Kurz nach 20:00 Uhr Ortszeit gelang Serbiens U20-Nationalmannschaft etwas Historisches.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes durfte man einen Weltmeister-Pokal in die Luft stemmen.
Das Finale im neuseeländischen Auckland gewann die Auswahl von Trainer Veljko Paunovic gegen die Alterskollegen aus Brasilien mit 2:1 nach Verlängerung. Da nützte es der jungen „Selecao“ auch nichts, dass man als vermeintlicher Favorit ins Endspiel ging.
Der Marktwert der Südamerikaner wird auf 31,23 Millionen Euro geschätzt, der Serbiens dagegen „nur“ auf 20,18 Millionen Euro. Doch einmal mehr zeigte sich, dass die richtige Taktik oft mehr Wert ist, als die individuelle Klasse.
Junger Coach
Dies verinnerlicht auch Paunovic. Der Coach der Serben ist gerade einmal 37 Jahre alt, seit 2012 ist er in den Nachwuchs-Auswahlen des Verbandes beschäftigt. Die U20 übernahm er vor ziemlich genau einem Jahr.
Der langjährige Spanien-Legionär (u.a. Atletico Madrid und RCD Mallorca) schafft im Nachwuchs das, was in der Kampfmannschaft nicht gelingt – er schweißt sein Team zusammen. „Wir haben eine Grundidee, und die besteht darin, dass jeder Einzelne sein gesamtes Potenzial in den Dienst der Mannschaft stellt“, unterstreicht Paunovic auf „fifa.com“.
Die großen Nachwuchs-Stars hat der frühere Mittelstürmer auch nicht zur Verfügung. Im Gegensatz zu Final-Gegner Brasilien, bei denen die Spieler unter anderem im Nachwuchs von Real Madrid, Manchester United oder Olympique Marseille kicken, greift Paunovic zum Großteil auf Spieler aus der heimischen Liga zurück. Ausnahmen, wie Tottenhams Milos Veljkovic, bestätigen hier die Regel.
Mehr als nur Fußball-Trainer
Der große Erfolg in Neuseeland ist auf die langfristige Arbeit von Paunovic zurückzuführen. „Was ich meiner Mannschaft vermitteln möchte, sind vor allem moralische Werte und das Rüstzeug, um guten Fußball zu spielen. Auf dem Platz sollen die Spieler ihre eigenen Entscheidungen treffen und das umsetzen, was sie im Training gelernt haben“, erklärt der 37-Jährige.

Dass ihm die Ausbildung der Youngsters derart am Herzen liegt, hat einen persönlichen Hintergrund: „Meiner Generation mangelte es an einem guten Nationaltrainer und an einem guten Projekt. Die Lage im Land war schwierig. Wir befanden uns im Kriegszustand.“
„Es geht nicht nur darum, dass sie gute Fußballer sein sollen, sie sollen auch gute Menschen sein. Nur so können sie ihr Potenzial ausschöpfen. Beide Komponenten gehören untrennbar zusammen", ist sich Paunovic seiner Vorbild-Wirkung bewusst.
Die Wiederauferstehung
Der Weltmeister-Titel Serbiens ist Balsam für die Seele der Fußballfans, nachdem die Profis in den letzten Jahren stets hinter den Erwartungen zurückblieben. Bestes Beispiel ist die EM-Qualifikation, in der man in der Gruppe I bislang lediglich einen Zähler holte und dadurch am letzten Platz hinter Armenien und Albanien liegt.
Am Spielermaterial liegt das allerdings nicht. Stars wie Nemanja Matic, Branislav Ivanovic oder Lazar Markovic hätten das Potential für deutlich mehr. Für Veljko Paunovic ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich Serbien wieder in der Weltspitze etabliert.
„Eine neue Generation von Trainern und Spielern reift heran. Wir erleben also eine Art Wiederauferstehung des serbischen Fußballs. Und wir setzen Zeichen, die belegen, dass wir wieder da sind“, ist sich der Erfolgs-Coach sicher.
Top-Teams warten
Mit dem Turniersieg haben sich die U20-Kicker natürlich auch in die Auslage der europäischen Topklubs gespielt. Andrija Zivkovic wäre beispielsweise einer, der Star-Potential besitzt. Der 18-jährige Flügelspieler ist noch in der Heimat bei Partizan Belgrad engagiert und zählte zu den Leistungsträgern des U20-Teams.
Doch nicht nur für die aktiven am Feld war der Sieg über Brasilien ein internationales Bewerbungsschreiben. Auch Paunovic setzte seine ersten Duftmarken in der großen Fußballwelt.
Julian Saxer