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"Wer sich mehr quälen kann, wird gewinnen"

Tarnen und täuschen.

Vor dem EM-Qualifikations-Schlager zwischen Russland und Österreich ist jede "Insider"-Information aus dem gegnerischen Lager Gold wert.

Also drehte Marcel Koller bei der offiziellen Abschluss-Pressekonferenz den Spieß um, nachdem er von einem russischen Journalisten zum verletzten Innenverteidiger-Veteran Sergey Ignashevich befragt wurde.

"Ich bin sehr gespannt. Wissen Sie mehr? Können Sie mir mehr erzählen?", nahm er den Reporter ins Kreuzverhör.

Der referierte brav: "Ignashevich hat schon fünf Trainings verpasst. Er bleibt im Hotel und macht Regenerations-Übungen. Bis jetzt ist nicht klar, ob er am Spiel teilnimmt oder nicht. Zurzeit ist er einer der wichtigsten Verteidiger in unserem Nationalteam. Deswegen kann der Faktor, ob er spielt oder nicht, einen Einfluss auf das Spiel nehmen."

"Harnik ist am Aufraffen"

Eine Antwort, die dem ÖFB-Teamchef wohl keine großartig neuen Erkenntnisse brachte, aber der Rollen-Tausch machte Koller sichtlich Spaß, also hakte er weiter nach: "Mich würde interessieren, ob es noch andere Spieler mit Problemen gibt. Wissen Sie noch mehr?"

Bevor der russische "Spion" tatsächlich neue Erkenntnisse auspacken konnte, beendete der Schweizer dieses Spielchen jedoch und belohnte seinen Informanten mit der erwünschten Antwort zu Ignashevich:

"Ein sehr erfahrener Spieler mit sehr vielen Länderspielen, er hat ja auch in Wien ein sehr gutes Spiel abgeliefert. Wenn er nicht spielen kann, ist das natürlich schon ein Faktor, den man berücksichtigen muss. Aber ich denke eher für meinen Kollegen Fabio Capello als für mich, weil er entscheiden muss, wen er dann aufstellt. Bei uns ist es so, dass wir natürlich schon auf den einen oder anderen Gegenspieler achten, aber für uns wichtig ist, unser eigenes Spiel zu spielen."

Auf Ignashevich wird Koller nicht achten müssen. Capello tat ihm den Gefallen und verriet, dass der Routinier fix ausfallen werde. Im ÖFB-Lager wiederum galt zuletzt Martin Harnik aufgrund von Rückenproblemen als Sorgenkind. "Bei Martin ist es so, dass er noch am Aufraffen ist. Wir müssen gucken, ob es geht", wollte der 54-Jährige keine Entwarnung geben.

"Ilsanker hat gute Karten"

Ansonsten hat Koller seine Startelf im Kopf, verrät sie jedoch wie gehabt nicht. Davon ausgehend, dass Harnik wie erwartet Grünes Licht gibt, sind jedoch keine großen Überraschungen zu erwarten. Vieles deutet darauf hin, dass Stefan Ilssanker den durch den Ausfall von David Alaba vakanten Platz im zentralen Mittelfeld einnehmen wird.

Schon in Wien sprang der zukünftige Leipzig-Legionär gegen die Russen ein, auch wenn dies für Koller keine große Rolle spielt: "Es ist nicht so, dass wir immer auf die Vergangenheit schauen können. Wenn etwas vor ein paar Monaten gut war, heißt das nicht, dass es jetzt auch noch gut ist. Aber er hat gute Karten. Seine Probleme mit dem Oberschenkel sind vollständig ausgeheilt. Er ist giftig und aggressiv. Das sind gute Voraussetzungen."

Der ÖFB-Coach feilte vor der Abreise nach Moskau bei den Trainingseinheiten in der Generali-Arena intensiv an der rot-weiß-roten Taktik und hofft, dass seine Schützlinge diese auf den Platz bringen.

Zusätzlich streute Koller gefühlt noch mehr motivatorische Rhetorik als gewohnt ein. Immer wieder sprach er davon, dass sein Team "beißen", "sich überwinden", "nochmal alles reinhauen" und "jeder für den anderen alles geben" müsse.

Welches Team quält sich mehr?

Dies ist tendenziell dem Termin zum Abschluss der Saison und den heißen Temperaturen geschuldet. In Moskau ist die Hitze weniger drückend als zuletzt in Wien. Am Matchtag werden jedoch auch Temperaturen bis zu 31 Grad erwartet, wobei es in den Abendstunden etwas abkühlen sollte.

Nichtsdestotrotz ließ der Schweizer keinen Zweifel daran aufkommen, dass es in der wunderschönen Otkrytije-Arena von Spartak Moskau nicht nur auf den Matchplan ankommen werde:

"Ich glaube, dass jenes Team als Erstes über die Ziellinie gehen wird, das sich mehr quälen kann, sich mehr überwindet, das mehr Kompaktheit hat, das überzeugter ist."

Den nochmaligen Tapetenwechsel nach der diesmal doch sehr langen Vorbereitung führte Koller diesbezüglich als Vorteil an, um durch den neuen Reiz zusätzliche Spannung aufzubauen.

Kein Spiel auf Unentschieden

Deswegen ist er überzeugt, dass es seine Auserwählten sind, die sich mehr quälen können: "Die Jungs haben immer wieder gezeigt, dass sie als Gemeinschaft alles rauskitzeln können. Es ist das letzte Spiel der Saison, ein sehr wichtiges Spiel. Wir wollen die erste Position verteidigen, da ist es wichtig, dass man Punkte holt. Dementsprechend fokussiert müssen wir sein. Ich bin überzeugt, dass unser Team das auf den Platz bringt."

"Russland hat ein sehr kompaktes, sehr gut organisiertes Team mit schnellen Einzelspielern und guten Technikern. Das wird schon eine harte Nuss", warnte Koller.

Dass Capello keinen Legionär zur Verfügung hat, betrachtet der Eidgenosse nicht als Fehlentwicklung: "Wir alle kennen die russische Liga nicht so gut, um sie genau beurteilen zu können. Ich kenne zumindest das Nationalteam - die Qualität, die sie im Kader haben, ist schon sehr gut. Es sagt nichts über die Russen aus, dass weniger von ihnen im Ausland spielen. Es ist auch genügend Geld vorhanden, um die Spieler bezahlen zu können."

Alaba in Gedanken beim Team

Sollte das ÖFB-Team aus Moskau etwas Zählbares mitnehmen, wäre dies auch sehr zur Freude des großen ÖFB-Abwesenden. Direkten Kontakt zu Alaba gab es laut Koller zuletzt nicht:

"Aber wir haben Kontakt über Facebook und WhatsApp - da sehen wir, was er gerade macht. Es ist wichtig, dass er seinen Urlaub genießt und frische Kräfte tanken kann. Wir wissen, dass er mit seinen Gedanken beim Team ist und uns unterstützen wird."

Peter Altmann

 

 #da27 #withher

Posted by David Alaba on Freitag, 12. Juni 2015

"Punkte" gibt es nur für einen Sieg. Darauf, auf ein Remis zu spielen, möchte sich die ÖFB-Elf gar nicht einlassen, wie der Teamchef am Samstag einmal mehr versicherte:

"Aus meiner Sicht ist es grundsätzlich schwierig, sich einzuigeln und zu versuchen, nur auf diesen einen Punkt zu spielen. Wir versuchen überall, ob zu Hause oder auswärts, das Team so einzustellen, dass wir auf die drei Punkte aus sind. Wenn wir dann schlussendlich vielleicht nur mit einem nach Hause kommen, passt das auch."

Laut Koller sei es bei einer reinen Defensiv-Taktik schwierig, im Falle es eines Gegentors mental umzuschalten und eine offensive Einstellung zu kreieren: "Wenn der Gegner ein Tor schießt, wollen wir reagieren können."

"Das wird eine harte Nuss"

Dass ein Unentschieden angesichts von fünf Punkten Vorsprung auf Russland wertvoll ist, weiß jedoch jeder im ÖFB-Team. Deshalb darf man sehr gespannt sein, wie sich die bisher schwierigste Aufgabe für Rot-Weiß-Rot auf dem Feld entwickeln wird.

Denn auch wenn bei Russland bislang nicht alles nach Wunsch verlaufen ist, ist der Respekt auf Seiten Österreichs vorhanden. Dafür spricht alleine schon die beeindruckende Serie von 21 Heimspielen der "Sbornaja" ohne Niederlage.