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Vom Leben zwischen Nike & zu großen Milchpackerln

Vom Leben zwischen Nike & zu großen Milchpackerln

Im Sommersport ist es oft schwer, in Österreich den Sprung an die Spitze zu schaffen. Aus Mangel an Gegnern, Trainingspartnern, Infrastruktur oder auch einem Zuviel an Nestwärme.

Sollte das der Fall sein, liegen zwei Lösungsversuche auf der Hand: A) Zimmere dir dein Umfeld nach deinen Vorstellungen zurecht. Oder: B) Geh ins Ausland.

Dass hinter beiden Toren der berüchtigte „Zonk“ lauern kann, ist müßig zu erwähnen. Als einer der bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter der zweiten Sorte gilt jedenfalls Markus Rogan. Der Silberfisch schwang sich über den Umweg USA in olympische Höhen empor.

Einer, der es ihm nachmachen möchte, ist Niki Franzmair. Im Gegensatz zu Rogan fühlt sich der 20-Jährige jedoch vielmehr auf dem Trockenen wie ein Fisch im Wasser. Genauer gesagt auf der 800m-Bahn.

Der Oberösterreicher gilt jedoch genau wie einst Rogan als großes Talent. 2014 kürte sich Franzmair zum bereits dritten Mal in Folge zu „Österreichs Nachwuchs-Leichtathleten des Jahres“. Seit heuer studiert er an der University of Oregon in Eugene, dem Nonplusultra für Läufer.

Wie es Franzmair fernab der Heimat bisher ergangen ist und wie sein Leben zwischen Nike und überdimensionierten Milchpackungen verläuft, erklärt er im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Niki, wie sieht eine erste kleine Zwischenbilanz aus?

Niki Franzmair: Es ist enorm viel weitergegangen. Ich bin Zeiten im Training gelaufen, bei denen ich mir gedacht habe: Boah, das kann ich normalerweise nicht. Gerade mit den super Trainingspartnern, die ich dort habe, kann ich mich immer pushen. Ich bin heuer über 1.500m persönliche Bestleistung gelaufen. Danach wollte ich über 800m angreifen, ehe ich leider Probleme mit einer Achillessehne bekam.

LAOLA1: Hat die Achillessehne eine neue 800m-Bestzeit (aktuelle 1:46,78 min; Anm.) verhindert?

Franzmair: Ich glaube, dass bei einem Rennen mit guter Pace und günstigem Verlauf heuer eine Bestzeit drinnen wäre. Jedoch weißt du als Sportler, dass es bergauf und bergab geht. Das heißt: Sollte es heuer nicht klappen, dann werde ich nächstes Jahr noch eine weitere halbe Sekunde drauflegen. Das sollte dann fürs Olympia-Limit (1:45,80 min; Anm.) reichen.

LAOLA1: Wie sehen die großen Unterschiede zum Training deines bisherigen Trainers Wolfgang Adler aus?

Franzmair: Wir sind eine größere Truppe, an die 30 Läufer. Wir trainieren nicht öfter, aber eine Einheit ist dafür meistens länger und besteht aus nicht nur Kraftkammer oder Dauerlauf. Wir kombinieren das: Zuerst beispielsweise einen Dauerlauf, dann Koordinations-Training und danach noch in die Kraftkammer. Da fängst du um zwei an und bist um sechs fertig, ohne viel Pause gehabt zu haben.

LAOLA1: Was studierst du?

Franzmair: Es heißt Planning Public Policy und Management. Auf gut Deutsch: Städteplanung unter Berücksichtigung umweltfreundlicher Einflüsse. Grundsätzlich möchte ich das Studium, das vier Jahre dauert, in Eugene durchziehen.

LAOLA1: Wie kommst du mit dem Studium klar?

Franzmair: Ich bin sogar ein ziemlich guter Student. Sicherlich wird nicht in meiner Muttersprache unterrichtet, aber damit komme ich gut zurecht. Und das Kombinieren von Sport und Schule war ich schon aus dem BORG Linz gewohnt, wobei ich dort kein guter Schüler war (schmunzelt). Seitdem ich hergekommen bin, bin ich viel effizienter geworden. Nach zweimal Durchlesen muss der Lernstoff sitzen, ansonsten würde mich das zu viel Zeit kosten.

LAOLA1: Ist das Leben in den USA ein anderes?

Franzmair: Ja, schon. Beispielsweise das Essen: Alles ist viel größer. Die kleinste Milchpackung, die du bekommst, ist 1,8 Liter groß. Das steigert sich bis fünf Liter. Die Stadt Eugene ist von der Größe (160.000 Einwohner; Anm.) her vergleichbar mit Linz. Eine Studentenstadt, in der viele Jugendliche leben. Das Klima ist etwas wärmer als in Österreich. Im Winter kühlt es auf etwa acht bis zehn Grad ab. Schnee fällt vielleicht nur alle zehn Jahre. Gerade für uns Leichtathleten ist das wichtig, damit wir praktisch ganzjährig draußen trainieren können. Im Februar sind wir heuer schon mit kurzer Hose und kurzem Leibchen bei Tempoläufen auf der Bahn gestanden.

LAOLA1: Wer ist dein Trainer?

Franzmair: Er heißt Andy Powell. Er hat schon viele gute Leute, darunter auch den Olympia-Zweiten über 10.000m Galen Rupp und andere Olympiamedaillen-Gewinner, hervorgebracht. Nach dem Uni-Abschluss wechseln die guten Athleten in die diversen Trainingsgruppen, die es dort gibt: Einige gehen zum Nike Oregon Project, andere zum Oregon Track Club, wieder andere lassen sich direkt von Nike sponsern, ohne sich einer Gruppe anzuschließen.

LAOLA1: Eugene ist der Sitz von Nike. Ist das spürbar auf der Uni?

Franzmair: Deren oberste Chefitäten sind oft zu Besuch. Es herrscht eine enge Zusammenarbeit. Beispielsweise testen wir Schuhe, die erst in circa drei Jahren erscheinen werden, wobei wir diese Modelle nicht bei Wettkämpfen oder ähnlichem tragen dürfen. Wir geben ihnen dann Feedback.

Niki Franzmair steht LAOLA1 Rede und Antwort

LAOLA1: Die Schuhe weit vor allen anderen tragen zu dürfen, klingt für viele Nike-Fans wahrscheinlich nach einem Traum. Wie geht’s dir dabei?

Franzmair: (schmunzelt) Ich muss zugeben, dass es schon verdammt lässig ist, quasi immer die neuesten Schuhe zu haben. Nicht umsonst nennen viele die Uni auch „The University of Nike“.

LAOLA1: Wie erlebst du das Doping-Tohuwabohu rund um Alberto Salazar, dem Star-Trainer des Nike Oregon Project?

Franzmair: Auf der Uni ist das gar kein so großes Thema. Auf alle Fälle glaube ich, dass das Nike Oregon Project sehr viel zu verlieren hätte. Es würde jede Medaille der letzten Jahren hinterfragt werden. Solange es keinen stichfesten Beweis gibt, muss man vorsichtig sein. Ich persönlich glaube nicht, dass was dran ist. Viele der Älteren auf der Uni haben noch mit Rupp und anderen trainiert, haben nach wie vor engen Kontakt zu diesen Läufern. Sie meinen, dass da nichts dran sei. Aber es ist schwer zu sagen.

LAOLA1: Verschieben sich durch den Wechsel nach Oregon auch die Prioritäten bei der Setzung der Jahreshöhepunkte?

Franzmair: Vor der Saison bespreche ich mit dem Trainer, was ihm und was mir wichtig ist. Das haben wir bislang super hinbekommen. Indoor war das heuer das NCAA-Finale, bei dem ich in der Staffel eine 1:46er-Zeit gelaufen bin, also so schnell wie noch nie in der Halle. Wegen meinen Achillessehnen-Problemen haben wir den Outdoor-Höhepunkt auf die U23-EM in Tallinn (9.-12. Juli; Anm.) verschoben.

LAOLA1: Das heißt, die WM der Erwachsenen in Peking (22.-30. August; Anm.) hast du heuer noch gar nicht auf dem Zettel?

Franzmair: Das WM-Limit habe ich ja noch nicht. Dafür müsste ich 1:46,00 Minuten, also österreichischen Rekord, laufen. Ich sag mal so: Es wäre auf jeden Fall möglich gewesen oder ist sogar noch möglich. Aber bei den kommenden Rennen erwarte ich zumeist taktische Läufe, da sind Bestzeiten kaum möglich. Falls es mir doch gelingt, werde ich noch einmal mit meinem Coach sprechen.

LAOLA1: Welche Rolle spielt Rio 2016 in deinen Planungen?

Franzmair: Mich dafür zu qualifizieren ist mein großes Ziel. Nächstes Jahr will ich über die 800m voll angreifen. Da will mich mein Coach in ein paar gute Rennen schicken, in denen von Anfang an richtig auf Zeit gelaufen wird. Nachdem ich jetzt gesehen habe, wie ein halbes Jahr Training in den USA auf mich wirkt, bin ich mir sicher, dass die Quali absolut möglich ist.

Das Interview führte Reinhold Pühringer