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Boris Onishchenko - vom Helden zum Taxifahrer

Boris Onishchenko - vom Helden zum Taxifahrer

„Im Namen aller Athleten verspreche ich, dass wir an den Olympischen Spielen teilnehmen und dabei die gültigen Regeln respektieren und befolgen und uns dabei einem Sport ohne Doping und ohne Drogen verpflichten, im wahren Geist der Sportlichkeit, für den Ruhm des Sports und die Ehre unserer Mannschaft.“

So lautet der (aktuelle) Olympische Eid, der bei jeder Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von einem aktiven Sportler des Gastgeber-Landes stellvertretend für alle Teilnehmer geleistet wird.

Bekanntermaßen hielten und halten sich nicht immer alle Athleten an diesen Fair-Play-Gedanken.

Doch schon vor dem großen Aufschwung der pharmazeutischen Produkte gab es in der Olympischen Geschichte immer wieder einige „schwarze Schafe“, die versuchten, sich mit – mal mehr, mal weniger gewitzten – unlauteren Hilfsmitteln einen Vorteil zu verschaffen.

Sowjetischer Sportheld

Für einen  der spektakulärsten Fälle sorgte ein gewisser Boris Onishchenko bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal.

Auch wenn sein Name heute eher in Vergessenheit geraten ist, war der 1937 in Kiew geborene Sowjet-Ukrainer Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre einer der ganz großen Sporthelden seines Landes.

Und diese Heroen waren inmitten des Kalten Krieges heiß begehrt. Schließlich nützten die USA und die Sowjetunion in der damaligen Zeit jede Möglichkeit des Kräftemessens.

Dreifacher Medaillen-Gewinner

Boris Onishchenko war ein Parade-Werbeträger für den russischen Bären. Als Angehöriger der Roten Armee nahm er 1968 als Moderner Fünfkämpfer erstmals bei den Olympischen Spielen teil und staubte im Mannschaftsbewerb gleich die Silber-Medaille ab.

Vier Jahre später setzten die Russen mit Olympia-Gold noch einen drauf, Onishchenko holte zudem Silber im Einzel.

Als dreifacher Weltmeister und dreifacher Olympia-Medaillen-Gewinner kam der mittlerweile zum Offizier beförderte Onishchenko dementsprechend als angesehener Sportsmann zu den Spielen 1976.

Manipulation des eigenen Degens

In Montreal wurde er schließlich Opfer seines großen Ehrgeizes. Obwohl Onishchenko als bester Fechter im Teilnehmerfeld galt, manipulierte er seinen Degen derart, dass dieser mittels eines kleinen Knopfes an der Waffe den Trefferstromkreis willkürlich schließen konnte.

Im Duell mit dem britischen Schwimmspezialisten Adrian Parker machte er sich diesen Vorteil etwas zu frech zu Nutze. Jeremy Fox, der Kapitän der Briten, bemerkte den Betrug und forderte eine Untersuchung.

Diese brachte Onishchenkos Manipulation ans Tageslicht und die sowjetische Mannschaft wurde disqualifiziert.

„Ein großer internationaler Zwischenfall“

„Es war damals ein großer internationaler Zwischenfall“, erinnerte sich Fox vor ein paar Jahren in der „Sunday Times“ zurück.

„Kurzfristig wollte sogar der gesamte Ostblock von den Spielen abreisen. Und das nur deshalb, weil ich diesen Betrug aufgedeckt habe.“

Jeremy Fox entdeckte den Betrug

Zusätzliche Brisanz gab es durch den Brotberuf der beiden Athleten. Wie KGB-Oberst Onishchenko stand auch Fox in Diensten des Militärs. Er bekleidete in der britischen Armee den Rang eines Sergeants.

Freundschaftliches Verhältnis

Trotz der schwierigen Situation während des Kalten Krieges pflegten die beiden Sportler vor dem Skandal in Montreal ein durchaus freundschaftliches Verhältnis.

„Wir waren nicht die engsten Kumpel, aber wir haben uns bei den Wettkämpfen doch immer wieder bei einem Gläschen Wodka zusammengesetzt“, erzählte Fox.

Volleyballer wollten Onishchenko aus dem Fenster werfen

Nach Montreal 1976 gehörten diese Abende der Vergangenheit an. Von der internationalen Presse wurde Onishchenko als „Boris the Cheat“ (Boris der Betrüger) und „Disonischenko“ („dishonored“ heißt auf Deutsch unehrenhaft) gebrandmarkt.

Noch während der Olympischen Spiele drohte das sowjetische Volleyball-Team, den Betrüger aus dem Hotelfenster zu werfen, sollte er ihnen über den Weg laufen.

Vom Helden zum Taxifahrer

Diesem Schicksal entging Onishchenko zwar, sein Leben war allerdings zerstört. Einen Tag nach der Qualifikation kehrte er bereits in seine Heimatstadt Kiew zurück, ehe er zwei Monate später zum sowjetischen Führer Leonid Brezhnev zum Rapport musste.

Onishchenko wurde unehrenhaft aus der Roten Armee entlassen und mit einer saftigen Geldstrafe über 5.000 Rubel abgestraft. Sein Leben musste er fortan als Taxifahrer bestreiten. Ein tiefer Fall für den ehemaligen Helden einer ganzen Nation.

Für Fox lief es besser: Nach dem Ausschluss der Sowjetunion gewann die Briten sensationell die Mannschaftsentscheidung.

Als Olympia-Sieger beendete er kurz nach den Spielen seine Karriere und wurde für seine sportlichen Verdienste mit einem Ritterorden geehrt.

In der Pension erlitt er allerdings ein ähnliches Schicksal wie Muhammed Ali. Wie die Box-Legende kämpft er bereits seit Jahren gegen die Parkinson-Krankheit an.

Christian Frühwald