller Sponsor bereit, das Star-Ensemble, bei dem der Steirer Bernhard Eisel als „Road Captain“ zu Werke ging, zu übernehmen.

Es gelang zwar in einem Kraftakt, sämtliche Pedalritter bei anderen Teams unterzubringen, doch ein fahler Beigeschmack bleibt: Wie schlecht muss es dem Radsport (immer noch) gehen, wenn der – gemessen an Siegen – erfolgreichste Rennstall der letzten Jahre aufgrund mangelnder Sponsoren aufgeben muss?

Christoph Nister

Deutschland im Rad-Boom

Hinzu kamen Punkte- und Nachwuchstrikots sowie diverse Etappensiege bei der „Grande Boucle“ (siehe Factbox), ein Vuelta-Erfolg 1999 sowie zahlreiche weitere Triumphe bei kleineren Rundfahrten und Klassikern (u.a. Mailand-San Remo, Amstel Gold Race, Cyclassics).

Speziell in Deutschland wurde ein Rad-Boom entfacht, der Millionen Zuseher vor den TV-Schirm lockte und den übertragenden Sendern Einschaltquoten bescherte, an die mit Ausnahme des Fußballs keine andere Sportart heranreichte.

Dem Aufstieg folgte der tiefe Fall

Die glorreichen Zeiten reichten bis Mitte der 2000er Jahre hinein, Ullrich galt als Held, der weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus die Massen begeisterte. Auch Zabel oder Andreas Klöden, beide über viele Jahre Leistungsträger, durften sich zur Beletage der Sportszene zählen.

Der jahrelange Hype fand jedoch ein jähes Ende, als 2006 die Operacion Puerto publik und damit das „Denkmal Ullrich“ zu Fall gebracht wurde. Über Jahre hinweg soll innerhalb der Mannschaft systematisches Doping betrieben worden sein.

Seither wird alles und jeder verdächtigt, Radsportlern wurde das Image der Doper verpasst, der Telekom-Konzern zog die Konsequenzen und sich Ende 2007 aus dem Velo-Zirkus zurück.