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"Vielleicht redet man noch in 20, 30 Jahren darüber"

FRANKREICH WIR KOMMEN OIDÀ!

Copyright Marko Arnautovic. Origineller kann man einen historischen Fußball-Abend nicht auf den Punkt bringen.

Und ja, es war historisch, was sich in der Friends Arena zu Solna zutrug, auch wenn dieser Begriff medial gerne und vor allem inflationär verwendet wird.

4:1 in Schweden. Die Art und Weise. Österreichs erstmalige sportliche Qualifikation für eine Fußball-Europameisterschaft. Wie sollte man es anders einordnen?

Historisch. Unvergesslich. Verdient. Ein Abend, an dem scheinbar alles möglich war.

Sogar, dass der angeblich so unterkühlte und rationale Teamchef Marcel Koller in Abwesenheit von „Party-Animateur“ Arnautovic eine Polonaise auf dem Heimflug nach Wien anzettelte.

„Ich freue mich wie ein kleines Kind!“

Jener Teamchef, der bei den Feierlichkeiten nach dem Schlusspfiff von seiner Mannschaft auf Händen getragen und in luftige Höhen geworfen wurde.

„Man hat in seinem Gesicht gesehen, dass er ein bisserl Angst gehabt hat“, konnte sich Arnautovic ein wenig Schadenfreude nicht verkneifen.

Die ÖFB-Elf genoss die verdiente Krönung ihres eindrucksvollen und über die vielen Jahre durchaus auch von Rückschlägen gekennzeichneten Weges in vollen Zügen.

„Ein unglaubliches Gefühl! Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich tue mir noch schwer, das alles einzuordnen. Wer hätte sich das vorher gedacht, dass wir so durchmarschieren? Ich hätte es auch unterschrieben, wenn wir uns nur knapp qualifizieren“, jubelte Christian Fuchs.

Besonders emotional wurde der Kapitän, als er unter den hunderten Glückwünschen eine Botschaft seines kleinen Sohnes entdeckte: „Ich freue mich auch wie ein kleines Kind! Ich weiß gar nicht, wie lange ich dabei bin, es kommt mir wie Jahrzehnte vor und jetzt haben wir es endlich geschafft, uns für ein Turnier zu qualifizieren. Es war viel Aufwand und Arbeit in den letzten Jahren, jetzt haben wir uns belohnt.“

„Wir haben Geschichte geschrieben“

Ähnlich erging es Zlatko Junuzovic: „Es ist phänomenal! Man merkt, irgendwie ist heute etwas passiert. Wir haben Geschichte geschrieben. Es war das erste Mal, dass wir uns aus eigener Kraft für die EM qualifiziert haben. Noch dazu so souverän und dominant.“

Dass sich Österreich für die EM in Frankreich qualifizieren würde, war im Prinzip schon im Vorfeld des Schweden-Spiels allen klar, auch wenn sich die Mannschaft diesbezüglich einen Maulkorb auferlegt hatte. Auch die Wahrscheinlichkeit des Gruppensieges war eine sehr hohe.

Eigentlich gab es an einem nahezu perfekten Abend nur zwei Wermutstropfen. Einerseits natürlich das Ende der Torsperre von Robert Almer durch einen Treffer von Zlatan Ibrahimovic in der Nachspielzeit. Der endgültige Rekordwert beträgt nun 603 Minuten.

„Ich glaube, wir ärgern uns alle ein bisserl, weil wir uns im Vorfeld das Ziel gesetzt haben, die Null zu halten, denn mit null Gegentoren wären wir sowieso durch gewesen. Aber ich sage, bei 4:0 kann man ein Tor kriegen, gegen Ibrahimovic noch dazu. Das ist schon okay“, schmunzelte der Goalie.

Das zweite große Ärgernis war natürlich viel, viel gravierender. Fuchs vermisste bei den Feierlichkeiten den Alkohol. „Nix los hier! Es gibt kein Bier. Eine Frechheit. Nicht einmal für eine Bierdusche für den Präsidenten. Gemeinheit!“, polterte der Premier-League-Legionär mit einem Augenzwinkern.

Ibrahimovic: „Sie haben gezeigt, dass sie ein besseres Team sind als wir“

Der letzte Schritt, das Verwerten des ersten Matchballs, wurde umso mehr zu einem Statement, das alles, wofür diese Truppe in den vergangenen Wochen und Monaten stand, nicht besser hätte verdeutlichen können.

„Es war ein Wahnsinns-Spiel, eine Wahnsinns-Leistung von uns. Schöner kann man die Qualifikation nicht fixieren. Wir haben die Schweden hochverdient auseinandergenommen. Es hat fast alles gestimmt. Wir sind froh, dass wir es geschafft haben, und das Sahnehäubchen ist, wie wir es geschafft haben“, freute sich Sebastian Prödl.

Die liebe ÖFB-Familie

„Uns hat selbst ein bisschen überrascht, dass wir in Schweden 4:1 gewinnen. So hoch haben sie zu Hause selten verloren, aber es hätte auch höher ausgehen können“, meinte Junuzovic.

Um genau zu sein, war es Schwedens höchste Heim-Pleite seit dem 2:5  gegen Brasilien im WM-Finale 1958.

Ein oft gehörtes Wort an diesem Abend bezüglich Erfolgsgeheimnis war der von Arnautovic geprägte Begriff „Familie“, den der Stoke-Legionär erneut ins Spiel brachte: „Wir haben bewiesen, dass wir nicht nur eine Mannschaft sind, sondern eine Familie. Eine Familie versteht sich besser als eine Mannschaft.“

„Das ist kein Geheimnis, oder? Das wissen wir eh alle, dass die Stimmung sehr gut ist und wir uns alle wohlfühlen. Marko hat das schon richtig gesagt. Wir sind wie eine Familie. Das kann man außerhalb des Platzes gut sehen, aber – wie wir heute wieder einmal gezeigt haben – auf dem Platz auch“, bestätigte David Alaba seinen „Bruder“.

„Haben ein Ausrufezeichen in Richtung Europa gesetzt“

Auch Junuzovic gefällt diese Einordnung bestens: „Der Begriff trifft sehr gut zu, denn wir kennen uns schon ewig. Die meisten spielen schon jahrelang miteinander in verschiedensten Nationalmannschaften. Der Großteil hat schon von der U17 oder U19 weg zusammengespielt. Wir kennen uns in- und auswendig. Dass du so etwas erleben kannst, schweißt dich noch mehr zusammen. Wir genießen diesen Moment. Wir werden erst später realisieren können, was da vorgefallen ist. Vielleicht redet man auch noch in 20, 30 Jahren darüber. Man kann einfach stolz sein. Wir haben mit dieser Dominanz in der Gruppe ein Ausrufezeichen in Richtung Europa gesetzt.“

Was Wie, Wo, Wann
EM-Endrunde
  1. Juni bis 10. Juli 2016 in Frankreich
Orte Bordeaux, Lens, Lille, Lyon, Marseille, Nizza, Paris, St. Denis, Etienne, Toulouse
Teilnehmer erstmals 24 (bislang fix: FRA, ENG, CZE, ISL, <span style=\'color: #ff0000;\'>AUT)
Auslosung
  1. Dezember 2015 in Paris
Gruppen 6 zu je 4 Teams
Aufsteiger Beide Gruppenersten plus die vier besten Dritten
K.o.-Runde Achtelfinale startet ab 25.6.
Tickets Sind für die Fans der Teilnehmer nach der Auslosung wieder erhältlich
EM-Quali Rest 9.10. MNE (a), 12.10. LIE (h)
Test Mitte November in Österreich (wohl gegen die Schweiz)
TR-Lehrgang 21.3.-29.3. - zwei Tests möglich
Bundesliga Start 2016: Frühjahrsstart: 6.2. statt 13.2., MS-Ende am 15.5. statt 26.5.
Cup-Finale 21./22.5. statt 29.5.
EM-Vorbereitung Ende Mai, Abstellungspflicht: 30.5.
EM-Kader Bekanntgabe des 23-Mann-Kaders am 31. Mai

Bei der großen EM-Qualifikations-Party beim Oktober-Heimspiel gegen Liechtenstein sollten die ÖFB-Granden aber vielleicht nicht ihren feinsten Zwirn anziehen.

Zu diesem Zeitpunkt muss Schweden noch um die Reise nach Frankreich kämpfen. Diese darf PSG-Superstar Zlatan Ibrahimovic vorerst nur aus Vereinssicht antreten.

An Lob für die rot-weiß-rote Leistung mangelte es nach dieser Darbietung ohnehin nicht. Jenes aus seinem Mund ist jedoch definitiv viel wert: „Gratulation an Österreich. Sie haben gezeigt, dass sie ein besseres Team sind als wir.“

Peter Altmann