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Mein Sport ist sauber! Oder doch nicht?

Mein Sport ist sauber! Oder doch nicht?

Die verlängerte LAOLA1-Themenwoche zur Doping-Problematik steuert schön langsam ihrem Ende entgegen.

Wir haben euch über Substanzen aufgeklärt, mit Vorurteilen aufgeräumt und das Thema Gendoping näher beleuchtet.

Experten kamen dabei ebenso zu Wort wie Sportler. Dieses Mal wollen wir uns selbst hinterfragen.

Jeder Redakteur hat sein Steckenpferd, das er seit Jahren intensiv betreut. Glaubt der Fußballer, dass sein Sport sauber ist?

Wie hoch schätzt der Tennis-Experte das Doping-Risiko in seinem Ressort ein? Fünf Redakteure, fünf Meinungen:

Tennis-Redakteur Christian Frühwald

Auf den ersten Blick scheint der „weiße Sport“ auch eine ebensolche Weste zu haben. Schließlich gibt es wenige Sportarten, in denen es so selten zu Doping-Skandalen kommt wie im Tennis. Die letzte größere Welle gab es zu Beginn des 21. Jahrhunderts als einige Argentinier wie Mariano Puerta, Guillermo Canas oder Guillermo Coria positiv auf Blutdoping-Mittel getestet worden sind. Ansonsten erwischt es lediglich eher unbekannte Athleten, die auf dem mühsamen Weg in die oberen Regionen des ATP-Rankings unerlaubte Hilfsmittel ausprobierten.

Traditionell haben die internationalen Tennis-Verbände aber einen recht laxen Umgang mit Dopingfällen. Spätestens seit der Biographie von „Crystal Meth“-Liebhaber Andre Agassi ist klar, dass die ATP einen populären Superstar nur ungern als Frontman und Werbeträger verliert. Kurios ging es auch 2009 zu: Damals wurde Richard Gasquet bei einer Doping-Kontrolle positiv auf Kokain getestet. Der Franzose verteidigte sich, in dem er erklärte, bei einer Party eine Frau geküsst zu haben, die kurz zuvor die Droge zu sich genommen hatte. Gasquet kam mit einer zweieinhalb Monate langen Sperre davon.

Bedenklich stimmen auch die erst vor kurzem getätigten Aussagen von Roger Federer und Andy Murray, die sich darüber wunderten, dass sie in den vergangenen Jahren immer seltener kontrolliert worden sind. Bei all diesen Ungereimtheiten muss aber auch klar sein, dass es im Tennis extrem schwierig ist, sinnvoll zu dopen. Ausdauer, Spritzigkeit, Beweglichkeit und Kraft sind gleichermaßen wichtig. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, einen gesunden Ausgleich zu finden. Und Ballgefühl kann man mit keinem Mittel der Welt spritzen. Der Autor dieser Zeilen weiß, wovon er spricht.

Eishockey-Redakteur Sebastian Rauch

Gehen Sie kurz in sich und denken Sie an einen Eishockey-Spieler, der eine positive Dopingprobe abgegeben hat. Ihnen fällt keiner ein?

Und doch gibt es sie. Bryan Berard, der immerhin 639 Spiele in der stärksten Liga der Welt auf dem Buckel hat, war im Jahr 2006 der erste NHL-Spieler, der je positiv getestet wurde.

Als Teil des US-amerikanischen Olympiateams wurde dem Defender das anabole Steroid Nandrolon nachgewiesen.

Eine zweijährige Sperre für internationale Spiele war die Folge. Da der Test aber nicht von der NHL in Auftrag gegeben wurde, erkannte die Liga die Ergebnisse nicht an. Der US-Amerikaner durfte unbehelligt weiterhin in Nordamerika seinem Beruf nachgehen.

Ähnlich erging es Jose Theodor, der positiv auf ein Haarwuchsmittel getestet wurde, welches eingenommen wird, um Nandrolon zu verschleiern. Während er von der IIHF 18 Monate für internationale Spiele aus dem Verkehr gezogen wurde, drückte die NHL erneut ein Auge zu und ließ den Torhüter weiterhin auflaufen.

Die NHL hat ihr eigenes Anti-Doping-Programm, so müssen die Spieler (angeblich) mit bis zu zwei unangekündigten Dopingtests pro Saison rechnen. Die Überprüfung, ob diese auch durchgeführt werden, obliegt ebenfalls der Liga selbst. Verteidiger Sean Hill war im Übrigen am 20. April 2007 der erste Crack, der tatsächlich gegen das eigene Anti-Doping-Programm der NHL verstoßen hat. Dem Strafenkatalog zur Folge musste er 20 Spiele pausieren. Eine zweite positive Probe hätte ihm 60 Spiele eingebracht, eine dritte hätte eine lebenslange Sperre nach sich gezogen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der NHL so mancher Spieler zu unterstützenden Substanzen greift, welche in Europa nicht erlaubt sind. Die Intensität und Regelmäßigkeit der Spiele in Übersee wären ohne gewisse „Hilfsmittel“ in der bestehenden Form nicht möglich. Der Sport lebt von der Physis, Schnelligkeit und Härte der Spieler. Das wollen die Fans sehen und dafür nehmen sie die "Begleiterscheinungen" wohl auch in Kauf. Dass man bisher nur vereinzelt Spieler des Dopings überführt hat liegt weniger daran, dass die Cracks „sauber“ sind, als vielmehr, dass die Tests nicht mit der Härte durchgesetzt werden, wie dies zum Beispiel im Radfahren der Fall ist.

Fußball-Redakteur Harald Prantl

Sauber? Mitnichten! Es wäre lächerlich, zu behaupten, Doping wäre im Fußball kein Thema. Das war es immer und das ist es auch heute noch. Wenn es um systematisches Doping in der Vergangenheit geht, fällt mir zuerst Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, ein – eine unheilbare Nervenkrankheit. Ehemalige italienische Fußball-Profis sterben reihenweise an der sonst sehr seltenen Krankheit. Ein österreichisches Beispiel gefällig? Der legendäre Ernst Ocwirk erlag ALS im Jänner 1980, er war gerade einmal 53 Jahre alt. Vier weitere Kicker, die wie er 1958/59 bei Sampdoria spielten, erwischte es ebenfalls. Zufall? Unwahrscheinlich.

Ebenso der in Italien vieldiskutierte „Fluch der Fiorentina“ – zahlreiche Männer, die in den 1960er und 1970er Jahren in Florenz spielten, starben früh, teils an Krebs, teils an anderen sehr seltenen Erkrankungen. Bei weitem nicht die einzigen Doping-(Verdachts)Fälle im Fußball wie diese Chronologie zeigt (Link). Es wäre naiv, zu glauben, das hätte sich geändert. Die körperlichen Anforderungen an Fußballer steigen.

Klar, kann man mittels Doping Technik und Kreativität nicht steigern. Bei Kraft und Ausdauer ist das aber durchaus möglich. Angesichts all der schmutzigen Geschäfte, die in und rund um den Fußball so laufen, wäre es blauäugig, zu denken, niemand würde versuchen, sich durch Doping einen Vorteil zu verschaffen. Warum vergleichsweise wenige Fälle bekannt werden? Sagen wir mal so: Es gibt Sportarten, in denen ernsthafter kontrolliert wird…

Football-Redakteur Bernhard Kastler

American Football vereinbart viele notwendige Fertigkeiten, die im Sport für Weltklasse-Leistungen sorgen. Allen voran Kraft, Schnelligkeit, Schnellkraft. Wenn eine Mannschaft aus 53 Athleten besteht - so wie in der National Football League üblich - und es 32 Teams gibt, dann sprechen wir von 1.696 Sportlern. Wer glaubt, in einer Sportart wie dieser werden auf Hilfsmittel verzichtet, der irrt. Die Geschichtsbücher erhärten diesen Verdacht nicht nur, sie bestätigen ihn leider auch.

"90 Prozent der Athleten waren auf Steroide", hielt Lyle Alzado einmal fest. Das war bereits in den späten 1960er Jahren. Der Lineman der Denver Broncos gilt als erster wahrnehmbarer Doping-Fall. Der Verteidiger starb mit nur 43 Jahren an einem Gehirntumor, Spätfolgen aufgrund der Einnahme von Stereoiden werden nicht ausgeschlossen. Alzado meinte kurz vor seinem Tod: "Wir sind nicht geboren, um 140 Kilo zu haben oder neun Meter hoch zu springen." In Zeiten, wo Rekorde medial nahezu verlangt werden, ist es nur schwer vorzustellen, dass es bei dem einen oder anderen ohne Hilfsmittel (Stichwort Wachstumshormone) gehen soll.

Anfang des Jahres kritisierte der ehemalige WADA-Chef Richard Pound, dass die NFL sich im Anti-Doping-Kampf sperrt. Warum? Diese Liga ist nicht nur ein Verbund sportverrückter Menschen in Form von Vereinen, es ist Business. Ein Unternehmen mit 6,7 Milliarden Umsatz. Das erklärt auch, warum nur wenige Doping-Fälle publik werden. Was der Firma schadet, ist nicht gut für das Geschäft. So weh es als Fan tut, aber an eine blütenreine Weste kann ich als objektiver Journalist im Football nicht glauben. Wichtiges "Aber": Das Verschaffen von Vorteilen dürfte sich alleine der Teamgröße wegen in Maßen halten. Anders gesagt: Es gewinnt nicht das Team die Super Bowl, das am besten nachhilft. Dazu gehört in einer der komplexesten Sportarten viel mehr, als nur das Physische. Allen voran klar denkende Köpfe, auf und abseits des Feldes.

Judo-Redakteur Reinhold Pühringer

Das technisch anspruchsvolle Profil gepaart mit der Vielseitigkeit ließen mich lange im Glauben, dass Doping im Judo praktisch keine Rolle spielt. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Geraubt wurde mir die Illusion, dass die Judo-Matte eine Insel der Seligen ist, von einem Schlüsselerlebnis.

Ich erinnere mich noch genau, als die Nachricht vom positiv auf Stanozolol getesteten Ungarn Attila Ungvari die Runde machte. Ein Kämpfer, mit dem ich mich selbst in zahlreichen Sparringsrunden, die mir als äußerst anstrengend im Gedächtnis haften geblieben sind, gemessen habe. Den Aufstieg des damals schlaksigen Jungspunds vermochte ich nicht verhindern. Er zog an mir vorbei. Auch ohne Doping. Davon gehe ich zumindest aus.

Und dieser Attila Ungvari soll also wenige Jahre später betrogen haben?! Dieses böse Thema Doping, das bis dahin nur irgendwo ganz weit weg von mir existierte, war mit einem Schlag grausam real. Ich war näher dran, als mir lieb war. Spätestens bei seinen vehementen Unschuldsbeteuerungen (irgendjemand muss ihm etwas ins Getränk gemischt haben), die sich anhörten, wie die vielen Ausreden anderer Sünder, war mir klar: Judo ist in puncto Doping wohl kaum anders als die vielen anderen Sportarten.

Setze ich diese Erfahrung dann in Kontext zum fragwürdigen Doping-Freispruch von Olympiasiegerin Tong Wen (CHN/Formalfehler nach positivem Clenbuterol-Befund) oder etwa dem österreichischen Judo-Dopingfall von Thomas Etlinger (1993 mit Asthma-Mittel Spiropent) zeichnet sich ein Bild, das mir den Schluss nahelegt, ein Opfer jugendlicher Naivität gewesen zu sein.

Wenn auch das romantisch angesäuselte Bild vom sauberen Kampfsport aus Fernost für mich für immer dahin ist, glaube ich dennoch, dass im Judo das Problem ein (noch) relativ kleines ist. Den mangelnden Verdienstmöglichkeiten sei Dank.

 

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