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"Versuchen, die Spieler mehr in unserer Liga zu halten"

Auch Leo Windtner (64) will die Früchte ernten.

Seit fünfeinhalb Jahren ist der Oberösterreicher Präsident des ÖFB. Nach fast drei Jahren Aufbauarbeit unter Teamchef Marcel Koller soll das Nationalteam erstmals seit der WM 1998 die Qualifikation für ein Großereignis überstehen.

Vor dem Start in die EM-Quali am Montag gegen Schweden sprach Windtner mit der APAüber die Zielvorgaben, die Enttäuschungen österreichischer Klubs im Europacup und darüber, warum der ÖFB auch bei einer erfolgreichen Qualifikation nicht in Reichtum verfallen würde.

Frage: Wie lautet Ihre Zielvorgabe für die anstehende Qualifikation?

Leo Windtner: "Da sind wir uns alle einig. Wir werden alles unternehmen, um die Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich zu schaffen. Wir haben alle Kräfte gesammelt und fokussiert. Die Spieler haben ihren unbedingten Willen schon dokumentiert. Es geht hin bis zum zwölften Mann. Das Spiel gegen Schweden ist ja praktisch schon ausverkauft."

Frage: Wie manifestiert sich dieser unbedingte Wille?

Windtner: "Das geistige Teambuilding ist ein absolut Positives geworden. Die Spieler einzeln sehen in ihrer Rolle nicht das Wesentlichste. Sie können sich unterordnen, das ist eine neue Geschlossenheit. Die Priorität liegt auf dem Teamerfolg. Das Team um das Team tritt auch so auf. Da gibt es keine Eitelkeiten oder Eifersüchteleien."

Frage: Wie groß ist der Anteil des Teamchefs daran und wie bewerten Sie seine Arbeit?

Windtner: "Es ist für alle erkennbar, dass Marcel Koller unwahrscheinlich gewissenhaft und auch fleißig arbeitet. Er kommuniziert gut mit der Öffentlichkeit und hält auch mit allen Spielern permanent einen positiven Kontakt, ob sie jetzt verletzt sind oder auch einmal nicht dabei. Es gibt niemanden, der sich ausgeschieden fühlt. Alle sind ein wichtiger Teil der Mannschaft."

Frage: Was entscheidet Ihrer Meinung nach in so einer Qualifikation? Die Erwartungen sind hoch.

Windtner: "Wenn sich 24 von 54 Nationen qualifizieren, ist es rein statistisch gesehen leichter. Von unseren Gegnern sind aber zumindest drei mehr als auf Augenhöhe. Es wird kein Spaziergang. Es muss trotzdem alles passen, damit wir es schaffen. Wir spekulieren nicht über die Anzahl der Punkte, die wir brauchen. Wir werden auch Partien verlieren, kein Zweifel. Am Ende wollen wir aber, wenn es geht, unter den ersten zwei stehen."

Frage: Wie bewerten Sie die aktuellen Rahmenbedingungen und wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf?

Windtner: "Das Team um das Team ist sehr gut. Da haben wir auch im Vergleich mit anderen Ländern ein gutes Niveau - sowohl was Qualität als auch Quantität betrifft. Es ist auch im Rahmen dessen, was wir uns leisten können. Natürlich gibt es im Fußball das große Thema Infrastruktur. Da ist auch die öffentliche Hand gefordert - auch wenn überall Sparzwang herrscht. Das sind keine Subventionen, sondern Investitionen in die Zukunft und die Gesundheit der Menschen."

Frage: Wo sehen Sie abgesehen davon derzeit die größten Baustellen des österreichischen Fußballs?

Windtner: "Es hat schon wehgetan, dass mit Salzburg nur noch ein Klub auf Europacup-Ebene dabei ist. Natürlich kann es nicht immer nur nach oben gehen. Diesmal hat auch jenes Spielglück gefehlt, das zum Beispiel die Austria im Vorjahr, als sie verdient in die Champions League eingezogen ist, noch gehabt hat. Ungeachtet dessen müssen wir uns aber anstrengen, herauszufinden, was die Ursachen sein können."

Frage: Was können die Ursachen sein?

Windtner: "Mittlerweile gehen nicht nur absolute Toptalente ins Ausland, sondern auch Spieler, die das Rückgrat der Bundesliga-Klubs bilden. In der zweiten deutschen Bundesliga ist das Österreicher-Element so groß wie nie. Das waren alles solide Leistungsträger unserer Klubs. Das ist ein Aderlass, den wir auch spüren."

Frage: Wie kann man dieser Entwicklung gegensteuern?

Windtner: "Natürlich ist es ein Thema des Geldes. Jeder will im Land des Weltmeisters spielen, aber wir dürfen die Augen nicht verschließen. Wir müssen unsere Ausbildungs-Philosophie weitergehen. Aber wir müssen versuchen, die Spieler mehr in unserer Liga zu halten."

Frage: UEFA-Präsident Michel Platini wird nicht um das Amt des FIFA-Chefs kandidieren. Wie bewerten Sie das Ringen zwischen den beiden Verbänden?

Windtner: "Es ist absolut verständlich, dass sich Michel Platini nicht hinstellt, um nur ein Zählkandidat zu sein. In der aktuellen Machtkonstellation in der FIFA bleibt die UEFA in der Minderheit. Um UEFA-Positionen durchzusetzen, bedarf es einer stärkeren Geschlossenheit."

Frage: Es geht auch um die WM-Startplätze für Europa.

Windtner: "Darüber lassen wir keine Diskussion zu. Die 13 Startplätze sind eine Conditio sine qua non (unerlässliche Bedingung/Anm.). Europa hat jetzt dreimal hintereinander den Weltmeister gestellt. Es besteht überhaupt kein Anlass, die UEFA zu beschneiden. Auch für Österreich muss die Chance am Leben bleiben. Die FIFA ist sportlich und wirtschaftlich gut beraten, wenn sie der UEFA den Stellenwert einräumt, den sie zweifellos hat."

Frage: Was wäre eine erfolgreiche Qualifikation für den ÖFB finanziell in etwa wert? Lässt sich die Größenordnung der Umsatzsteigerung seriös abschätzen?

Windtner: "Nein, seriös nicht. Tatsache ist, dass eine Qualifikation einen gewissen finanziellen Rückenwind bedeutet. Deswegen würden wir aber nicht gleich in Reichtum verfallen. Der ÖFB ist sehr solide aufgestellt. Wir haben jetzt auch eine lange Periode ohne erfolgreiche Qualifikation mit topseriösen und gut betreuten Sponsoren ohne Probleme überstanden. Aber natürlich: Eine Qualifikation würde uns auch finanziell gut tun."

Frage: Wie sehr fällt das Abschneiden in der anstehenden Quali auch auf Sie selbst zurück? Immerhin haben Sie die Rahmenbedingungen und letztlich auch das Personal zu verantworten.

Windtner: "Das nehme ich nicht zwingend persönlich. Die Teamchef-Entscheidung wurde vom gesamten Präsidium und auch von der Liga abgesegnet. Wir werden miteinander gewinnen und uns qualifizieren. Wenn es nicht funktioniert, dann sitzen wir immer noch im selben Boot."