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"In Aufstellung dreinzureden, wäre Selbstmord"

Manche Dinge gehen in Österreich bekanntlich schnell. Um aus „Willi Wichtig“ über Nacht zum „Wunder-Willi“ zu werden, braucht es bisweilen nur ein 4:1 gegen Aserbaidschan.

Dabei war es bis kürzlich noch die größte Sorge des Boulevards, dass Willi Ruttensteiners Einfluss innerhalb des ÖFB zu groß werden würde.

Am Dienstag endet mit dem EM-Qualifikations-Spiel in Kasachstan die interimistische Teamchef-Ära des Oberösterreichers, ehe er wieder auf seine angestammte Position als Sportdirektor zurückkehrt.

Während „Willis Woche“ hat sich im Verband jede Menge getan, auch was die öffentliche Wahrnehmung Ruttensteiners betrifft. Was diesen – in die eine, wie in die andere Richtung – kalt lässt:

„Ich kann in Österreich nicht Teamchef werden“

„Ich kann sowohl mich als auch die Situation einschätzen. Ich bin gut vorbereitet auf die Sache, und auch wenn es im zweiten Spiel nicht gut geht, bin ich vorbereitet, mit der Kritik zu leben. Ich halte auch nichts davon, jetzt von ‚Willi Wichtig“ zum ‚Wunder-Willi‘ zu werden. Das nehme ich nicht wahr, das ist mir zu oberflächlich.“

Diese Worte waren der Auftakt eines für Ruttensteiner-Verhältnisse relativ emotionalen, zumindest aber sehr deutlichen Auftritts im Rahmen seines Medientermins im Hotel Diplomat in Astana.

Der Grund liegt mit den immer wieder kehrenden, unterschwelligen Vorwürfen, dass er in Zukunft als eine Art „Schatten-Teamchef“ an der Seite von Marcel Koller agieren könnte, auf der Hand. Die Antwort des 48-Jährigen fällt deutlich aus.

„Ich weiß ganz genau, dass ich in Österreich nicht Teamchef werden kann. Das geht gar nicht!“, beruhigt Ruttensteiner seine Kritiker und führt als Begründung an, dass er dazu Erfolge oder Titel bei Vereinen gesammelt oder ihn der ÖFB dafür aufgebaut haben müsste. Beides ist nicht der Fall.

„Verstehen die Leute, was Sportdirektor zu tun hat?“

„Wobei ich mir schon gut vorstellen kann, einmal in eine Trainer-Station bei einem Klub zu gehen, weil ich mir sehr viel angeeignet habe, um darauf vorbereitet zu sein“, erklärt der „Trainer-Funktionär“ weiter, um mit dem nächsten Vorurteil aufzuräumen:

„Wenn es um die Trainer-Tätigkeit geht, ist Marcel Koller der Chef. Ich frage mich oft, ob die Leute richtig verstehen, was ein Sportdirektor zu tun hat? Wenn ein Sportdirektor einem Trainer zum Beispiel in die Aufstellung dreinreden würde, dann ist er fast ein Selbstmörder! Das ist ja keine Aufgabe eines Sportdirektors.“

„Ein Sportdirektor ist völlig anders positioniert. Dessen Aufgabe liegt in der Strategie, in der Entwicklung des Fußballs in Österreich, in der Planung, in der Verbesserung der Struktur. Die Arbeit am Platz, in der Kabine, in der Besprechung ist jene des Teamchefs. Da werde ich gar nicht sichtbar sein.“

„Nicht die Aufgabe, ständig in ein Mikrofon zu reden“

Wenn Koller um fachliche Unterstützung bitten würde, wäre Ruttensteiner natürlich gerne bereit, ihm diese zu gewähren. Grundsätzlich wartet auf den Oberösterreicher jedoch wieder sein Bürojob:

„Es ist nicht die Arbeit des Sportdirektors, vor dem Spiel, während des Spiels, nach dem Spiel oder unter der Woche ständig in ein Mikrofon zu reden. Es geht darum, im Hintergrund strategisch zu arbeiten.“

Eine der ersten Amtshandlungen von Ruttensteiner nach seiner Rückkehr in den angestammten Job wird es sein, gemeinsam mit Koller und den übrigen ÖFB-Führungskräften den Betreuerstab für das Nationalteam zusammenzustellen.

Der Neo-Teamchef darf einen Co-Trainer seiner Wahl mitbringen. „Er hat deponiert, dass er einen persönlichen Assistenten haben will und seinen Wunsch-Namen genannt“, berichtet Ruttensteiner, der jedoch sowohl Namen als auch Nationalität des Kandidaten verschweigt.

„Wieder Reputation in Europa oder vielleicht sogar weltweit erlangen“

Weniger in Schweigen hüllt sich der 48-Jährige, wenn es darum geht, wohin sich der österreichische Fußball entwickeln soll.

„Es ist mein innigster Wunsch, und daran arbeite ich seit zehn Jahren, dass Österreich aus der Nachwuchsarbeit heraus mit einem hervorragenden Trainer einen Erfolg bei der Nationalmannschaft schafft, und wir wirklich wieder Reputation in Europa oder vielleicht sogar weltweit erlangen. Dann könnte ich sagen, ich habe etwas beitragen dürfen oder vielleicht sogar den einen oder anderen Schritt gesetzt.“

Ein Erfolg in Kasachstan wäre der nächste, klitzekleine Schritt.

Peter Altmann