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Derby of Love - Fan-Potenzial, Kult und Tradition

Derby of Love - Fan-Potenzial, Kult und Tradition

Es muss Liebe sein!

Auf der einen Seite das „schwoaz-weiße Gschau“ des Wiener Sportklubs, der altehrwürdige Vorstadtverein, die „Liabschoft aus Hernois“.

Auf der anderen der 1894 gegründete und damit älteste Fußballverein Österreichs, die Vienna, die als Rivale des Vienna Cricket Club hervorging und dem noblen Döbling einen besonderen, gelb-blauen Charme verleiht.

Die Wege der beiden Kultklubs sind unweigerlich miteinander verbunden. Nicht auszudenken, ob es den einen ohne den anderen überhaupt noch geben würde.

Miteinander statt gegeneinander

Was aufgrund des sportlichen Wettbewerbs und der geografischen Nähe innerhalb weniger Kilometer eine Konkurrenzsituation und Rivalität hervorruft, entwickelte sich über Jahre zum freundschaftlichen Miteinander und zur Verschmelzung fußballerischer Idealvorstellungen.

Das Gegeneinander überlässt man mittlerweile den früheren Ligakonkurrenten Rapid und Austria, beim WSK und der Vienna steht das Miteinander im Vordergrund.

Nach sechs Jahren wieder vereint in ein und derselben (Regional-)Liga, werden die Pflichtspiel-Wiedersehen überschwänglich zelebriert.

Nach dem 0:0 im Herbst auf der Hohen Warte kehrt das liebevoll genannte „Derby of Love“ wieder auf die 1904 eröffnete Kultstätte an der Alszeile zurück, den Sportclub-Platz.

Fan-Potenzial mit unerwarteten Ausmaßen

Ließen sich schon im ersten Saisonduell rund 6.000 Zuschauer das Duell der beiden Wiener Traditionsvereine nicht entgehen, übersteigt die Euphorie vor dem Rückspiel im 17. Bezirk jegliche Vorstellungskraft.

Wenn die beiden über die Jahre gezeichneten Klubs mit Kultpotenzial am Freitag die Klingen kreuzen, wird der älteste noch bespielbare Fußballplatz Österreichs mit über 7.000 Besuchern (Anm.: wie schon im Test gegen AS Roma) zum Bersten gefüllt sein.

Der Sportclubplatz ist der älteste Fußballplatz Österreichs

Das Potenzial dieses ewig jungen Schlagers ruft sogar das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf den Plan, das erstmals eine Partie der dritten Spielklasse live ausstrahlen wird. Noch dazu im Vorprogramm des ÖFB-Länderspiels gegen Liechtenstein, bei dem im Vaduzer Rheinpark-Stadion lediglich 6.300 zugelassen sind.

Aufgrund der im Vergleich dazu katastrophalen Zuschauerzahlen einiger Bundesligisten durchaus verständlich.

Ausmaße, die man im Schatten der berühmtberüchtigten Friedhofstribüne lange Zeit nicht mehr erlebt hat, geschweige denn, wovon man zu träumen gewagt hat.

Sanierungsbedürftige Kultstätte erinnert an Erfolge

Die Heimstätte des Sportklubs ist in die Jahre gekommen, von Schimmel befallen und baufällig.

Englische Atmosphäre, Sitzreihen bis an den Spielrand und das mitten im dicht verbauten Siedlungsgebiet machen den Sportplatz unverwechselbar.

Eine Sanierung wurde zwar bereits zugesichert, doch die Mühlen mahlen in der Sportstadt Wien bekanntlich langsam. Alles in allem ist es aber nur ein Beispiel dafür, warum der beliebte Verein heutzutage nur ein Schattendasein fristet.

Nur wenige der treuen Anhänger haben die drei österreichischen Meistertitel der Jahre 1922, 1958 und 1959 live miterlebt, noch immer spricht man vom 7:0-Sensationssieg 1958 im Europacup der Landesmeister gegen Juventus Turin.

Legenden wie Erich Hof wurden geboren, große Namen wie Hans Krankl, Felix Gasselich, August Starek, Christian Keglevits oder Peter Pacult schnürten sich ebenfalls die Fußballschuhe für die Schwarz-Weißen.

Regionalliga als Höchstes der Gefühle

Nach turbulenten Jahren mit zwei Konkursen sowie Ups and Downs nahm mit Abschluss der Saison 1993/94 der endgültige Absturz aus dem Spitzenfußball in die Bedeutungslosigkeit seinen Lauf.

Der unliebsamen Spielgemeinschaft mit SV Gerasdorf sowie der Abspaltung der Fußballsektion 2001 folgte ein kurzes Aufflackern mit einer Saison in der zweithöchsten Spielklasse 2002/03 mit dem sofortigen Wiederabstieg.

Seitdem sucht man vergeblich das Licht am Ende des Tunnels, die sportliche Situation gleicht dem düsteren Flackern der Kerzen am benachbarten Dornbacher Friedhof.

Da sowohl sportlich, als auch finanziell die Mittel fehlen, hat man sich längst mit der Regionalliga abgefunden. Die Vienna versüßt diesen tristen Alltag abseits des Schwelgens in Erinnerungen an glorreiche Zeiten.

Im "Naturstadion" Hohe Warte ist die Vienna zu Hause

Ende der Unabsteigbar-Tour zum 120-jährigen Jubiläum

Viel mehr zu lachen hat der nördlich gelegenere Konkurrent auch nicht. Nach fünf Jahren in der Ersten Liga wurde die langjährige Unabsteigbar-Tour im vergangenen Jahr beendet.

Von Glanz und Glorie war eine Klasse höher auch keine Spur, meist entschieden wenige Punkte über den Klassenerhalt, ehe das Jubiläum zum 120-jährigen Bestehen wieder im Beisein der guten alten Bekannten des Wiener Sportklubs begangen wurde.

Von der Bundesliga, sechs österreichischen Meistertiteln in den Jahren 1931, 1933, 1942, 1943, 1944, 1955 sowie den Cupsiegen 1929, 1930, 1937 träumt schon längst keiner mehr.

Legenden wie Karl Decker oder Mario Kempes streiften ebenso das Trikot der Döblinger über wie Hans Krankl, Andreas Herzog, Michael Konsel, Peter Stöger oder Ivica Vastic.

Im Naturstadion zu neuer Lizenz?

Mit der 1921 als größtem und modernstem Fußballstadion Kontinentaleuropas eröffneten Hohen Warte hat man zwar nicht so eine an die englischen Verhältnisse erinnernde Heimstätte wie der Sportklub, jedoch aufgrund des Prädikats „Naturstadion“ ein Alleinstellungsmerkmal in Wien.

Einen Nackenschlag setzte es nach der Saison 2000/01, als man erstmals in der Vereinsgeschichte in die Drittklassigkeit abrutschte, während der Vorletzte SV Braunau nur wenige Monate später den Spielbetrieb einstellte.

Nach dem neuerlichen Abstieg im Sommer 2014 hat man die Hoffnung auf die baldige Rückkehr in die Erste Liga jedoch noch nicht aufgegeben.

Obwohl die Rede davon war, möglicherweise auf einen Lizenzantrag zu verzichten, wurden die Unterlagen doch noch eingereicht.

Fußballfest als Folge der guten alten Zeiten

In der aktuellen Saison stehen die Blau-Gelben um einiges besser da als der kommende Derby-Gegner. Platz zwei, jedoch schon zwölf Punkte hinter Aufstiegskandidat Nummer eins Ritzing, sprechen für die von Hans Slunecko betreute Elf.

Der Sportklub unter der Führung von Johannes Uhlig rangiert acht Punkte dahinter auf Rang elf. Zuletzt machte man sich mit der fragwürdigen Suspendierung von Vereins-Ikone und Publikumsliebling Sertan Günes keine Freunde und tat sich auch sportlich keinen Gefallen.

Anders als im Herbst ist es aufgrund der Ausgangsposition jedoch nicht möglich, dass die Fans die Zeilen „Die Vienna ist noch immer hinter uns“ anstimmen.

In Anbetracht der Tradition, der Geschichte und der Verbundenheit der beiden Vereine wird es aber – unabhängig vom Ausgang der Partie – ein Fußballfest der besonderen Art.

Rekordkulisse und ein schwarz-weiß mit blau-gelb verschwimmendes Fan-Meer im Anschluss beim gemeinsamen Umtrunk auf der Alszeile – auch so kann Fußball sein.

Zwischen dem Sportklub und der Vienna muss es eindeutig Liebe sein!


Alexander Karper