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"Wir müssen den inneren Schweinehund überwinden"

Wer dieser Tage in den Sportteil einer walisische Zeitung schaut, wird kaum etwas über das Fußballspiel Wales gegen Österreich finden.

Der Six Nations Cup, die inoffizielle EM im Rugby, läuft - und das zieht mehr als ein Testspiel im Fußball. Vor allem wenn sich Wales in Runde eins zu Hause Irland 22:30 geschlagen geben muss. Das Spiel war am Samstag, noch am Dienstag macht der Sportteil der "South Wales Evening Post" damit auf.

Auch in Österreich gibt es mit der Ski-WM in Schladming dieser Tage ein Ereignis, das den Löwenanteil der Berichterstattung einnimmt.

Nebenschauplatz mit großer Bedeutung

Nichtdestoweniger ist für Österreichs Fußball der Start ins Länderspiel-Jahr 2013, in dem die Würfel ob der WM-Qualifikation fallen, sehr bedeutend.

Denn im Liberty Stadium soll es passieren. Endlich wieder.

Dort, wo das 2010 im Alter von nur 22 Jahren verstorbene ÖFB-Talent Besian Idrizaj sein letztes Pflichtspiel gespielt hat, will sich Österreichs Nationalteam befreien. Von den Fesseln der Auswärtsschwäche lösen.

Koller will ersten Auswärtssieg

In den vergangenen 20 Partien, die das rot-weiß-rote Team in der Fremde absolvierte, gewannen sie nur zwei: Ein Testspiel mit Ach und Krach in Liechtenstein (2:1) und ein bedeutungsloses EM-Quali-Spiel in Aserbaidschan (4:1).

Am Mittwoch soll an der walisischen Küste, in der laut des Dichters Dylan Thomas "hässlichen, liebenswerten Stadt" Swansea wieder ein Auswärtssieg gelingen. Es wäre der erste unter Marcel Koller im dritten Versuch, nach Spielen in der Ukraine (1:2) und Kasachstan (0:0).

Vor fast acht Jahren wohnten Andreas Ivanschitz und Emanuel Pogatetz, die beide am Mittwoch wohl Ersatz sein werden, dem letzten bedeutungsvollen Auswärtssieg bei, dem 2:0 in der WM-Quali - in Wales.

„Österreich hat in den vergangenen zwölf Jahren nur sechs Spiele auswärts gewonnen. Da müssen wir zulegen, wenn wir weiterkommen wollen", erklärt Koller, der auch das Rezept dafür kennt.

"Wir müssen uns mehr wehren, überall eine Schippe drauflegen, speziell in Auswärtsspielen, weil das einfach von Natur her schwieriger zu spielen ist.“

Ein atmosphärischer Test

Der Test dient als Probe für das Gastspiel am 26. März in Irland. Es soll in erster Linie ein atmosphärischer Test sein, denn eins zu eins könne man das nicht testen. "Dafür sind die Mannschaften auch zu unterschiedlich, Irland auch ein wenig stärker", weiß Koller.

Das Wetter, wie es sich am Dienstagabend beim Abschlusstraining präsentierte, dürfte aber schon zum richtigen Gradmesser werden. Nass, kalt, etwas regnerisch - typisch britisch eben.

An der Temperatur soll es nicht scheitern, denn seine Spieler zeigen sich auf Temperatur: "Die Jungs sind heiß und diesen Zusammenhalt, diese Aggressivität müssen wir auf dem Platz zeigen, dann haben wir auch die Qualität, das Spiel für uns zu entscheiden.“

Überhaupt ist es das Motto, gegen den Gegner, der nicht nur wegen Tottenham-Star Gareth Bale (seine Vita) keineswegs unterschätzt wird, "gemeinsam Lösungen zu finden."

"Klar ist es eine Mentalitätenfrage"

Und es sei eine Mentalitätenfrage, auch einmal bei einem Gastspiel die Qualitäten auf den Platz zu bringen.

"Klar ist es auch eine Mentalitätenfrage. Wir müssen einfach unseren inneren Schweinehund überwinden", gibt der Schweizer die Marschroute vor.

"Zuhause fühlt man sich wohler, da setzt die Heimmannschaft Druck auf. Das muss dir als Auswärtsteam natürlich bewusst sein. Da muss man einfach auch präsent sein", setzt der 52-Jährige nach.

Wer ab 20:45 Uhr im rund 20.000 Zuschauer fassenden Liberty Stadium präsent sein wird, das lässt der Teamchef wie immer gekonnt offen. Zu viel experimentiert würde aber nicht werden, zu wichtig sei der Auftakt. Doch heißt das nicht im Umkehrschluss, dass dies die Elf für Irland sei.

"Da ist noch viel Zeit hin, davor haben wir auch das Färöer-Heimspiel", so Koller.

Einige offene Fragen ergeben sich aber von selbst, denn mit David Alaba gibt es ein Sorgenkind. Sein Einsatz entscheidet sich wegen einer Muskelblessur erst am Matchtag. Beim Abschlusstraining stand er zumindest am Feld.

Aber gut möglich, dass wegen der kommenden Bayern-Aufgaben kein Risiko eingegangen werden darf und Julian Baumgartlinger neben Christoph Leitgeb, der zuletzt gegen die Elfenbeinküste spielte, aufläuft.

Sorgenkinder Alaba und Fuchs

Sorgenkind Nummer zwei ist Christian Fuchs, der zwar die Oberschenkel-Probleme ad acta legen konnte, dafür aber nun eine Verkühlung hat. Dem Abschlusstraining wohnte der Schalke-Legionär bei, aber von der Bank aus. Seinen Angaben zufolge, wäre der ÖFB-Kapitän aber für einen Einsatz bereit.

Ins Tor wird Robert Almer nach dem Patzer von Heinz Lindner gegen die Ivorer zurückkehren, Aleksandar Dragovic dürfte neben Sebastian Prödl die Innenverteidigung bilden und damit Emanuel Pogatetz, der sich am Dienstag über seinen Wechsel zu West Ham den Medien gegenüber ausschwieg, für dieses Spiel verdrängen. Florian Klein könnte wieder wie beim 4:0 gegen Aserbaidschan rechts statt György Garics spielen.

Während Zlatko Junuzovic im offensiven Zentrum ebenso Fixstarter wie Werder-Teamkollege Marko Arnautovic links am Flügel ist, könnte Andreas Weimann sein Startelf-Debüt auf der anderen Seite geben.

Janko oder Hosiner?

Das spielt der England-Legionär aktuell auch bei Aston Villa. Am Neujahrstag durfte sich der 21-Jährige hier in Swansea, wo Ex-Salzburger Gerhard Tremmel in der Premier League hütet, auch über einen Treffer und einen Assist beim 2:2 freuen. Als Mittelstürmer.

Auch das wäre eine Möglichkeit, doch da werden sich wohl eher Marc Janko, der bei Trabzonspor kaum zum Zug kommt, und Bundesliga-Star Philipp Hosiner matchen. Letzterer ist erstmals unter Koller dabei.

"Das lassen wir noch dahingestellt", lässt der Teamchef offen, wie viel Spielzeit Hosiner, der dem Eidgenossen im Training gefallen hat, bekommt. Im Montagtraining in Wien durfte sich Hosiner aber schon mal als Solospitze versuchen.

Versuchen will Österreich in jedem Fall einen gelungenen Auftakt ins neue Jahr. Auswärts bestehen heißt das Motto, genauso wie gut beginnen. Damit sich der Kreis schließen kann. Mit einem erfolgreichen Auftritt und dem WM-Ticket nach Brasilien.

 

Aus Swansea berichtet Bernhard Kastler