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"Die Ukraine hat sehr defensiv und kompakt gespielt"

Das erste Zusammentreffen mit Oleg Blochin in der Karriere des Marcel Koller verlief überschaubar positiv.

„1983 haben wir im Meistercup mit Grasshopper Zürich gegen Dynamo Kiew gespielt und sind leider ausgeschieden“, erinnert sich der Schweizer an sein erstes Kräftemessen mit dem einstigen Weltklasse-Stürmer.

Am Dienstag stehen sich die beiden in einem Teamchef-Duell gegenüber. Während Blochin die Ukraine auf die Heim-EURO vorbereitet, ist es für Koller das Debüt als Chefcoach des ÖFB-Teams.

Drei Tage vor dem Ankick hält sich das Lampenfieber vor der Premiere nach eigener Aussage noch in Grenzen: „Im Moment bin ich noch nicht nervös, aber ich hoffe, das kommt noch. Ich bin überzeugt, dass spätestens in der Kabine, bevor wir rausgehen, eine positive Anspannung kommt.“

„Ukraine hat ihre Stärken hervorragend umgesetzt“

Inwiefern das mehr als respektable 3:3 der Ukraine am Freitag im Testspiel gegen Deutschland ihn ruhiger schlafen lässt, sei dahingestellt.

Koller verfolgte beim gemeinsamen TV-Abend mit seinen Schützlingen, wie die Ukraine Joachim Löw beinahe die allererste Auswärtsniederlage als DFB-Teamchef zugefügt hätte.

Zur Pause lagen die Osteuropäer bei der Eröffnung des EM-Final-Stadions in Kiew immerhin mit 3:1 in Führung, wobei unsere Nachbarn jedoch mit einer Dreier-Abwehr aufliefen - ein Experiment, das nicht sonderlich gut funktionierte.

Wie viel Rückschlüsse das Auftreten gegen Deutschland auf das Duell mit Österreich zulässt, ist wiederum eine andere Frage.

„Die Ukraine hat gedacht, Deutschland ist Favorit. Daher hat sie von sich aus sehr defensiv und kompakt gespielt. Gleichzeitig haben sie ihre Stärken, mit schnellen Leuten nach vorne zu kommen, hervorragend umgesetzt. Genau in diesem Bereich haben sie ja auch die Tore erzielt“, analysiert Koller.

„Für mich hat sich in dem Sinn nichts verändert“

Darüber, wie die Blochin-Elf gegen Österreich auftreten dürfte, lieferten andere Partien vermutlich mehr Aufschlüsse. Koller berichtet, dass er zuvor schon auf DVD die Oktober-Siege der Ukraine in Estland (2:0) und gegen Bulgarien (3:0) gesehen habe:

„In diesen Spielen waren sie Favorit, da haben sie mehr das Spiel gemacht. Dass sie defensiv sehr gut und kompakt stehen, dass sie schnell zurückkommen, dass sie nach vorne Fußball spielen können, muss man nicht speziell erwähnen.“

Nachsatz: „Für mich hat sich in diesem Sinn nichts verändert, weil wir natürlich zuerst auf uns schauen müssen.“

„Wollen das Verschieben und die Taktik der Ukraine vermitteln“

Während der neu installierte ÖFB-Betreuerstab schon die ganze Woche über daran arbeitet, der Mannschaft Schritt für Schritt ihre Ideen näherzubringen, wird am Sonntag ein TV-Studium des Dienstags-Gegners auf dem Programm stehen.

„Wir werden noch ein paar Bilder zeigen, wollen unserem Team das Verschieben und die Taktik der Ukraine vermitteln. Da geht es vor allem darum, dass sie von den Standards, dem Spielaufbau und den Toren, die sie erzielt haben, ein Bild bekommen“, verdeutlicht Koller.

Vor Ort wurde der Ukraine-Test gegen Deutschland von Thomas Janeschitz beobachtet, mit dem der ÖFB-Teamchef bereits telefoniert hat und sich am Sonntagabend persönlich zusammensetzen wird.

Der Koller-Assistent zeigte sich besonders von Bayern-Legionär Anatolij Tymoschtschuk angetan. Ebenfalls eine gute Figur lieferte gegen den WM-Dritten der alternde Superstar Andrij Schewtschenko ab.

„Schewtschenko war und ist immer noch ein hervorragender Spieler“

Ob der 35-Jährige, der von chronischen Rückenproblemen geplagt wird, auch gegen das ÖFB-Team auflaufen wird, erscheint zumindest fraglich. Koller zieht jedenfalls den Hut vor der lebenden ukrainischen Fußball-Legende:

„Schewtschenko hat extrem viel Erfahrung. Er war und ist immer noch ein hervorragender Spieler. Natürlich muss man mit fortgeschrittenem Alter im Fußball schauen, wie es weiter geht. Wenn du älter bist, brauchst du mehr Erholungszeit. Aber allein mit seiner Erfahrung und seinen Bewegungen ist er ein absoluter Topspieler, der immer noch die Möglichkeit hat, Tore zu schießen.“

Unterm Strich wäre es keine Überraschung, wenn am Dienstag Österreich quasi in die „Ukraine-Rolle“ des Deutschland-Spiels schlüpfen und die defensiv orientiertere Mannschaft sein würde, während Blochins Schützlinge das Spiel machen.

Die Frage, ob dies wahrscheinlich sei, beantwortete Koller mit seinem neuen österreichischen Lieblingsbegriff: „A bisserl!“

Peter Altmann