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"Aserbaidschan ist nicht Brasilien"

Bevor Sebastian Prödl ein verletzungsbedingtes Timeout nehmen musste, lag Österreich in der EM-Qualifikation voll im Plan.

Nach Heimsiegen gegen Kasachstan und Aserbaidschan sowie dem 4:4 in Belgien hatte man sieben von neun möglichen Punkten am Konto. Der Rest der Geschichte, sprich das verkorkste Länderspiel-Jahr 2011, ist bekannt.

Trotz guter Ausgangsposition hatte die ÖFB-Elf schon frühzeitig keine Qualifikations-Chance mehr. So gesehen war der 4:1-Sieg in Aserbaidschan nach dem Abschied von Teamchef Didi Constantini und vor dem Amtsantritt von Marcel Koller das erste von zwei Übergangsspielen zwischen EM- und WM-Qualifikation.

Im LAOLA1-Interview will Prödl seinen Ärger über die sportliche Talfahrt in diesem Jahr nicht verhehlen und fordert, dass der österreichische Fußball eine Marke werden muss.

LAOLA1: Wie ordnest du rückblickend den 4:1-Sieg in Aserbaidschan ein?

Prödl: Ich bin einerseits froh über das Ergebnis, andererseits bin ich ein bisschen sauer, weil wir es nicht zustande bringen, die Qualifikation vernünftig zu spielen. Die Türken gewinnen dort nicht, die Belgier auch nicht, wir gewinnen - gegen einen Mann weniger - 4:1. Man sollte dieses Spiel nicht überbewerten, aber mir geht es eher so, dass ich mich ärgere, als dass ich mich freue.

LAOLA1: Heißt das, dass dieser Sieg zeigt, welches Potenzial da gewesen wäre?

Prödl: Das zeigt, dass man mit drei Punkten in diesen Ländern schon viel hätte erreichen können. Natürlich sind wir jetzt nicht in der Position, dass wir sagen, wir denken an die vergangene Quali, sondern sollten dieses Spiel für die kommende Quali sehen. Dafür war das Ergebnis ganz okay. Man muss dort erst einmal gewinnen, obwohl wir nicht überragend gespielt haben.

LAOLA1: Österreich hat gegen Aserbaidschan und Kasachstan bislang alle möglichen Punkte geholt, war aber trotzdem frühzeitig aus dem EM-Rennen. Tun die vergebenen Big Poitnts gegen Belgien und die Türkei so gesehen umso mehr weh?

Prödl: Ganz klar, wenn man auf die vergangene Quali schaut, muss man sich ärgern, dass wir im Vergleich zu Belgien oder die Türkei, die hier Federn gelassen haben, die Punkte einfahren, aber in den direkten Duellen nicht standhaft genug sind. Wenn man auf die kommende Quali schaut, sollte man das positiv mitnehmen. Denn wir haben wieder nicht so starke Gegner in der Gruppe (Färöer und Kasachstan; Anm.d.Red.), und da müssen wir genauso auftreten und punkten. So muss die Marschroute sein.

LAOLA1: Was hat man im Hinblick auf die kommende WM-Qualifikation gelernt?

Prödl: Wir müssen schauen, dass wir eine Marke werden, dass man einen klaren Spielstil erkennt. Es darf kein Pardon geben, dass wir solche Spiele gewinnen müssen. Wir müssen besser auftreten als in der vergangenen Quali und es schaffen, gegen die Gegner, gegen die es drauf ankommt – das werden Irland und Schweden sein – auf Augenhöhe zu sein. Das dürfen keine Spiele sein, in denen wir Punkte liegen lassen, sondern offene Duelle – sowohl zu Hause als auch auswärts. Jeder in Österreich soll von der Spielweise her an uns glauben können. Wir wollen dahin kommen, dass es nicht so eindeutig ist, wie es in dieser Quali war.

LAOLA1: Wie stellst du dir die Marke Österreich vor?

Prödl: Die stelle ich mir so vor, dass eine Struktur, eine Hierarchie und eine Spielphilosophie vorhanden sind. Oft haben wir 90 Minuten gespielt, ohne zu wissen, was wir tun wollen innerhalb der Mannschaft. Ich glaube, wir sollten mit einer klaren Vorgabe und einem klaren Ziel daran arbeiten, eine innovative Philosophie zu entwickeln und einen Riesen-Wiedererkennungswert haben. Das ist wichtig.

LAOLA1: Schon vor dem Sieg in Aserbaidschan war zu spüren, dass unter Interims-Teamchef Willi Ruttensteiner frischer Wind drinnen ist. Wie lautet deine Zwischenbilanz?

Prödl: Es ist ein Wechsel. Es gibt einen neuen Teamchef, jeder will sich diesem beweisen, jeder will neu dabei sein. Das ist ganz klar. Wenn keine Aufbruchstimmung vorhanden wäre, wäre solch ein Trainerwechsel nicht nötig.

LAOLA1: Zuletzt haben sich die verschiedensten Experten mit Kritik zu Wort gemeldet. Habt ihr die richtige Antwort gegeben?

Prödl: Man sollte sich nicht so auf die Teamchef-Frage konzentrieren. Wir haben in Aserbaidschan gespielt, das ist nicht Brasilien, so wie nach dem Spiel teilweise gefeiert wurde. Wir sollten am Boden bleiben und ganz in Ruhe nach vorne schauen. Schön, dass es einen neuen Teamchef gibt, dass man sich darauf vorbereiten kann, und dass wir mit einem positiven Erlebnis in eine neue, hoffentlich gute Ära gestartet sind.

LAOLA1: Von Spielerseite wurde kaum gefeiert wie nach einem Sieg gegen Brasilien. Es war vielmehr auffällig viel Selbstkritik zu hören.

Prödl: Und diese Selbstkritik dürfen wir auch nicht verlieren, die müssen wir weiter behalten. Es wird in Zukunft nicht so einfache Spiele in solchen Ländern geben. Da muss man versuchen, Konstanz und Selbstbewusstsein reinzubringen, einer muss für den anderen da sein. Wir haben 4:1 gewonnen – auch durch einen glücklichen Spielverlauf mit der Roten Karte. Das war schon mal gut, aber wir sollten es nicht überbewerten.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Aber ist es nicht Trainer-Sache, dass ihr wisst, was zu tun ist und Dinge einstudiert werden? Ist das in der Vergangenheit nicht passiert?

Prödl: Einige Spieler, die in den Vereinen vieles gezeigt haben, konnten es in der Nationalmannschaft nicht umsetzen. Das setzt eine gewisse Spielintelligenz voraus, und da sind natürlich auch immer die Spieler gefragt – genau wie der Trainer, beide geben sich die Hand. Aber du kannst ja keine 22 Spieler rauswerfen.

LAOLA1: Du hast zuletzt deine Beobachtung vom Heimspiel gegen Deutschland geschildert. Österreich sei in den letzten zehn Minuten darauf bedacht gewesen, den Punkt zu sichern, während Deutschland unbedingt noch gewinnen wollte. Zeigt diese unterschiedliche Herangehensweise, dass auch im mentalen Bereich noch Luft nach oben ist?

Prödl: Wenn der ÖFB jetzt innovativ ist, müssen wir Spieler da auf alle Fälle mitziehen. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist das alles für die Katz. Wir müssen versuchen, dem innovativen System, das jetzt aufgebaut wird, alles abzugewinnen. Das gilt für die mentale Schiene, die physische Schiene, aber auch für die Spielphilosophie, dass wir das alle kapieren und gewillt sind, diesen Weg mitzugehen.