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Der beste Andreas Geritzer aller Zeiten?

Der beste Andreas Geritzer aller Zeiten?

Ein Mann und sein Boot kämpfen um eine Medaille.

Andreas Geritzer möchte es bei den Olympischen Spielen in London noch einmal wissen.

Nach knapp dran in Sydney, versilbert in Athen und abgesoffen in Peking hat sich der 34-Jährige für seine vierten und letzten Spiele große Ziele gesteckt.

"Ich will um die Medaillen mitsegeln", umschifft der rot-weiß-rote Athletensprecher im LAOLA1-Interview den heißen Brei erst gar nicht.

Und auch sonst Klartext: Andreas Geritzer über die vorbereitete, aber nie gehaltene Rede für das ÖOC-Team, kalte Winter in Split und billige Palatschinken.


LAOLA1:
Sie hätten beim Olympia-Farewell in ihrer Funktion als Athletensprecher eine Rede halten sollen, die dann aber aus dem Protokoll gestrichen wurde. Was hätten Sie ihren Kolleginnen und Kollegen für London mit auf den Weg gegeben?

Andreas Geritzer: Ich habe mir drei Tage vor dem Farewell überlegt, dass ich mit einigen Printmedien auf die Bühne gehe, kurz die Schlagzeilen durchgehe und ihnen sage: Vergesst das alles! Dann hätte ich einen Spiegel rausgezogen und gesagt: Wenn man sich am Ende seiner Bewerbe immer noch mit einem Lächeln in den Spiegel schauen kann und überzeugt ist, dass man alles richtig gemacht hat, dann waren die Spiele ein voller Erfolg.

LAOLA1: Konnten Sie nach Platz 19 vor vier Jahren in Peking in den Spiegel lächeln?

Geritzer: Nein. Das hat mich auch sehr gestört an den letzten Olympischen Spielen. Aber deshalb war die Vorbereitung für London wesentlich gewissenhafter.

LAOLA1: Ein wichtiger Teil dieser Vorbereitung war die Trainerausbildung. Wie hat die ihren Zugang zum Sport, ihre Herangehensweise an das Segeln verändert?

Geritzer: Ich konnte die verschiedenen Elemente aus der Ausbildung gut ins Training mitnehmen. Wir haben es dann noch mit dem IMSB verfeinert. Dadurch konnte ich mehr am Wasser trainieren und hatte weniger Schmerzen. Das war für mich ein Hauptelement für mein Training nach Peking. Dass ich mehr segeln und bei mehr Wind segeln kann und trotzdem keine Rücken- und Gehbeschwerden habe.

LAOLA1: Sie fahren jetzt auch eine etwas veränderte Hängeposition?

Geritzer: Ich musste extremer werden, um eine Chance zu haben. Die Jungen haben das von klein auf gelernt, da musste ich nachziehen und kleine Änderungen vornehmen. Aber das habe ich schnell in den Griff bekommen.

LAOLA1: War das nicht schwierig, etwas über Jahre und Jahrzehnte Gelerntes umzustellen, also in ein funktionierendes System einzugreifen?

Geritzer: Ich habe vorher schon damit begonnen, den Rumpf zu stärken, um den Hebel zu erweitern. Aber dafür muss im Becken und in der Wirbelsäule alles stabil sein. Nur dann kannst du die Kraft entsprechend übertragen.

LAOLA1: Werden wir in London den stärksten und besten Andreas Geritzer aller Zeiten sehen?

Geritzer: Ja, ich bin gut drauf! Fahrradergometrie und Krafttests sind in Ordnung. Laut Zahlen stimmt das so.

LAOLA1: Aber Zahlen sind die eine Sache, das Gefühl im Boot eine andere?

Geritzer: Natürlich muss ich schauen, dass ich diese Ziffern ins Schiff reinbekomme. Aber ich war ja nicht nur in der Kraftkammer, sondern auch viele, viele Stunden am Wasser. Das sollte also passen!

LAOLA1: Und in Sachen Erfahrung machen Ihnen sowieso nicht viele etwas vor?

Geritzer: Es gibt so viel Information am Wasser zu sehen. Das Schwierige ist immer, obwohl man fest an eine Entscheidung glaubt, dass man trotzdem auch auf die andere Seite schaut und sich am Feld orientiert. Wichtig ist, dass man offen bleibt und den Kopf aus dem Schiff raushält.

LAOLA1: Der Andreas Geritzer von Sydney 2000 hat wahrscheinlich eher weniger nach links und rechts geschaut, sondern ist wahrscheinlich einfach drauflos gesegelt?

Geritzer: Die Aufmerksamkeit ist ein Geschenk der Kondition. Je fitter du bist, desto konzentrierter geht man zu Werke. Und je länger du dich konzentrieren kannst, umso mehr wirst du auf die Fehler deiner Konkurrenten aufmerksam und kannst das aufnehmen und verarbeiten.

LAOLA1: Sie haben das im Training auch simuliert?

Geritzer: Ja. Es wird Tage geben, an denen man kämpfen muss. Das haben wir in den letzten zwei Monaten im Training immer wieder nachgestellt. Ich bin bewusst sehr stark ermüdet und nicht ausgeruht aufs Schiff gegangen, um mich auch einmal durchzubeißen. Das heißt mit mehr Körperbewegung und mehr Einsatz die Geschwindigkeit zurückholen.

LAOLA1: Anders als das Gros ihrer Kollegen und Konkurrenten haben Sie im Winter auf Training in wärmeren Gefilden verzichtet und den Winter in Split verbracht.

Geritzer (lacht): Das kalte Wasser hält jung. Mit den Trainingspartnern war es okay. Wir haben Wetten eingeführt, wer bei Starkwind am öftesten kentert, der muss nach dem Training die Palatschinken zahlen. Mir ist es zum Glück erspart geblieben, die Rechnung zu übernehmen. Auch wieder ein Vorteil des Alters, dass ich bei den Manövern auf meine Technik vertrauen konnte.

LAOLA1: Beim Material, das Sie zum Teil erst in London erhalten, müssen Sie dagegen auf Glück hoffen?

Geritzer: Theoretisch ist es für alle gleich. Aber es kann schon sein, dass der Mast sehr weich ist oder Löcher schlecht gebohrt sind. Sollte das der Fall sein, werden wir sofort versuchen, es umzutauschen. Wenn sie Nein sagen, dann verlieren wir ihn halt, damit wir sofort einen Neuen bekommen.

LAOLA1: Sie haben 2004 in Athen Silber gewonnen, sind in Peking als Mitfavorit gescheitert. Mit welchen Zielen fahren Sie nach London?

Geritzer: Das Ziel ist eine Medaille. Zufrieden bin ich, wenn ich wirklich mein Bestes gegeben habe und im Medal Race um die Medaillen mitkämpfen kann.

LAOLA1: Gold scheint aufgrund seiner Dominanz bereits fix an den Australier Tom Slingsby vergeben zu sein?

Geritzer: Er kann sich nur selbst schlagen, hat auch viel aus Peking gelernt. Da war er auch Topfavorit und hat mit Platz 23 bitter versagt. Vielleicht können wir ihn unter Druck setzen und zu Fehlern zwingen. Es liegt also an mir, nicht an ihm. Auch wenn ich in den letzten sechs Monaten nur zwei Tage erlebt habe, an denen er schlechter gesegelt ist als ich.

LAOLA1: Sie haben bereits angekündigt, dass nach den Olympischen Spielen in London Schluss ist. In welchen Gefilden wird Andreas Geritzer dann segeln?

Geritzer: Nach Olympia nehme ich mir die Zeit bis Dezember, um mir zu überlegen, was ich ausbildungstechnisch in den nächsten Jahren machen möchte. Und mit dem Segelverband wird es Gespräche geben, wie ich der Jugend weiterhelfen kann.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl