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Marchionne will auch Ferrari regieren

Marchionne will auch Ferrari regieren

Er wird geschätzt und gefürchtet: Sergio Marchionne, der im Juni zehn Jahre an der Spitze des Autobauers Fiat gefeiert hat, unternimmt einen weiteren Schritt, um sein Imperium zu konsolidieren.

Der Italiener mit kanadischem Pass feuerte den langjährigen Präsidenten von Ferrari, Luca Cordero di Montezemolo, und übernimmt jetzt selbst die Führung des Sportwagenherstellers aus Maranello.

Nachdem er erst vor wenigen Wochen die Fusion mit dem US-Partner Chrysler unter Dach und Fach brachte, macht Marchionne jetzt einen weiteren Schritt, um Fiat zu einem Weltkonzern mit Zukunftsperspektiven umzuwandeln. Sein Ziel ist es, aus Ferrari und den anderen Fiat-Töchtern Maserati und Alfa Romeo ein Schwergewicht in der internationalen Produktion von Luxusautos zu machen.

Scherbenhaufen

Als im Juni 2004 der damals 51-jährige Marchionne sein Büro in Turin bezog, kannte ihn kaum jemand. Beim Zertifizierungs-Weltmarktführer SGS war er Chef, bevor er zu Fiat gerufen wurde.

In Turin fand der Sohn eines Carabiniere aus der bergigen Abruzzen-Region, der mit 14 Jahren nach Kanada ausgewandert war, eine katastrophale Lage vor.

Seit wenigen Tagen war der Verwaltungsratschef und letzte Patriarch der Dynastie der Fiat-Eigentümer Agnelli, Umberto Agnelli, gestorben. CEO Giuseppe Morchio, der anstelle des Verstorbenen zum neuen Fiat-Verwaltungsratschef aufrücken wollte, war aus Protest zurückgetreten, weil ihm die Agnelli-Erben den Karrieresprung verweigert hatten. Zwei Millionen Euro pro Tag verlor der Konzern, der an den Rande des Abgrunds geraten war. Marchionne stand vor einem Scherbenhaufen.

Gerne unkonventionell

Ein Jahrzehnt später sieht die Lage ganz anders aus. Mit hartem Sparkurs und neuen Automodellen gab Marchionne dem Bankrott-Kandidaten seinen Stolz als italienische Traditionsfirma wieder zurück. Für den Mann mit dem runden Gesicht und der Brille, der gerne unkonventionell auftritt, aber intern mit harter Hand und kompromisslosem Verhalten regiert, war dies nur der erste Schritt. Nach einem Streit mit dem Wiener Manager Herbert Demel übernahm Marchionne 2005 persönlich die Führung der Fiat-Autosparte.

Schon wenige Monate nach seiner Ankunft in Turin verkündete Marchionne seine Visionen: Künftig werde es nur noch fünf oder sechs große Autobauer auf der Welt geben. Seine Überlebensstrategie für den kriselnden Autobauer hat der selbstbewusste Manager, der auch vor einem hochkarätigen Auditorium im Wollpullover auftritt, in diesen Jahren knallhart umgesetzt.

Dabei scheute er sich nicht vor unpopulären Beschlüssen, um Fiat zu sanieren, interne Bürokratie abzubauen und die Entwicklungszeiten für neue Modelle drastisch zu reduzieren. Er richtete das gut 100 Jahre alte Unternehmen neu aus und führte es zurück in die schwarzen Zahlen. Vor allem die Kooperation mit dem US-Konzern Chrysler, den Fiat im Jänner komplett übernommen hat, erwies sich als der erfolgreichste Drahtseilakt in Marchionnes spektakulärer Karriere.

Nicht nur Freunde

Der Vater zweier Töchter, der auf dem internationalen Parkett überall gut ankommt und auch von US-Präsident Barack Obama wegen Chryslers Sanierung überschwänglichen Lob erntete, hat auch viele Feinde.

Sein überdurchschnittlicher Ehrgeiz, der zwar anregend, aber zuweilen auch fordernd und aggressiv wirkt, hat ihm vor allem Probleme mit dem linken Gewerkschaftsverband FIOM eingebracht, der in Italiens Fiat-Produktionswerken das Sagen hat.

Auch bei den Arbeitnehmern ist Marchionne wegen seiner Vorgehensweise, die die Rolle der Gewerkschaften wenig berücksichtigt, nicht besonders populär. Die italienische Belegschaft befürchtet vor allem, dass nach der Chrysler-Übernahme fünf italienische Standorte schrittweise abgebaut und ins Ausland verlegt werden könnten. Scharfe Kritik zog sich Marchionne auch mit dem Beschluss zu, den Firmensitz von Turin nach London zu verlegen.

Bestbezahlter Manager

"Nach der Fusion mit Chrysler ist Fiat ein wirklich globaler Konzern geworden. Natürlich ist er nicht mehr derselbe Autobauer wie vor Marchionnes Ankunft. Doch hätte es einen anderen Weg gegeben, Fiat zu retten?", fragt der Industriehistoriker Giuseppe Berta. Sergio Chiamparino, Präsident der Region Piemont und ehemaliger Turiner Bürgermeister, lobt Marchionne wegen seines Sanierungstalents.

"Marchionne hat nicht nur den Weg gefunden, Fiat zu retten, sondern auch, daraus einen Weltkonzern zu machen. Er hat gleichzeitig eine Strategie entwickelt, um die Arbeitskräfte flexibler einzusetzen und dem globalen Wettbewerb effizienter standzuhalten", so Chiamparino.

Marchionne, der Italiens bestbezahlter Manager ist, bekundete kürzlich, dass er zumindest bis 2017 bei Fiat im Sattel bleiben wolle. Er werde die Fusion mit Chrysler konsolidieren und einen ambitionierten Entwicklungsplan mit der Produktion mehrerer neuer Modelle im Luxussegment umsetzen. Marchionnes Erfolgshunger scheint noch nicht gestillt. Sein Ziel sei es, Fiat als zweiten Autokonzern nach Toyota - auf Augenhöhe mit Volkswagen- zu etablieren, heißt es in Turin. Der Weg dahin ist allerdings noch weit. Der ehrgeizige Marchionne kann sich auf weitere Herausforderungen freuen.