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Die Gladiatoren der Neuzeit

Die Gladiatoren der Neuzeit

Welche ist die beste Kampfsportart? Wer ist der beste Kämpfer?

Blendet man all die Scheinwerfer, die ganze Show, die vollmundigen Ansagen der Akteure und die Fans einmal aus, sind das die beiden Grundfragen, um die sich die Geschichte der Mixed Martial Arts (MMA) dreht.

Wobei MMA im Laufe der Zeit viele Namen trug. Vom Free-Fight über Shooto, Vale Tudo, Luta Livre, Jiu-Jitsu bis hin ins alte Griechenland, als bei den Olympischen Spiele der Antike im Pankration geklärt wurde, ob nun der Ringer oder doch der Faustkämpfer der Stärkere sei.

Alle diese Formen haben gemeinsam, dass Schläge, Tritte und Griffe sowohl im Stand- als auch im Bodenkampf angewendet werden dürfen. Regeln kommen indes nur sehr sparsam zum Einsatz.

Töten ist nicht mehr erlaubt

Die landläufige Meinung, beim MMA gebe es überhaupt keine Einschränkungen, ist allerdings falsch.

Selbst bei wilden Varianten wie des brasilianischen Vale Tudo (portugiesisch für „alles geht“), in denen etwa Stampftritte zum Kopf eines am Boden liegenden Gegners erlaubt sind, sind Beißen, Attacken gegen Augen oder Genitalien, Reißen an Haaren, Ohren oder Nase untersagt. Das gilt auch für das Töten, was einen Unterschied zum Pankration darstellt.

Bei den alten Hellenen wurden die Kämpfe nur wegen Aufgabe, Sonnenuntergang oder eben Tod abgebrochen.

„There are rules!“

In den vergangenen 20 Jahren entwickelte sich in den USA und in Fernost ein wahrer MMA-Boom. Um die Sportart massentauglicher zu machen kam es zu einer Reihe von Anpassungen.

Der weltweite Branchenführer, die nordamerikanische „Ultimate Fighting Championship“ (UFC) musste ihr Credo – „There are no rules!“ – nach öffentlicher Kritik und einer Kampagne von John McCain über Bord werfen. Der US-Senator hatte 36 Gouverneure dazu gebracht, die UFC in ihrem Bundesstaat verbieten zu lassen sowie sie von etlichen Pay-Per-View-Anbietern aus dem Programm nehmen zu lassen.

UFC-Boss Dana White

Die UFC streckte sich nach der Decke. In Zusammenarbeit mit der US-Sportkommission wurden die Regeln in den späten 90er-Jahren zunehmend erweitert. Gewichtsklassen oder auch Handschuhe mit Knöchelschutz, um Cuts zu verringern, wurden eingeführt. Nach und nach wurden unter anderem Tiefschläge, Kopfstöße, Schläge auf den Hinterkopf und gegen den Hals oder auch Tritte gegen den Kopf eines am Boden liegenden Gegners verboten.

Nach der Einführung von Fünf-Minuten-Runden wurden die UFC-Veranstaltungen ab 2000 in den USA wieder als Sport-Event anerkannt. Die Neuerungen wurden in den „Unified Rules“ festgehalten, welche die Grundlage für praktisch alle globalen MMA-Serien bilden.

Reality-Format als Zauberformel

Ihren großen medialen Durchbruch erfuhr die UFC durch ein Reality-TV-Format. Ab 2005 wurden in „The Ultimate Fighter“ talentierte Kämpfer begleitet, die letztendlich die Chance erhielten, um einen UFC-Vertrag zu kämpfen. Für „Spike TV“ und die UFC ein bahnbrechender Erfolg.

Um diese Gürtel dreht sich die Welt der UFC

Der Pay-Per-View-Verkauf vervielfachte sich in Folge. Selbst Leitmedien wie „ESPN“ stiegen in die Berichterstattung ein.

Vom erfolgreichen Konzept des „The Ultimate Fighter“ gab es seither bereits über 15 Staffeln. Konkurrenz-Serien wie „World Extreme Cagefighting“, „Strikeforce“ oder auch die asiatische „Pride“ wurden übernommen. 2011 folgte ein Vertrag mit dem US-Sender „FOX“ über sieben Jahre.

Den Kampf zwischen Cain Velasquez und Junior dos Santos im November 2011 sahen bis zu 8,8 Millionen Seher gleichzeitig, was als Rekord in die UFC-Geschichte einging.

Der rot-weiß-rote Käfig

In Österreich ist die MMA-Szene naturgemäß wesentlich überschaubarer. Nach Schätzungen von Gerhard Ettl, MMA-Pionier und Präsident des österreichischen Profi-Verbandes „MMA Austria“, zählt die Community hierzulande rund 500 Athleten, wobei ein Zehntel davon professionell im Ring steht.

Aktuell existieren 24 offizielle Mitgliedervereine. Tendenz steigend. Denn der Boom aus Übersee ist auch bei uns spürbar.

Vom Regulativ orientiert man sich am amerikanischen Hochglanz-Produkt. „Allerdings nur bei den Titelkämpfen, ansonsten sind Ellbogen-Schläge am Boden nicht erlaubt“, erklärt der Grazer im Gespräch mit LAOLA1. Eine Chance auf einen Titelkampf müsse man sich – wie in anderen Sportarten auch – über das Hocharbeiten in einer Rangliste erkämpfen.

Eine Hand voll Aushängeschilder

Pro Jahr gehen in Österreich zwischen sieben und zehn MMA-Events über die Bühne. Diese sind aber mit Ausnahme der Cage-Fight-Series allesamt gemischte Veranstaltungen, sprich: Hier sind auch Duelle anderer Kampfrichtungen zu sehen.

„Die Cage-Fight-Series zählt aber zu den Top-4 der MMA-Events in Europa“, meint Ettl, der diese gemeinsam mit seinem Bruder Michael organisiert. Selbst hat der nunmehr 39-Jährige 1998 mit MMA begonnen, wodurch die Szene hierzulande auf eine kleine aber feine Tradition zurückblicken kann.

Zwar könne man mit den europäischen Top-Nationen wie Russland, Schweden oder Polen nicht mithalten, aber hier und da gelingt es, den einen oder anderen Top-Kämpfer herauszubringen. Wie etwa Nandor Guelmino oder Mairbek Taisumov (Artikel zu beiden folgen), die am Sprung in die UFC stehen. Mit Yasminka Cive und Livia Plättenberg gibt es auch zwei Damen, die international vorne mitmischen. Erstere habe laut Ettl ebenfalls Chancen auf einen UFC-Vertrag.

Kurzes Bildschirm-Flackern

Das Treiben in den Käfigen findet aber praktisch außerhalb der medialen Wahrnehmung statt. In der Tagesberichterstattung existiert die beinharte Sportart nicht, ein bisschen besser sieht die Situation auf der Mattscheibe aus. Bis vor kurzem zumindest. „ATV“ versuchte, MMA einem breiteren Publikum zu präsentieren.

„Die Sendezeiten waren aber immer spät in der Nacht“, sagt Ettl. Die schlechte Quote kickte MMA letztlich wieder aus dem Programm. „Und beim ORF hast du sowieso keine Chance.“

Auch wenn es sich um einen Profi-Verband handelt, erfolgt die Professionalisierung erst Stück für Stück. Doping-Kontrollen gibt es beispielsweise nicht. Noch nicht. Derzeit sei man gemäß Ettl aber noch zu klein, um sich dieser Agenda zu widmen.

Von sich aus könnte die NADA in diesem Fall nicht aktiv werden, da der Profi-Verband nicht Mitglied der Bundessport-Organisation (BSO) ist. Die Initiative und infolge auch die Übernahme der Kosten liegt somit bei der MMA Austria.

 

Reinhold Pühringer