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"Wollen Geschenk der Mini-Chance nutzen"

Siegen oder fliegen – so lautet, wieder einmal, vor einem Länderspiel das Motto für Didi Constantini.

Der Teamchef hat schon eine gewisse Routine im Umgang mit dem Begriff Schicksalsspiel.

So prekär wie diesmal vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei war die Job-Situation für den Tiroler seit seinem Amtsantritt 2009 jedoch vermutlich noch nie.

„Hicke hatte mehr Schicksalsspiele als ich“

„Der Hicke hat noch mehr Schicksalsspiele gehabt als ich“, verweist Constantini auf seinen vor der Heim-EURO 2008 mehrmals unter Beschuss geratenen Vorvorgänger Josef Hickersberger und meint nach außen hin gelassen:

„Aber ich habe jetzt auch schon einige Schicksalsspiele gehabt – gegen Kasachstan daheim das erste Spiel in der Qualifikation, oder vorher gegen die Färöer-Inseln daheim.“

Der 56-Jährige versichert, dass sich an seiner Herangehensweise nichts ändert, nur weil das Damoklesschwert einer Entlassung über ihm schwebt:

„Für mich verändert sich das Spiel nicht, nur weil es heißt, es sei ein Schicksalsspiel. Es ist einfach ein Länderspiel, wo ich versuche, die Mannschaft richtig einzustellen, damit wir unterm Strich gewinnen.“

„Haben überraschend letzte Mini-Chance bekommen“

Richtungsweisend ist das Duell mit der Türkei so oder so. Geht es schief, läuft wohl vieles auf eine Trennung hinaus. Dieses Szenario hatte Constantini selbst schon in der ORF-Sendung „Sport am Sonntag“ angedeutet.

„Ich habe am Mittwoch ein Gespräch mit dem Präsidenten (Leo Windtner, Anm.d.Red.), dann werden wir sehen, wie es ausschaut“, erklärte er dazu am Montag im Rahmen der offiziellen Pressekonferenz.

Soll die minimale Möglichkeit auf die EM-Teilnahme am Leben bleiben, muss logischerweise eine klare Verbesserung im Vergleich zur Performance beim 2:6 in Deutschland her.

„Als Teamchef leidest du körperlich genauso wie die Spieler“

Constantini arbeitete mit Hilfe seines Interims-Assistenten Willi Ruttensteiner das Debakel noch einmal auf und führte der Mannschaft die Fehler von Gelsenkirchen vor Augen, zudem bekamen die Spieler Sequenzen des türkischen 2:1-Zittersiegs gegen Kasachstan vom Freitag zu sehen.

Erste Trainerpflicht ist für den Tiroler jedoch, die herbe Abfuhr aus den Köpfen seiner Schützlinge zu bringen:

„Fakt ist, dass du als Teamchef körperlich genauso leidest wie die Spieler, wenn du ein Spiel so hoch verlierst. Du musst aber der Erste sein, der wieder aufsteht und alle motiviert, dass es weiter geht.“

Welche Startelf Constantini am Dienstagabend motivieren wird, steht noch nicht fest. Allzu viele personelle Änderungen dürfte der 56-Jährige jedoch nicht vornehmen.

So gut wie fix ist die Rückkehr des in Deutschland gesperrten Paul Scharner: „Davon gehe ich aus, aber es muss nicht unbedingt sein, dass wir deswegen große Rochaden machen.“

Muss Gratzei auf die Bank?

Der West-Bromwich-Legionär könnte für Daniel Royer in die Mannschaft kommen und im defensiven Mittelfeld aufgeboten werden. Dann könnte David Alaba wieder auf den linken Flügel zurückkehren.

Besonders spannend ist, für welchen Goalie sich der Teamchef entscheidet. Constantini will sich mit Tormanntrainer Franz Wohlfahrt absprechen, ob Christian Gratzei nach den sechs Gegentoren aus dem Tor genommen wird.

Fakt ist jedoch auch, dass sich die missliche Lage des Nationalteams im Jahr 2011 mit einem Befreiungsschlag gegen die Türken ins Positive drehen kann. Denn durch das 1:1 der Belgier gegen Aserbaidschan ist die Tür zur Qualifikation für die EURO 2012 in Polen und der Ukraine doch noch einen Spalt offen. Das weiß auch der ÖFB-Coach:

„Wir haben überraschenderweise noch eine letzte Mini-Chance bekommen“, betont Constantini, „dieses Geschenk, dass wir immer noch dabei sind, wollen wir unbedingt nutzen.“

Dazu muss gegen die Türkei unbedingt ein Sieg her – im Idealfall mit drei Toren Differenz, um im direkten Duell die 0:2-Niederlage in Istanbul wettzumachen. Danach wären jeweils drei Punkte in Aserbaidschan und Kasachstan Pflicht, während Deutschland jeweils Belgien und die Türkei besiegen müsste.

„Auch Belgien und Türkei schwächeln“

Irrelevant wären all diese Wunschszenarien im Falle eines Unentschiedens oder einer Niederlage gegen die Elf von Teamchef Guus Hiddink, dann wäre die Hoffnung auf den zweiten Gruppenplatz endgültig dahin.

„Der Traum, dass sich jede Mannschaft von Spiel zu Spiel verbessert, ist somit widerlegt“, zieht Constantini seinen Schluss aus den durchwachsenen Ergebnissen der rot-weiß-roten Konkurrenten, denn:

„Mir sagt das, dass nicht nur wir schwächeln und uns nicht bei jedem Spiel verbessern, sondern auch Belgien und die Türkei.“

„Franz weiß besser, wie ein Torhüter reagiert. Ich denke mir, dass es nicht angenehm ist, wenn ein Tormann sechs Gegentore erhalten hat. Aber er ist ein Teil der Mannschaft, es ist die schwierigste Position, weil er ein Einzelkämpfer ist. Wenn der Gegner so auf dich einrennt, können Fehler passieren.“

Der 56-Jährige beeilte sich zudem hinzuzufügen: „Damit das klar ist: Falls es jetzt einen Tormann-Wechsel gibt, ist es nicht ein Zeichen, dass Christian Gratzei Schuld an der Niederlage gegen Deutschland ist.“

„Brauchen Schiemer und Baumgartlinger“

Es wäre nicht das erste Mal im Laufe seiner Teamchef-Ära, dass Constantini einen Keeper tauscht. Entschließt sich Constantini zu dieser Maßnahme, bleibt die Frage, wer der Ersatz des Sturm-Schlussmanns wäre.

Helge Payer verfügt über ausreichend Länderspiel-Erfahrung, saß jedoch in Gelsenkirchen nur auf der Tribüne. Für Constantinis Tiroler Landsmann Pascal Grünwald wäre es das Debüt im ÖFB-Dress.

Wohl weiterhin das Vertrauen ausgesprochen bekommt der eine oder andere Feldspieler, der in der Nachbetrachtung der 2:6-Klatsche in Deutschland wegen mangelnder Spielpraxis in die Kritik geraten war – zum Beispiel Franz Schiemer und Julian Baumgartlinger.

Constantini stellte sich demonstrativ vor dieses Duo: „Dass es nicht ideal ist, stimmt, aber Schiemer ist für uns ein extrem wichtiger Spieler, Baumgartlinger steht bei Mainz voll im Training. Ich kann auf sie nicht verzichten, weil ich der Meinung bin, dass wir sie brauchen.“

Welche Elf Constantini auch immer aufs Feld schicken wird, sie spielt gegen den WM-Dritten von 2002 auch um sein Schicksal, wobei der 56-Jährige zum wiederholten male betont:

„Schicksal ist für mich etwas anderes als Fußball.“

Peter Altmann