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Bedürfnis-Erhebung: Wiener Leichtathletik

Bedürfnis-Erhebung: Wiener Leichtathletik

Von einer Olympia-Bewerbung halten rund 72 Prozent der Wiener bekanntermaßen nichts. Nichtsdestoweniger ist das Infrastruktur-Problem der Sommersport-Verbände in Wien ein offenkundiges.

Bürgermeister Michael Häupl kündigte an, eine Bedürfnis-Erhebung unter den Fachverbänden durchführen zu lassen, um sich ein Bild von der Lage in Wien zu machen.

LAOLA1 greift dem vor und zeigt auf, wo in den Sportverbänden der Hebel angesetzt werden könnte:

 

In Österreich gibt es rund 32.000 gemeldete Leichtathleten, aufgeteilt auf 420 Vereine. Zum Vergleich: Eingetragene Basketballer gibt es in Österreich nur halb so viele, die Schwimmer kommen hingegen fast auf die doppelte Anzahl.

In Wien tummeln sich knapp 4.000 Leichtathleten, wobei diese vom Leistungsstand sehr hoch einzustufen sind. „Eine Analyse unserer Kader-Athleten hat ergeben, dass rund 60 bis 70 Prozent unserer Elite-Kader – also jene Athleten, die in U18, U20 und bei den Erwachsenen für Großereignisse in Frage kommen – in oder rund um Wien leben und dort trainieren. Viele sind im Heeressportzentrum Südstadt oder studieren hier“, erklärt Verbands-Sportdirektor Hannes Gruber.

Die Crux:

Was die Leichtathletik in Wien am dringendsten benötigt, kann auf einen Satz reduziert werden. „Wir brauchen eine ganzjährige Trainingsmöglichkeit ohne Einschränkungen, sowohl im Sommer als auch im Winter“, meint Gruber.

Für die kalte Jahreszeit gibt es dazu im Wesentlichen zwei Lösungsansätze.

Die kleine Lösung: Optimierung des Dusika-Stadions

Fallen draußen die Temperaturen, zieht es Wiens Leichtathleten zum Training in das Dusika-Stadion. So richtig glücklich wird man mit den Gegebenheiten dort aber nicht. Das liegt einmal daran, dass nur dienstags und donnerstags die Möglichkeit zu einem Vormittagstraining besteht. An den restlichen Tagen stünde die Halle auch frei, jedoch dürfen die Leichtathleten einfach nicht rein. Dabei mangelt es offenbar nur einer anwesenden Person der Stadt Wien. „Da geht es nicht einmal ums Heizen oder so etwas“, kennt Gruber die leidige Thematik.

„Und sollte es tatsächlich an den Personalkosten haken – mein Gott – dann könnte man sich mit der Stadt sicherlich irgendwie einigen. Es müsste nur der Wille einmal da sein.“ Das gleiche Problem hat man auch am Sonntag. „In anderen Ländern haben die Hallen am Wochenende geöffnet, bei uns jedoch nicht. Für Arbeitstätige oder Studierende, die ihren Trainingsschwerpunkt am Wochenende haben, ist das ein Riesen-Nachteil.

Das Dusika-Stadion während Österreichischen Hallen-Meisterschaften

Hinzu kommt, dass das Dusika-Stadion rund um Veranstaltungen zumeist gleich für vier Tage gesperrt wird. Training ist dann für die Leichtathleten nur eingeschränkt in der Aula möglich. Dabei weiß Gruber aus eigener Erfahrung, dass solche Umbauten zumindest international viel schneller von statten gehen. Etwa in Schweden, wo nach einem Leichtathletik-Meeting die Halle schon einmal über Nacht in eine Eis-Arena umfunktioniert wird. „Man kann die Arbeiten sicherlich effizienter gestalten, damit der Trainingsbetrieb nicht derartig eingeschränkt ist.“

Zum Wunsch nach mehr Trainingszeiten gesellt sich jener nach Ungestörtheit. Aktuell teilen sich die Leichtathleten das Stadion mit Turnern und Radfahrern, was zu Einschränkungen führt. „Ich weiß noch, als ich einmal von einem Trainer angerufen wurde, der mich bat, die Motorräder rauszuschaffen. Dort hatte es eine Luft wie am Gürtel im Winter“, erinnert sich Gruber.

Letzter eklatanter Malus-Punkt des Dusikas ist der Kraftraum. Zwar ist einer vorhanden, doch zweckdienlich ist er nicht mehr. „Die Geräte entsprechen bei weitem nicht mehr leistungssportlichen Anforderungen“, so Gruber.

Zusammenfassend könnte der Wiener Leichtathletik durch eine Optimierung der Trainingsbedingungen im Dusika-Stadion bereits viel geholfen werden, ohne dass immens hohe Kosten entstehen würden.

Die große Lösung: Eine eigene Trainingshalle

Die große Lösung: Eine eigene Trainingshalle
ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber

Diese müsste keineswegs in großen Dimensionen konzipiert sein, wie Gruber jüngst bei der Hallen-EM in Göteborg gesehen hat.

„Dort gab es speziell für das Training eine eigene Halle. Das war ein ganz s-i-m-p-l-e Trainingshalle. Ohne Tribünen. Dort konntest du alles machen, sogar Langwürfe ins Netz! Eine Ecke, die aufgrund der ovalen Laufbahn ja frei bleibt, wurde beispielsweise durch einen Kraftraum genützt. Ergänzend zum Dusika-Stadion wäre das die ideale Lösung.“

Dort könnte man dann auch ungestört von anderen Sportarten trainieren.

Die Lage im Sommer:

In der Freiluft-Saison müssen Wiens Leichtathleten Flexibilität beweisen. „Trainiert wird zum Teil in Stadlau, auf der Schmelz oder in der Südstadt.“ Eine waschechte Leichtathletik-Anlage besitzt Wien nicht einmal. Richtig gelesen!

Damit ist die Bundeshauptstadt neben dem Burgenland das einzige Bundesland Österreichs, in der keine Staatmeisterschaften (!) ausgetragen werden können. Womit klar wird, dass das Attribut „peinlich“ für das sich selbst als Sportstadt deklarierende Wien nicht ausreichend ist.

Aber was ist eigentlich mit dem Happel-Stadion? Eine Frage, die dem fußball-lastigen Sportfan, der die blauleuchtende Tartan-Bahn inmitten des Prater-Ovals vor Augen hat, wohl rasch in den Sinn kommt. „Derzeit kann das Happel-Stadion für die Leichtathletik nicht genutzt werden“, lautet der knappe Kommentar von Gruber.

Für nichts zu gebrauchen

Für nichts zu gebrauchen
Die Laufbahn im Happel-Stadion ist mehr schlecht als recht

Dies hat mehrere Ursachen. So schön die Laufbahn auch ist – in Wahrheit ist sie aktuell zwecklos und ärgert nur die Fußball-Fans, die sich aufgrund der Distanz zum Spielfeld umso mehr Mühe beim Schreien geben müssen. „Die Bahn ist auf der Zielgeraden durch Lastwägen derartig eingedrückt, dass richtige Dellen drinnen sind. Diese siehst du mit freiem Auge nur schwach, aber in dem Moment, wo du dort läufst, merkst du es sofort. Dort kannst du kein Sprinttraining machen. Es würde dich aufhauen“, erläutert der ÖLV-Sportdirektor die Schwierigkeiten.

Doch selbst bei einem Austausch der Bahn würde das Happel-Stadion kein möglicher Veranstaltungsort für Leichtathletik-Großereignisse sein. Der Grund ist der „heilige“ Rasen. Speer-, Diskus- oder Hammer-Bewerbe könnten Rasenheizung und das Drainagen-System beschädigen. „Was auch der Grund ist, warum wir bei der bislang letzten Staatsmeisterschaft im Happel-Stadion im Jahr 2000 für die Wurfbewerbe auf die Nebenplätze ausweichen mussten“, schildert Gruber, der für die Gründe aber auch durchaus Verständnis zeigt.

Angesprochen auf eine Bewerbung Wiens etwa für eine Freiluft-EM winkt er ab: „Das ist unrealistisch. Nicht nur vom Stadion her, sondern vom Gesamtpackage her.“ Einzig eine Hallen-EM hält er für möglich. Doch selbst dazu wäre das Dusika-Stadion, in der 2002 eine selbige zuletzt stattfand, mittlerweile nicht mehr ausreichend. „Der europäische Verband hat als Bewerbungskriterium ausgeschrieben, dass mindestens 5.000 Karten in den Verkauf gelangen müssen. Das ist im Dusika, wenn man die Sektoren für Athleten, Coaches, Medien-Vertreter und VIPs abzieht, nicht machbar.“ Zum Vergleich: 2002 konnten etwa 3.500 Tickets feilgeboten werden.

Mögliches Leichtathletik-Zentrum am Cricketplatz

Doch zurück zur Problematik im Sommer-Trainingsbetrieb. In dieser soll Besserung in Sicht sein, zumindest wenn man den Worten von Michael Häupl Glauben schenkt. Der Bürgermeister ließ nach der Volksbefragung durchblicken, dass es Pläne für ein Leichtathletik-Zentrum in Wien gebe. Konkreter wollte er aber nicht werden.

Gruber kann sich vorstellen, worum es sich dabei handelt: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Renovierung der Cricket-Anlage. Da hat es bereits positive Gespräche mit der zuständigen Magistratsabteilung gegeben. Es gibt bereits die mündliche Zusage, dass die Bahn erneuert wird. Heuer noch oder spätestens nächstes Jahr.“

Zusätzlich zu den sechs Rundbahnen sollen acht Sprintbahnen kommen. In einem weiteren Bauschritt sollen die Tribünen renoviert und mit einem Dach versehen werden. Am Ende sollen dort Meisterschaften stattfinden können und für den täglichen Trainingsbetrieb zur Verfügung stehen. „Die Cricketanlage liegt ideal“, nimmt Gruber Bezug auf die U-Bahn-Anbindung und den Prater als Laufrevier. „Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen gesetzt werden.“

Im Sinne der Wiener Leichtathletik wäre das wünschenswert.

Reinhold Pühringer