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Mit vereinten Kräften zu den Olympischen Spielen

Mit vereinten Kräften zu den Olympischen Spielen

„Beißt bei dir schon was?“

„Bei mir tut sich nichts.“

Auf einem entlegenen See im „middle of nowhere“, trifft LAOLA1 400-Meter-Spezialist Clemens Zeller (27) und 800-Meter-Läufer Andreas Rapatz (26) bei ihrer Freizeitbeschäftigung, dem Fischen.

Die Ausbeute dieses Tages ist bezeichnend für die vergangene Saison der zwei. Trotz langer Verletzungspausen, vieler Auf und Abs und einer einjährigen Abstinenz können die beiden Trainingskollegen und Freunde noch die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 in London schaffen.

Wie sie das anstellen wollen, was bisher dazwischengekommen ist und warum Stephanie Graf als Trainerin versagt hat, verraten sie im LAOLA1-Interview:

LAOAL1: Wie schwer ist es, sich wieder zurück zu kämpfen und den Anschluss an die Weltspitze zu finden?

Andreas Rapatz: Wenn man gesund ist und gut trainieren kann, findet man sehr rasch zurück. Anfangs tut jedes Training extrem weh. Du machst ein Krafttraining und am nächsten Tag fühlst du dich, als hättest du noch nie in deinem Leben Sport gemacht. Ich denke, sich mental bei Laune zu halten, gestaltet sich wesentlich schwieriger. Ich habe mir oft gedacht, ich schmeiß den Hut drauf und war kurz davor, zu sagen, lassen wir´s.

Clemens Zeller: In meiner Karriere gab es oft den Punkt, an dem ich mich wieder zurückkämpfen musste. Bis jetzt ist es mir auch immer gut gelungen. In der momentanen Situation beginne ich bei Null. Ein kompletter Restart, ein Festplatten löschen. Bei einem Neuanfang ist es wichtig, sich immer wieder gegenseitig zu pushen. Anfangs kann man große Leistungssprünge sehen, das gibt mir einen enormen Motivationsschub.

Beim Fischen holen sich die Kollegen und Freunde Energie für ihr Training
LAOLA1: Seit gut eineinhalb Jahren seid ihr Trainingskollegen. Andreas, wieso hat die Zusammenarbeit mit deiner Trainerin Stephanie Graf nicht funktioniert?

Rapatz: Steffi hat mich fast zwei Jahre trainiert, leider hat sie sich zuletzt nicht mehr um mich gekümmert. Ich bin teilweise mitten unter der Woche noch ohne Trainingsplan dagestanden, wo normalerweise am Sonntag der Trainingsplan fertig sein sollte. Trotz Bezahlung bin ich oft am Mittwoch auf der Bahn gestanden und habe vergebens versucht, sie telefonisch zu erreichen. Auch mit der Gestaltung der Einheiten bin ich nicht zu Recht gekommen. Ohne Aufwärmen gleich volle Läufe machen, hat einfach keinen Spaß gebracht. Das Training war eins zu eins wie das Training in ihrer aktiven Zeit, nur umgerechnet auf einen Mann. Nach der geschafften WM-Qualifikation wollte ich meine Trainerin bei der WM mit dabei haben, sie hat mir dann leider abgesagt und mir mitgeteilt, dass sie erst, wenn ich in einem Finale mitlaufe, bei einem Großereignis dabei sein wird. In einem Finale brauche ich dann aber auch keinen Trainer mehr, denn dort laufe ich ohnehin um mein Leben.

LAOLA1: Vor eurer Verletzung und Auszeit seid ihr Fixbestandteile des A-Kaders gewesen. Hat man euch in der Rehabilitationszeit beziehungsweise Auszeit motiviert und unterstützt?

Rapatz: Nach einem Kapseleinriss und einem Ödem war ich ein halbes Jahr außer Gefecht. Ich habe nie etwas vom österreichischen Leichtathletik-Verband gehört. Erst vor ein paar Tagen habe ich einen Anruf erhalten. Leider wollten sie mir nur mitteilen, dass ich nicht mehr im A-Kader bin. Ich dachte mir nur: „Okay, und wie geht es dir so?“, ich war sprachlos.

Zeller: Das einzig Wichtige ist der Europacup, dort brauchen sie uns. Es werden oft großartige Versprechungen gemacht, was man nicht alles ändern kann, leider wird nichts von alldem umgesetzt. Im Endeffekt sind wir beide ziemlich verärgert und wollen einfach nur unseren Sport machen. Ich habe das Ziel, zu Olympia zu fahren, wenn ich es nicht schaffe, bricht für mich keine Welt zusammen. Sollte ich es jedoch schaffen, nehme ich diese Herausforderung gerne an und werde nach den Olympischen Spielen meine Karriere beenden. Die Motivation nach zehn Jahren ist einfach weg, noch dazu wenn man sieht, dass man nichts Wert ist und sich niemand um einen kümmert.

Restart nach einer mental sehr schweren Zeit
Zeller: Im Vorjahr habe ich mich komplett herausgenommen, habe weder die österreichischen Meisterschaften verfolgt noch die WM in Daegu. Ich musste mich auf mich konzentrieren.  Verletzungen, Höhen und Tiefen waren nicht immer leicht wegzustecken. Für meine Auszeit waren aber hauptsächlich viele andere Faktoren ausschlaggebend. Ich spreche nicht sehr gerne in der Öffentlichkeit darüber, es ist zu privat und heikel. Fakt ist, dass es mir nach einer psychisch sehr schweren Zeit, wieder gut geht und ich voll durchstarten möchte.  Es ist einfach wichtig, auch außerhalb seine Energiequellen zu haben. Ich habe mein Studium beendet, das nimmt mir viel Druck und macht mich stolz.

Rapatz: Mein Beruf ist Sport. Den mache ich gerne. Wenn man verletzt ist, will man es akzeptieren und so schnell wie möglich wieder gesund werden. Je länger es dauert, je mehr du dafür tust, umso schwieriger ist es, mental durchzuhalten. Man denkt sich oft, ich will nicht mehr. Sobald du aber wieder mit dem Training beginnst und Leistungssteigerung siehst, hast du wieder die größte Freude mit der Leichtathletik.

LAOLA1: War es immer schon klar, dass ihr die Disziplinen 400 Meter und 800 Meter forcieren werdet?

Zeller: Früher bin ich 100 Meter und 200 Meter gelaufen. Die Distanzen wurden dann immer länger. Ich bin drei Jahre hintereinander zum Spaß, drei bis viermal, die 400 Meter gelaufen. Ich kann mich noch erinnern, 2007 stand dann die Quali für die Hallen-Europameisterschaften an, wo es keinen 200-Meter-Lauf gegeben hat. Ich hab die 400 Meter ausprobiert und bin nur drei Hundertstel am Limit vorbeigerannt. Somit war klar, dass ich bei den 400 Metern bleiben werde.

LAOLA1: Edi Holzer trainiert euch beide. Könnt ihr Euch in dieser Konstellation perfekt weiterentwickeln und auf London 2012 bestmöglich hinarbeiten?

Rapatz: Edi hat ein super Feingefühl. Er stellt das Training auf unsere tägliche Befindlichkeit ein und ist jederzeit für uns verfügbar. Im Vergleich zu Steffi wird Edi nicht bezahlt und steht Montag, Mittwoch, Donnerstag und Samstag für drei Stunden auf dem Platz.

Zeller: In der Leichtathletik ist man auf sich alleine gestellt. Wir haben das Glück, dass wir uns gegenseitig pushen können und außerhalb der Bahn Freunde sind. Trotzdem ist jeder für sich verantwortlich und muss seine Fehler bei sich suchen und den Weg selber gehen. Andreas unterstützt mich über die langen Strecken und ich helfe ihm mit der Schnelligkeit. Eine großartige Freundschaft, ein perfektes Team.

LAOLA1: Wie kann man sich in mit der Randsportart Leichtathletik über Wasser halten?

Rapatz: Ohne die Unterstützung des Bundesheers könnte ich mir den Leistungssport nicht leisten und müsste Arbeiten gehen. Beides zu vereinen ist nicht möglich, um Höchstleistungen zu erbringen.

Zeller: Für mich war das mitunter ein Grund, weshalb ich unbedingt das Studium fertig bringen wollte. Wenn man irgendwann ohne Bundesheer und Sport dasteht, was passiert dann? Ein Fußballspiel hat 90 Minuten, die Zuseher werden 90 Minuten unterhalten. Ein 100 Meter Lauf dauert neun Sekunden, die Leute werden nur neun Sekunden unterhalten und das war’s. Wenn ich einen Familienausflug machen möchte, ist es natürlich spektakulärer, sich 90 Minuten unterhalten zu lassen. Wenn du in nur neun Sekunden zeigen musst, was du kannst und dann sowieso wieder nur der Erste im Bild ist, tut man sich natürlich schwer, Sponsoren dafür zu begeistern.

LAOLA1: Kann man mit der Leichtathletik Geld verdienen, wie finanziert ihr euch?

Rapatz: Im letzten Jahr habe ich in der Leichtathletik 400 Euro verdient, inklusive Preisgeld. Zum Glück gibt es das Bundesheer. Das Bundesheer-Geld reicht gerade dafür, unsere Fixkosten zu decken. Mehr wie Leichtathletik machen und davon leben können, oder überleben können, ist nicht drinnen. Somit nehme ich lieber die 400 Euro als Benzingeld zum Kärnten fahren, anstatt mir einen Mentalcoach zu leisten. Ein Mentalcoach in diesem Sinne ist leider immer mit Geld verbunden, man muss sich immer fragen, wo investiert man sein Geld am besten. Trainingslager, Massagen, Regeneration oder leiste ich mir einen Mentalcoach? Leider ist auf dem Niveau, auf dem wir sind, die Leichtathletik weniger lukrativ und man verdient kaum etwas dabei.

Zeller: Im vergangenen Jahr habe ich durch die Leichtathletik nichts verdient, da ich verletzt war und keine Wettkämpfe machen konnte. In meiner besten Saison bin ich auf 2.000 Euro pro Jahr gekommen. Startgeld bekommt man fast nie, es gab nur zwei oder drei Meetings mit Preisgeld. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich leider Pech hatte. Immer wenn ich ein Management hatte, war ich verletzt und umgekehrt. Ein Management ist in der Leichtathletik notwendig, ohne Unterstützung bekommt man kaum Startplätze bei großen Meetings.

LAOLA1: Ihr habt beide eine schwere Zeit hinter euch, mit Verletzungen, psychisch schwierigen Zeiten. Wie kann man diese sehr intensive Zeit bestmöglich wegstecken?

Über die 800 Meter will Rapatz das Limit für Olympischen Spiele schaffen

Rapatz: Beim Werfen hab ich es leider nie über den Sechzehner geschafft. Somit war klar, entweder werde ich Springer oder Läufer. Ich bin beim Laufen hängengeblieben. Leider war ich für 400 Meter zu langsam und alles, was weiter wie 800 Meter war, wurde mir zu lange.

LAOLA1: Was kannst du besser machen? Wo findest du die letzten Zehntel oder Hundertstel, die dir zur Weltklasse fehlen?

Rapatz: Verletzungsfrei bleiben und brav trainieren, dann kommt der Erfolg von selbst. 

Zeller: Der Rest ist Talent. Im Moment ist alles noch ausbaufähig, wir müssen beide schauen, dass wir in Form kommen und dann sind hauptsächlich die Tagesverfassung und das Glück entscheidend. Ich mache mir keinen Druck. Ohne die nötige Lockerheit kommt man nicht weit.

LAOLA1: Was traut ihr euch gegenseitig zu?

Zeller: Ich denke für beide sind die Olympischen Spiele realistisch. Ich kenne seine Ziele, ich weiß, was er drauf hat, ich weiß aber auch, dass es über die 800 Meter sehr schwer wird. Ich bin mir sicher, er kann seine Bestleistung noch um eine Sekunde verbessern. Was das international bedeutet, kann ich schwer sagen, da nicht nur seine eigene Leistung zählt, sondern vor allem das Können der Anderen.

Rapatz: Ich denke das Olympia-Limit ist kein Problem für Clemens. Seine Outdoor-Bestleistung liegt bei 45,69 Sekunden. Das Limit für London liegt bei 45,70. Wenn er gesund bleibt und seine Trainingseinheiten durchziehen kann, traue ich ihm alles zu.

 

Das Gespräch führte Patricia Kaiser