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Interview mit einem "Vampir"

Interview mit einem

Wenn er läutet, dann wissen die Sportler, was es geschlagen hat.

Bernhard Baldauf ist kein Klinkenputzer, der Geld haben will – nein, er hat es auf Urin und Blut seiner Klientel abgesehen. Denn er ist Doping-Kontrolleur. Und zwar aus Leidenschaft.

Im Interview spricht Baldauf, der Dinko Jukic vergangens Frühjahr (nicht) kontrolliert hat, über seine Lehren aus der Causa rund um den Schwimmer, Betrugsversuche und seine ganz besondere Beziehung zu Sportlern.

LAOLA1: Herr Baldauf, wie sieht eine Doping-Kontrolle vom technischen Ablauf her aus?

Bernhard Baldauf: Zuerst erhalte ich einen Auftrag der NADA, einen Athleten in einem bestimmten Zeitraum zu kontrollieren. Ich schaue dann, dass ich einen Assistenten dazu finde. Wenn beispielsweise eine Athletin kontrolliert werden soll, dann benötige ich eine Frau dazu. Bei einer Blutabnahme brauche ich einen Arzt oder bei der Testung eines Pferdes beispielsweise einen Tierarzt. Meistens wird der Kontroll-Ort von der NADA vorgegeben. Meiner Einschätzung nach passieren 90 Prozent der Kontrollen beim Athleten Zuhause. Durch die Angabe des Zeitfensters wissen die Athleten meistens schon beim Öffnen der Tür, zu welchem Zweck wir da sind. Wir informieren den Athleten aber ohnehin darüber und weisen uns aus. Über alle Schritte wird Protokoll geführt. Der Zeuge muss schließlich dabei sein, wenn der Urin den Körper des Athleten tatsächlich verlässt.

LAOLA1: Dabei muss wirklich jemand zuschauen?

Baldauf: Ja, das ist Vorschrift. Von der Brust bis zum Knie muss sich der Sportler freimachen, damit der Genital-Bereich problemlos einsehbar ist. Die zu erreichende Mindestmenge beträgt 100 Milliliter, was für gewöhnlich kein Problem darstellt. Aus dem Sammelbehälter wird die Urinprobe dann in die Behälter für A- und B-Probe umgefüllt. Dabei kann der Sportler aus mehreren Packages auswählen. Bei einer Blutabnahme kann er das ebenfalls. Die Transportbehälter werden derartig verpackt, dass sie nur durch Zerstörung des Deckels geöffnet werden können. Damit hat man die Gewähr, dass die genommene Probe nicht ausgetauscht oder manipuliert werden konnte.

LAOLA1: Kommt es vor, dass Athleten mit der Entblößung Probleme haben, weil es schließlich ein Eingriff in die Intimsphäre darstellt?

Baldauf: Nein, das ist noch nie vorgekommen. Diesbezüglich wird offenbar auch sehr gute Arbeit über die Verbände geleistet, denn die Athleten wissen sehr gut Bescheid über den Ablauf einer Doping-Kontrolle. Es kommt nur das eine oder andere Mal vor, dass es länger dauert, bis der Urin abgegeben wird, weil sich der Athlet dabei geniert. Doch mit dem Freimachen an sich gibt es keine Probleme.

LAOLA1: Wie lange machen Sie diesen Job schon?

Baldauf: (überlegt kurz) Es dürften mindestens acht Jahre sein, wobei die vergangenen zwei, drei Jahre sehr kontrollintensiv waren. Da bin ich pro Jahr auf 400 bis 450 Athleten gekommen. In meinen Anfangszeiten, die noch in die Zeiten des Österreichischen Anti-Doping-Komitees fallen (NADA wurde 2008 gegründet; Anm.), wurden deutlich weniger Kontrollen durchgeführt.

LAOLA1: Welche Ausbildung haben Sie bzw. wie sind Sie zu dem Job gekommen?

Baldauf: Ich habe eine dreijährige Datenverarbeitungsschule besucht. Es gibt in Österreich keinen hauptberuflichen NADA-Kontrolleur. Hauptberuflich Angestellt sind bei der NADA nur die fünf Office-Kräfte. Die Kontrolleure machen das als Nebentätigkeit. Ich bin – wenn man so will – Polizist, arbeite im Innenministerium. Andererseits habe ich auch eine Ausbildung zum Sanitäts- und Operationsgehilfen, weil ich ein Jahr freiwillig Bundesheer gemacht habe. Zudem habe ich selbst Karambol-Billard gespielt und war dort auch lange Zeit im Bundesverband als Sportdirektor tätig. Von daher kenne ich auch die Seite des Sport-Funktionärs. Als ich als Kontrolleur dazugekommen bin, wrude gerade aktuell, Alko-Tests bei den einzelnen Sportarten, wo Alkohohl verboten ist, durchzuführen. Damals hat das Anti-Doping-Komitee einen Alkomaten angekauft. Der damalige Geschäftsführer Michael Mader kannte mich schon sehr lange und wusste, dass ich in der Kontroll-Tätigkeit sowie in Konflikt-Vermeidung ausgebildet bin. Er hat mich gefragt und aufgrund meines Sportbezugs war mir schnell klar, dass ich das gerne länger ausüben möchte.

LAOLA1: Wer war Ihr prominentester Proband?

Baldauf: Das waren viele, weil sich der Testpool vor allem aus dem Spitzensport-Segment zusammensetzt. Ich kontrolliere auch die Fußball-Klubs im Raum Wien sehr oft, da kennen mich die Spieler schon sehr gut. Und natürlich hat man Bekannte und Verwandte mit Kindern, die wissen, dass du Kontrolleur bist. Da kommt dann schon mal eine Anfrage: Wenn du den Steffen Hofmann kontrollierst, wäre es möglich, dass du uns da ein Autogramm holst? Da wir, wie ich glaube, sehr korrekte Kontrollen machen, ist das Verhältnis zwischen Spieler und Kontrolleur auch dementsprechend gut, dass man durchaus auch fragen kann. Und so etwas machst du ohnehin nur bei einem Athleten, zu dem du bereits ein Naheverhältnis aufgebaut hast. Nicht, dass der Eindruck entsteht, ich würde nur Kontrollen machen, um Autogramme zu bekommen (lacht).

LAOLA1: Bei vielen Sportarten werden die Athleten direkt vom Wettkampf zur Doping-Kontrolle eskortiert, bei anderen wiederum nicht. Gibt es da sportartenspezifische Unterschiede in der Handhabung?

Baldauf: Im nationalen Bereich gibt es bei den Kontroll-Vorgängen absolut keine Unterschiede. Bei einer Wettkampf-Kontrolle wird ein Athlet erst nach der Beendigung desselben kontrolliert. Einfach weil eine Kontrolle immer mit Stress verbunden ist. Das geht sogar mir als Polizist so, wenn ich von einer Streife angehalten werde und ich weiß, dass alles passt. Was der internationale Standard erfordert, ist nur, dass der Athlet danach unter Beobachtung gehalten werden muss. Dabei geht es darum, ob der Athlet augenscheinlich irgendeine Methode anwendet, um das Analyse-Ergebnis zu beeinflussen. Es kommt oft vor, dass ich jemanden zu einer Kontrolle auffordere und er dann sagt, er würde sich gerne noch sportartenspezifisch abwärmen. Das ist kein Problem. Dann sehe ich ihm eben dabei zu, wie er etwa auf der Laufbahn seine Runden zieht. Oder wenn er noch zu einer Pressekonferenz muss, dann halte ich ihn auch dort unter Beobachtung. Urin-Kontrollen zielen darauf ab, den Erst-Urin des Athleten zu bekommen, somit muss ich sicherstellen, dass er vorher nicht schon welchen abgibt.

LAOLA1: Das Gesicht der NADA sind für die Athleten die Kontrolleure. In dieser Hinsicht hat die nicht stattgefundene Kontrolle von Dinko Jukic für Aufruhr gesorgt. Wie ist der Vorfall von der Warte des Kontrolleurs zu beurteilen?

Baldauf: Bei dem fraglichen Kontrolleur handelt sich um mich. Aber gerade zu dieser Sache darf ich aufgrund der Verschwiegenheits-Pflicht keine Aussage machen.

LAOLA1: Was haben Sie für Ihre Tätigkeit aus dem Fall Dinko Jukic gelernt?

Baldauf: Von meiner Seite, dass wir wahrscheinlich noch mehr dokumentieren müssen, wobei man dort irgendwann an die Grenzen stößt. Weil mehr als aufschreiben und Zeugen dabei zu haben, wüsste ich nicht, was ich noch besser hätte machen können. Ich glaube, den internationalen Standard voll erfüllt zu haben. Vom Ablauf her war es so, dass der Athlet zur Kontrolle aufgefordert wurde, dann die Blutabnahme abgelehnt hat. Dem Athleten wurde gestattet, zu einem späteren Zeitpunkt die Probe abzugeben. Es wurde mit NADA und WADA abgeklärt, ob man ihm das Schwimm-Training gestattet. Für mich als Kontrolleur ist dann nicht mehr nachvollziehbar, ob der Athlet im Zuge des Schwimmens Urin abgibt. Wenn bei einem Athleten vorher die Blutabnahme durchführe, ist das schon sehr viel wert, weil dann die Urin-Probe nicht mehr von so hoher Bedeutung ist. Darum habe ich mich bei der NADA rückversichert.

LAOLA1: Welche Antwort haben Sie bekommen?

Baldauf: Dass es letztendlich im Ermessen des Kontrolleurs liegt, ob der Athlet das Training aufnehmen darf. Ich habe dann gesagt, dass ich sicher nicht derjenige bin, der einem Sportler das Training verbietet. Aber genau hier ist der Punkt, bei dem die Rechtskommission gesagt hat, dass ich noch einmal deutlich darauf hinweisen hätte müssen, dass die Blutabnahme zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr durchgeführt wird. Was für mich zu diesem Zeitpunkt in Beisein der Ärztin bereits ausreichend mit dem Athleten kommuniziert worden war. Was ich daraus mitnehme? Dass ich dem Athleten nicht mehr entgegen komme und ihm die Aufnahme des Trainings nicht erlaube. Das wird dann auch gleich verschriftlicht.

LAOLA1: Wie begegnen Ihnen Sportler, wenn Sie sich bei einer Kontrolle vorstellen?

Baldauf: Da wird das komplette Spektrum abgedeckt. Aber zu 99,9 Prozent sind Kontrollen komplett problemlos und laufen mit dem notwendigen Respekt, mit der so etwas auch von statten gehen soll, ab.

LAOLA1: Ist es insofern eine Tätigkeit, die man lieben lernt?

Baldauf: Absolut! Ich hätte nicht geglaubt, dass ich mir in manchen Sportarten Turniere anschaue. Wie beispielsweise im Dressurreiten. Dadurch lernt man viele Sportarten sehr genau kennen. Das ist eine Seite, die ich sehr liebe. Und wie gesagt: 99 Prozent der Athleten sind wirklich nett, die verdienen auch nette – im Sinne von korrekte – Kontrollen.

LAOLA1: Haben Sie schon jemanden erwischt, der bei der Urinabgabe versucht hat zu betrügen?

Baldauf: Nein. Es gibt da verschiedene Methoden. Die ärgste, von der ich im Zuge einer Schulung gehört habe, war, dass sich ein Athlet Fremdurin mittels Katheter in die Blase injiziert hat. In so einem Fall wird es schwer, so etwas zu erkennen, weil ich ja sehe, dass der Urin den Körper des Athleten verlässt. Es gibt jedoch schon Dinge, an denen man überprüfen kann, ob alles stimmig ist. Das fängt schon beim Angreifen des Sammelbehälters an. Wenn dieser nicht warm ist, dann weiß ich, dass da etwas faul ist. Als Polizist ist mir aufgrund von Drogen-Kontrollen auch bekannt, dass es einen Markt für Kunstpenisse gibt, in die Flüssigkeiten eingefüllt werden können. Das sollte aber bei der Entkleidung auffallen.

LAOLA1: Haben Sie schon Kontrollen mit positivem Ergebnis durchgeführt?

Baldauf: Ja, wobei ich von der NADA nicht erfahre, ob eine von mir abgelieferte Probe positiv oder negativ war. Aber aufgrund der Medienberichterstattung und des Datums der Suspendierung kann man als Kontrolleur schon seine Schlüsse daraus ziehen, ob es sich um meine Kontrolle gehandelt hat. Aber es gibt seitens der NADA auch keine Erfolgsprämien. Die Anti-Doping-Agentur nimmt die Rolle des Schiedsrichters ein. Da wird niemand bewusst gejagt oder ähnliches. Ich möchte auch betonen, dass es mir keine Freude bereitet, wenn ich draufkomme, dass der Athlet bei meiner Kontrolle positiv war. Was mich freut, ist, wenn ein Athlet, den ich schon öfters kontrolliert habe, zu mir und zu dem, was ich tue, hundert Prozent Vertrauen hat. Das geht dann oft sogar so weit, dass sie gar nicht mehr wollen, dass ich mich ausweise, weil wir uns schon so gut kennen. Aber ich bestehe darauf, einfach weil es zu den Spielregeln dazu gehört.

LAOLA1: Man sagt, dass Fahrschein-Kontrolleure in den öffentlichen Verkehrsmitteln mit den Jahren einen Blick dafür bekommen, wer schwarz fährt. Gibt es bei Doping-Kontrolleuren etwas Vergleichbares?

Baldauf: (schmunzelt) Nein, das glaube ich nicht. Aber dass in manchen Sportarten Cannabis nicht ungern konsumiert wird, ist ja bekannt. Das ergibt sich auch aus der Anzahl der gesperrten Sportler. Und gerade auch als Polizist traue ich mir zu, zu sehen, wenn manche sehr locker drauf sind, dass es da etwas haben könnte. Aber das ist sehr selten der Fall. Im Gegensatz dazu: Bei leistungsfördernden Substanzen hätte ich Doping nie jemanden angesehen. Das Gerücht, dass sich Kontrolleure den Wettkampf erst einmal anschauen und dann erst entscheiden, wen sie testen, stimmt nicht. Zumal es viele Sportarten gibt, in denen es vollkommen egal ist, wer dort steht, die vollbringen aus meiner Sicht von der Körperbeherrschung allesamt Fantastisches (lacht). Da wäre für mich ja jeder gedopt. Ohne, dass das falsch verstanden wird. Von daher würde ich mir nie anmaßen von der Leistung oder dem Körperbau auf Doping rückzuschließen. Außerdem sind im Wettkampf die Auswahl-Kriterien entweder von der NADA oder, wenn wir international tätig werden, vom Veranstalter vorgegeben. Da heißt es dann ganz konkret: Es soll beispielsweise der Staatsmeister, der Zweite, der Dritte und einen gelosten der Top-Ten kontrolliert werden.

LAOLA1: Welche Anekdoten sind aus acht Jahren Kontrolleurs-Tätigkeit hängen geblieben?

Baldauf: Das Problem ist, dass man über den Großteil der Geschichten nicht sprechen darf. Aber es ist relativ lustig, wenn man zu einem Wettkampf kommt, bei dem man bestimmte Athleten kontrollieren soll und drei davon trifft man gar nicht mehr an. Die waren auch nicht mehr auffindbar, obwohl sie gemeldet und der Wettkampf noch nicht einmal begonnen hatte. Das ist eine Anekdote aus dem Beginn meiner Tätigkeit. Da dachte ich mir: Na hoppala, es ist offenbar nicht so, dass nicht gedopt wird.

 

Das Interview führte Reinhold Pühringer