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"Die Erfahrung kommt mit den grauen Haaren"

In Österreich kann es bekanntlich ungewohnt schnell gehen.

Zwischen empörter Kritik nach der Bestellung und – übertrieben formuliert – messiashafter Huldigung liegen bisweilen nur fünf Wochen seriöser Arbeit samt fünf Tage gezielter Vorbereitung auf ein Länderspiel.

So zumindest im Fall von Marcel Koller. Auch dem Schweizer ist aufgefallen, dass seine Arbeitsweise auf durchaus positive Resonanz stößt.

Dass er die Probleme des österreichischen Nationalteams quasi per Handauflegen löst, ist jedoch beileibe nicht zu erwarten.

„Heißt noch lange nicht, dass man drei Punkte holt“

„Ich habe das in dieser Woche mitbekommen und möchte das auch vermitteln: Nur weil wir jetzt eine gute Stimmung im Team haben und sich das Ganze vielleicht sehr gut anfühlt, heißt das noch lange nicht, dass man gleichzeitig drei Punkte holt“, warnt der ÖFB-Teamchef vor einer überzogenen Erwartungshaltung vor seinem Einstand am Dienstag in der Ukraine.

Der 51-Jährige geht seinen neuen Job sehr strategisch an, verfolgt einen strikten Plan. Und der sieht, wie er immer wieder betont, vor, die Spieler schrittweise mit seiner Idee des Fußballs vertraut zu machen.

„Die Spieler nicht vollfrachten“, heißt es im Koller’schen Sprachgebrauch, wenn er seine Schützlinge nicht mit einer Überdosis an neuen Informationen überfordern will.

„Man kann nicht nach fünf Tagen schon sagen, dass alles drinnen ist und eins zu eins umgesetzt werden kann. Das wäre der helle Wahnsinn, wenn das passieren würde“, ist sich der Eidgenosse selbst bewusst.

„Habe viele Ideen, wie das Ganze schlussendlich aussehen soll“

Was nicht heißen soll, dass Koller nicht genau wissen würde, auf welches Level er das Team in den kommenden Monaten führen will:

„Ich habe viele Ideen, wie das Ganze schlussendlich aussehen soll. Es ist aber nicht möglich, das in einer Woche mitzugeben. Vorher wurde vielleicht lange das gemacht, und ich möchte es ein bisschen anders. Wenn du dann zu viel machst, ist es auch nicht gut. Also haben wir nur punktuell das eine oder andere mitgegeben, was wir offensiv und defensiv sehen möchten. Das wird dauern, das wird nicht so schnell gehen. Am Dienstag wird man vielleicht das eine oder andere sehen, aber nicht das Ganze. Das ist viel zu früh.“

„Arnautovic ist erst 22!“

In diesem Kontext passt es ganz gut, dass Marko Arnautovic über sich selbst gemeint hat, dass er sich inzwischen erwachsener fühle. Eine Aussage, die Koller mitbekommen hat und deshalb aufgreift:

„Wenn er sagt, er sei ein bisschen erwachsener, bin ich überzeugt, dass irgendwann noch ein bisschen mehr dazu kommt. Ich denke, wir vergessen auch immer wieder, dass er ein junger Spieler ist. Marko ist erst 22! Wenn ich Artikel über ihn lese, bekomme ich manchmal das Gefühl, er ist 30.“

„Ich bin voller Adrenalin“

In den wenigen ruhigen Minuten in dieser Woche hat sich der Schweizer selbst schon Gedanken darüber gemacht, wo die Unterschiede zu seiner bisher gewohnten Arbeit als Klub-Trainer liegen.

Seine Erkenntnis: „Im Moment fühle ich mich so, als ob ich als Klub-Trainer auf einem Trainingslager wäre. Ich bin morgens bis abends mit Terminen vollgepackt, habe nebenbei gar keine Zeit, aber ich bin voller Adrenalin und guten Mutes. Es macht sehr viel Spaß.“

Der größtmögliche Spaß wird wohl erst dann eintreten, wenn er den ÖFB-Kickern alle seine Ideen vermittelt hat. Bis dahin ist Geduld gefragt…

Peter Altmann

Der Schweizer betont, dass dies Geduld erfordere - ein in den letzten Jahren rund um das Nationalteam oft strapaziertes Wort, gleichzeitig eine am Beginn einer neuen Teamchef-Ära aber unabdingbare Eigenschaft.

„Ich als Trainer brauche sehr viel Geduld, und ich weiß, dass die Medien sehr wenig Geduld haben. Das zusammenzufügen, ist auch die Schwierigkeit. Aber ich habe Verständnis für die Spieler, wenn am Dienstag noch nicht alles so umgesetzt wird, wie ich das gerne hätte.“

„Trainer muss Spieler auf die Seite nehmen“

Dass eine gewisse Fehlertoleranz nicht gleichzeitig bedeutet, Ergebnisse zweitrangig zu erachten, stellt Koller jedoch auch klar. Aus seiner Sicht wäre ein Erfolgserlebnis zum Debüt wichtig:

„Die Ergebnisse sind wichtig, um Selbstvertrauen zu bekommen. Es nützt nichts, wenn du jedes Mal super spielst, aber am Ende keine Punkte mitnimmst oder verloren hast. Das ist mir schon bewusst. Es muss auch den Spielern bewusst sein, dass man Ergebnisse holen muss, um auch diese Festigkeit und Kompaktheit reinzubringen.“

Während Koller die Fähigkeit zur Geduld unter Beweis stellen will, hat er nicht das Gefühl, dass seine Spieler zur Ungeduld neigen. Dass es jüngeren Menschen nicht schnell genug gehen könne, sei jedoch auch klar:

„Das ist von Natur aus so, weil sie noch nicht diese Erfahrung haben, hektisch sind, das Gefühl haben, man muss alles gleich erledigen. Man kann nicht sagen: ‚Okay, ich bleibe ein bisschen ruhig, lasse mir Zeit.‘ Diese Erfahrung kriegt man erst, wenn man vielleicht ein paar graue Haare bekommt, wenn man alles schon x Mal erlebt hat. Da ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass man als Trainer die Spieler auf die Seite nimmt und das auch erklärt, warum es so ist, weil ich ja die Erfahrung habe, und sie nicht.“