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"Freue mich auf erstes Gespräch mit Arnautovic"

Schon vor seinem offiziellen Amtsantritt am 1. November hat Österreichs neuer Teamchef Marcel Koller alle Hände voll zu tun.

Für den Schweizer, der am Dienstag endgültig nach Wien übersiedelt ist, stehen demnächst unter anderem die Fixierung seines Trainerstabs, die Kaderzusammenstellung für sein Debüt am 15. November in der Ukraine sowie die Konzeption einer ÖFB-Philosophie auf dem Programm.

Mit der APA sprach der 50-Jährige nicht nur über das künftige Spielsystem, sondern auch über seine persönliche Philosophie, seine Kritiker, seine Qualitäten als Trainer und Österreichs Chancen in der WM-Qualifikation.

Frage: Wie laufen die kommenden Tage als neuer ÖFB-Teamchef ab?

Koller: Ich werde am Donnerstag bei Sturm Graz gegen Anderlecht sein und am Wochenende bei Spielen der österreichischen Bundesliga im Stadion sitzen. Zusätzlich werde ich mit den Teamspielern in Kontakt treten, um meine Ideen zu vermitteln, damit sie dann bei der ersten Zusammenkunft schon wissen, wie das ablaufen wird. Auch mit den Bundesliga-Trainern werde ich sprechen.

Frage: Welches System passt am besten zur aktuellen Nationalmannschaft?

Koller: Das 4-2-3-1, das zuletzt gespielt wurde, ist sicher keine schlechte Variante. Es kann aber natürlich auch Verschiebungen geben.

Frage: Was kann ein gut funktionierendes System und eine intensive taktische Vorbereitung bringen?

Koller: Ich habe mit sogenannten kleinen Teams die Erfahrung gemacht, dass - wenn man optimal eingestellt ist, die eigenen Stärken und den Gegner genau kennt - die Kleinigkeiten wie taktische Maßnahmen oder eingeübte Standards entscheidend sein können.

Frage: Könnten diese Kleinigkeiten reichen, um in der WM-Qualifikation zu bestehen?

Koller: Da muss alles passen. Alle müssen in Topform sein, man braucht einen guten Start, um selbstbewusst auftreten zu können. Wenn wir in Brasilien dabei sein wollen, müssen wir mutig und clever sein.

Frage: Lautet das Ziel, bei der WM dabei zu sein, oder geht es vor allem um eine kontinuierliche Weiterentwicklung?

Koller: Es geht auf der einen Seite um die Entwicklung, aber wir wollen natürlich erfolgreich sein. Ich gehe nicht in eine Qualifikation, um ein bisschen mitzuspielen. Wir wollen das im Moment für das österreichische Fußball-Volk Unmögliche versuchen zu erreichen - auch mit dem Bewusstsein, dass wir nicht davon ausgehen können, dass wir jedes Match gewinnen.

Frage: Soll das Unmögliche mit der aktuellen Mannschaft geschafft werden oder haben Sie Spieler im Auge, die zuletzt keine Rolle gespielt haben?

Koller: Am Anfang werde ich sicher mit dem derzeitigen Stamm weiterarbeiten, möchte diese Spieler persönlich und auf dem Platz kennenlernen. Aber auch jeder andere, der aus meiner Sicht bereit für höhere Aufgaben ist, hat seine Chance.

Frage: Wer zählt für Sie im derzeitigen Team zu den Führungsspielern?

Koller: Ich möchte das nicht vorab öffentlich beurteilen. Im TV kann man gewisse Dinge sehen, aber für mich ist der persönliche Kontakt wichtig, und zu sehen, wie jeder Spieler auf dem Platz bereit ist zu arbeiten. Ich kann auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wer Kapitän sein wird.

Frage: Ihre Bestellung hat einigen Wirbel ausgelöst und gilt auch als Versuch, mit der "Verhaberung" im österreichischen Fußball aufzuräumen. Befürchten Sie, schon bei den ersten Misserfolgen von den alten Seilschaften bedrängt zu werden?

Koller: Ich kann das nicht beeinflussen, deswegen befasse ich mich auch nicht damit. Mein Fokus liegt darauf, das Team dorthin zu bringen, wo ich es haben möchte. Ich kann die Meinung dieser Leute nur durch gute Arbeit ändern. Wenn sie das Gefühl haben, dass ich einen guten Job mache, werden sie sich vielleicht anders äußern.

Frage: Werden Sie das Gespräch mit Kritikern wie Herbert Prohaska, Hans Krankl oder Kurt Jara suchen?

Koller: Mit Jara habe ich telefoniert, das ist schon aus der Welt geschafft. Und um die anderen werde ich keinen Bogen machen, sondern auf sie zugehen, wenn ich sie sehe, denn sie sind ja Fachleute, die als Spieler und teils als Trainer Karriere gemacht und immense Erfahrung haben. Da kann es von Vorteil sein, wenn man sich untereinander austauscht. Ich bin nicht nachtragend, werde mich aber auch nicht aufdrängen.

Frage: Was entgegnen Sie jenen Skeptikern, die Ihre zweijährige "Arbeitslosigkeit" als Trainer bemängeln?

Koller: Ich habe in dieser Zeit nicht Däumchen gedreht, sondern viele Spiele in Deutschland, Italien, der Schweiz und das eine oder andere Match auch in Österreich beobachtet, habe Workshops über Fußball und Psychologie besucht und mit Schweizer Nationalspielern zusammengearbeitet.

Frage: Die Kritik zielte vor allem in die Richtung, dass kein Österreicher Teamchef geworden ist. Welche Qualitäten haben Sie, die kein österreichischer Trainer vorweisen kann?

Koller: Das muss man diejenigen fragen, die mich engagiert haben.

Frage: Aber wie würden Sie persönlich Ihre Qualitäten einschätzen?

Koller: Ich arbeite konzentriert und konsequent auf mein Ziel hin, spreche viel mit den Spielern, gehe meinen Weg, will meine taktischen Ideen umgesetzt haben und greife auf dem Platz korrigierend ein. Ich will die Spieler von meinen Vorstellungen überzeugen, lasse aber auch andere Meinungen zu.

Frage: Inwieweit wird gegenüber des mit zusätzlicher Machtfülle ausgestatteten ÖFB-Sportdirektors Willi Ruttensteiner auch Durchsetzungsvermögen gefragt sein?

Koller: Für Kader und Aufstellung bin ich verantwortlich. Dass ich
regelmäßig Bericht erstatte, ist normal in einem großen Unternehmen.

Frage: Wie soll die durchgängige Spielphilosophie aussehen, die Sie
gemeinsam mit Ruttensteiner ausarbeiten werden?

Koller: Das wird in den nächsten Tagen passieren. Der ÖFB hat ja schon eine Philosophie, die wird jetzt mit meiner upgedatet.

Frage: Und wie sieht Ihre eigene Philosophie aus?

Koller: Entscheidend ist, dass man für das jeweilige System die Spieler braucht. Es bringt nichts, wenn ich ein System zwei Jahre übe, aber nicht die richtigen Spieler dazu habe.

Frage: Hatten Sie schon intensiveren Kontakt mit Marko Arnautovic?

Koller: Ich habe ihn nur kurz vor meiner Vorstellung begrüßt. Er ist ein interessanter Mensch, der sehr gute fußballerische Qualitäten hat. Ich freue mich schon auf unser erstes Gespräch.

Frage: Rund um Arnautovic gab es in der Vergangenheit immer wieder Spannungen im Team. Halten Sie es für sinnvoll, unter Rücksichtnahme auf das Mannschaftsklima auf individuell starke Spieler zu verzichten?

Koller: Für mich ist wichtig, dass jeder das Beste bringen kann, aber dass auch gewisse Richtlinien eingehalten werden und nicht jeder alles machen kann, sonst gibt es keine Ordnung auf dem Platz. Dann gibt es auch noch Richtlinien außerhalb des Platzes. Ich werde aber keine Vorverurteilung vornehmen, sondern mit ihm sprechen, um zu spüren, was er für ein Mensch ist und welche Ideen er hat.

Frage: Im Gegensatz zu Arnautovic gelten Sie als ruhiger und besonnener Mensch. Stimmt diese Einschätzung?

Koller: Ja. Aber wenn ich etwas nicht erreiche oder nicht das umgesetzt wird, was ich will, dann lernt man mich von einer anderen Seite kennen.

Frage: Inwieweit bringt es Sie aus der Ruhe, dass bereits in Ihrem Privatleben gestöbert wird?

Koller: Das kann man nicht verhindern. Jeder hat eine Vergangenheit, und ich habe nichts zu verbergen.

Frage: Ist diese Schweizer Gelassenheit der Grund dafür, dass Ihre Heimat in den vergangenen 20 Jahren viel erfolgreicher als Österreich war?

Koller: In den österreichischen Fußball war ich nicht involviert, daher kann ich dazu nichts sagen. In der Schweiz hat man festgestellt, dass man in den Nachwuchs investieren muss, eine Philosophie braucht und sie dann konsequent umsetzen muss. Die Österreicher sind da ja auch gerade dabei, aber geduldig zu sein ist eben nicht des Menschen Tugend.

Frage: Sie teilen Ihre Ansichten auch immer wieder über Ihre Facebook-Seite und Ihre eigene Homepage der Öffentlichkeit mit. Wäre eine ähnliche Web-Präsenz für jeden Trainer empfehlenswert?

Koller: Das muss jeder für sich entscheiden. Die Initiative für meinen Internet-Auftritt ist eigentlich von meinem Management ausgegangen. Ich habe zunächst abgelehnt, aber mittlerweile sehe ich, dass es eine sehr gute Idee war. Jetzt sind wir auch dran, einen Twitter-Account einzurichten, doch die Aufstellung und der Kader werden auf diese Weise natürlich nicht bekanntgegeben. Aber ich lasse die Leute daran teilhaben, was ich gerade mache oder wo ich bin, und die Leute interessiert das. Auch dadurch werden sie sehen, dass der Job des österreichischen Teamchefs ein Full-Time-Job ist. Ich bin von morgens bis abends unterwegs.