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"Wer Sport macht, darf auch Schokolade essen!"

Da staunten die Besucher eines Fitness-Studios in Wien-Donaustadt nicht schlecht, als Freitagabend plötzlich Haile Gebrselassie am Laufband stand.

Nach einem stressigen Tag wollte sich der Superstar des Vienna City Marathon noch ein bisschen die Beine vertreten – mit 18,6 Stundenkilometern.

„Der Körper muss laufen, der Körper muss schwitzen. Ich liebe dieses Gefühl, das mir nur das Laufen gibt“, erzählt der 39-Jährige im Gespräch mit LAOLA1 am Rande eines PR-Termins für seinen Ausrüster adidas.

„Ein Tag ohne Laufen ist ein verlorener Tag für mich. Ich liebe es und ich brauche es auch.“

Knackt Haile die Stunde?

Genau wie auch den Wettkampf, sieht der ehemals schnellste Mann der Welt über die 42,195 Kilometer das Ende seiner sportlichen Laufbahn noch lange nicht gekommen.

Am Sonntag läuft er zum bereits dritten Mal in Wien. Pünktlich um 8:57 Uhr wird Gebrselassie erneut in den Halbmarathon starten und versuchen, zum 30-jährigen VCM-Jubiläum unter einer Stunde zu bleiben.

In erster Linie, so der Äthiopier, laufe er zwar gegen sich selbst, aber „natürlich möchte ich eine gute Zeit laufen“.

Kreis schließt sich in Wien

Der Wetterbericht liest sich vielversprechend und die tausenden Fans entlang der Strecke werden ihr übriges tun, um den Publikumsliebling ins Ziel am Heldenplatz zu tragen.

„Die Vorbereitung ist sehr gut verlaufen, aber Sonntag ist ein großer Test für mich. Wir werden sehen, was passiert“, lässt sich der zweifache Olympiasieger auch ein bisschen überraschen, denn: „Ich bin seit Wien im Vorjahr in Europa keinen Halbmarathon mehr gelaufen.“

Es war der große Wunsch des bekennenden Wien-Fans („Ich liebe diese Stadt!“), dass sich hier der Kreis schließt.

„Ich bin überglücklich, dass man mich wieder eingeladen hat. Die Atmosphäre ist einfach wunderbar hier, die Liebe der Menschen für den Sport und den Marathon gibt mir Kraft“, lacht Gebrselassie, der 2012 auf der Prater Hauptallee die „Haile-Meile“ einweihen durfte.

Präsidiale Ambitionen

Wie im Vorjahr gab es auch heuer wieder ein Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg.

„Es war eine große Ehre für mich, dass er mich wieder empfangen hat. Man muss den Bürgern wirklich zu diesem Präsidenten gratulieren. Er hat großen Respekt für den Sport, das ist nicht selbstverständlich.“

Bei Kaffee und Apfelstrudel tauschte man sich allerdings nicht nur über den Sport aus. Auch die Wasserkonflikte am Nil oder die politische Situation in Afrika waren Thema.

Und natürlich auch die politischen Ambitionen des Weltsportlers. „Ja, ich möchte eines Tages Präsident von Äthiopien werden. Das ist eines meiner nächsten großen Ziele“, so der umtriebige Ausnahme-Athlet, der in seiner Heimat auch als Unternehmer große Erfolge feiert – sein neuestes Projekt ist der Anbau von Bio-Kaffee - und zudem zahlreiche Charity-Projekte unterstützt.

"Gesellschaft geht schleichend kaputt"

Demnächst geht er außerdem unter die Renn-Veranstalter: Im Oktober findet in seiner Heimat erstmals der Haile Marathon statt – auf 1.600 m Höhe.

„Am liebsten würde ich alle 40.000 Teilnehmer des Vienna City Marathon einladen zu kommen, nur haben wir da oben leider viel zu wenig Hotels. Aber vielleicht mag ja der eine oder andere im Zelt schlafen“, grinst Gebrselassie, um dann ernst zu werden.

Zwar freut er sich über Rekord-Teilnehmerzahlen bei Lauf-Veranstaltungen, doch das ist dem Weltsportler noch zu wenig.

„Unsere Gesellschaft geht schleichend daran kaputt, dass wir viel zu wenig Bewegung machen. Wenn du Sport machst, kannst du alles essen. Schokolade, Kuchen, einfach alles. Der Schweiß, der aus deinem Körper kommt, das ist die Schokolade.“

Erschreckendes Zukunfts-Szenario

Ein wenig schwingt der Politiker durch, doch man nimmt es dem Äthiopier ab, was er sagt. Auch zum Thema Kinder: „Es tut mir weh, wenn ich dicke Kinder sehe. Eltern sollten doch das Beste für ihre Kinder wollen, also schickt sie raus, lasst sie spielen, lasst sie laufen, gebt ihnen einen Ball.“

In einigen Jahren, fürchtet Gebrselassie, wird es zwei verschiedene Typen geben: jene, die sich bewegen wollen und dies auch tun und jene, die mit Bewegung gar nichts mehr anfangen können.

„Ich habe nichts gegen die moderne Technik, nütze sie auch selbst. Aber Fernseher und Computer machen unsere Gesellschaft kaputt, viele Menschen sitzen nur noch zu Hause herum. In ein paar Jahren werden wir von Robotern gefüttert, damit wir gar nichts mehr selbst machen. Ich habe Angst vor so einer Welt!“

 

Stephan Schwabl