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Historische Dürre vor goldenem Ende?

Historische Dürre vor goldenem Ende?

Wir schreiben den 26. Oktober 1985.

Für die Fans der Science-Fiction-Komödie "Zurück in die Zukunft" mag dies jener Tag sein, an dem der "Doc" und Marty McFly in die Zukunft aufbrechen.

Für die Fans der Kansas City Royals in der Major League Baseball (MLB) ist es hingegen jener Tag, zu dem sie am liebsten zurückreisen würden.

Back to the Past?

Damals glichen die "Blauen" in der World Series gegen die St. Louis Cardinals zum 3:3 aus, einen Tag später machten sie ihre erste und bislang einzige Meisterschaft der US-Profiliga zur Realität.

Erst in diesem Jahr schaffte das Team erstmals seit jenem historischen Tag wieder den Einzug in die Postseason, was die längste Playoff-Dürreperiode im gesamten US-Sport beendete.

Als frischgebackener American-League-Champion kehrt Kansas City nach 29 Jahren Absenz auf Anhieb gleich auf die größte aller Baseball-Bühnen zurück, die World Series.

Im am Dienstag beginnenden "Best-of-seven"-Duell mit den San Francisco Giants, die den dritten Meistertitel seit 2010 anpeilen und damit den krassen Gegenpart geben, ist das Team aus Missouri aber nicht zwingend der Außenseiter.

Historischer Lauf

Denn nach Jahren des Misserfolgs - Kansas beendete 20 der 29 Saisonen mit mehr Niederlagen als Siegen - scheint bei der Franchise nun endlich der Knoten geplatzt.

Sowohl die Divisional Series gegen die Los Angeles Angels (3:0) als auch die Championship Series gegen die Baltimore Orioles (4:0) "sweepten" die Royals, die noch nicht einmal einen Fixplatz in der Postseason hatten.

Im Wildcard-Game begann mit einer denkwürdigen Aufholjagd gegen die Oakland Athletics erst der Oktober-Lauf des Überraschungsteams.

Als erstes Team in der Geschichte gewannen die Mannen von Coach Ned Yost, der wie fast alle seiner Schützlinge zum ersten Mal in seiner Karriere Postseason-Luft schnuppert, die ersten acht Playoff-Spiele.

Und das mit einer unkonventionellen und für das Auge des Gelegenheitsfans vielleicht sogar unspektakulären Art Baseball zu spielen. Denn auf Homeruns wartet man oftmals vergebens.

Kleinvieh macht viel Mist

Lediglich 95 Mal in 162 Saison-Spielen buchsierten die Royals den Ball aus dem Stadion – so selten wie kein anderes MLB-Team.

Zum Vergleich: Die Baltimore Orioles führten die Liga mit 211 Homeruns an. Zur Erinnerung: Jene Orioles, die Kansas City im "best-of-seven" glatt mit 0:4 unterlagen.

Wie das möglich ist? "Schnelligkeit, Defensive, Bullpen", benennt Coach Yost die Grundpfeiler der Kansas-Philosophie.

Ersterer erklärt die 153 Stolen Bases, die das Team in der Regular Season verbuchte, und die bisher 15 Infield-Hits in der Postseason.

In beiden Kategorien sind die Royals einsame Spitze. Ein guter Nährboden für Bunts und Sacrifice Flys, zwei weitere ihrer Stärken.

Kombiniert mit soliden Leistungen der Starting Pitcher (Shields, Ventura, Vargas) und Glanzleistungen der Reliefer (Herrera, Davis, Holland) wird klar, warum man in Kansas City nicht auf Homeruns angewiesen ist.

Bereits legendär: Moustakas' Catch in Spiel 3 im Fallen über die Reling

"Das ist surreal! Das ist verrückt!"

Angewiesen sind die Royals, die mit nur 92 Millionen Dollar Jahresetat getrost als "Small-Market-Team" bezeichnet werden können, aber auf seine Fans. Diese machen das heimische Kauffmann Stadium in diesen Wochen zum wohl lautesten der Sportwelt.

In der Metropole am Ufer des Missouri River, in der Football und damit die Chiefs normalerweise das bestimmende Thema sind, dreht sich zurzeit alles um Baseball. Die Polizei verschickte sogar Tweets mit der Bitte, während der Spiele keine Verbrechen zu begehen, um den Beamten einen ruhigen TV-Abend zu ermöglichen.

Third Basemann Mike Moustakas kommt mittlerweile in den Genuss, beim Abendessen von Fans erkannt zu werden.

"Die Menschen kommen auf dich zu, gratulieren mir und bedanken sich, für das, was wir für die Stadt getan haben", sagt der 26-Jährige, dessen spektakulärer Catch aus Spiel 3 gegen Baltimore sogar an die Wand eines Coffee-Shops in Downtown gemalt wurde. "Das ist surreal! Das ist verrückt", ist der Leistungsträger überwältigt.

"Sie haben sich verliebt"

Mit etwas mehr als 500.000 Dollar Jahres-Salär liegt Moustakas noch immer deutlich unter dem MLB-Durchschnitt (4 Mio.). 16 seiner Kollegen geht es ähnlich. Auch deshalb dürfen die Royals für die bevorstehende World Series mit vielen Sympathisanten liebäugeln.

"Ich habe von vielen der anderen Klub-Besitzer Glückwünsche entgegengenommen. Alle sagten uns, sie würden sich für uns freuen, alle sind wirklich nett", berichtet Royals-Besitzer David Glass.

Auch der Coach ist überzeugt, dass der neutrale Beobachter seinem Team die Daumen drücken wird. "Wir spielen aufregenden Baseball und ich denke, wir haben einige neue Fans in Amerika hinzugewonnen", hofft Yost und fügt hinzu: "Die haben sich in unsere Athletik und Energie verliebt."

Sandoval und Co wissen, wie es sich anfühlt

Vorteil San Francisco

Um das Märchen vom ersten Meistertitel seit 1985 fertig zu schreiben, fehlen allerdings noch vier Siege gegen die San Francisco Giants, die sich auch über die Wildcard für den Oktober qualifizierten.

Während die Royals in besagtem Zeitraum nur neunmal ein positives Siege-Niederlagen-Verhältnis zu stande brachten, zogen die Kalifornier neunmal in die Postseason ein.

"Trotzdem sind sie uns sehr ähnlich", wagt Kansas-Coach Yost den Vergleich mit dem deutlich erfahrenerem Team, das bereits 2010 und 2012 in ähnlicher Besetzung den Titel holte.

Was wohl auch daran liegt, dass die Giants zuletzt ohne Homeruns auskamen und über ähnliche Stärken verfügen. Aber eben auch über deutlich mehr Erfahrung und Star-Power.

Starter Madison Bumgarner, die Reliefer Tim Lincecum und Sergio Romo, sowie Third Baseman Pablo "Panda" Sandoval sind Baseball-Fans auf der ganzen Welt ein Begriff. Sie alle haben bereits wichtige Spiele entschieden.

"Royals" verbannt

Bumgarner sieht darin jedoch kaum einen Vorteil. "Du brauchst eigentlich keine Erfahrung, aber es tut nicht weh, welche zu haben", erklärt der 25-Jährige, der im ersten Spiel der Serie am Hügel stehen wird. Sein Gegenüber, James Shields, ist einer von zwei Royals mit World-Series-Erfahrung.

Der Respekt vor Kansas City ist an der Westküste aber größer denn je, gingen doch sämtliche drei Saison-Duelle an das Team aus dem Mittleren Westen.

Damit auch wirklich nichts schiefgeht, kündigten einige Radio-Stationen aus San Francisco nun sogar an, den Welthit der neulseeländischen Sängerin Lorde, "Royals", für die Dauer der Word Series aus dem Programm zu verbannen.

Geht es nach den Kansas City Royals, darf das auch nach den kommenden zwei Wochen so bleiben.

 

Kevin Bell