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"Über einiges kann man nur den Kopf schütteln"

„Gar nichts!“

Marc Janko antwortet sehr bestimmt auf die Frage, ob er sich selbst bezüglich seiner misslichen Lage bei Trabzonspor irgendetwas vorzuwerfen habe.

Und die eine oder andere positive Erfahrung habe es ja auch gegeben: „Ich finde die Kultur dort sehr interessant, ich habe wirklich freundliche und offenherzige Menschen kennengelernt – auch im Klub gibt es ausgesprochen nette Personen. Es war und ist auf jeden Fall eine Horizonterweiterung.“

Dass aus dieser Horizonterweiterung ein sportlicher Albtraum wurde, ist jedoch ein Fakt. Ein Albtraum, über den es viel zu erzählen gebe, wobei sich der Stürmer selbst einen Maulkorb verpasst hat, solange sein bis Sommer 2015 datierter Vertrag noch läuft.

„Ich könnte ein paar Geschichten erzählen“

„Ins Detail zu gehen, ist aber schwierig. Ich könnte natürlich ein paar Geschichten erzählen, aber aufgrund der schwierigen Situation darf und möchte ich nicht zu viel verraten. Es ist einiges passiert, worüber man nur den Kopf schütteln kann“, verdeutlicht der 29-Jährige.

Nachsatz: „Aber das hätte man vielleicht vorher wissen können, wenn man in die Türkei geht.“

Dabei startete das Abenteuer nach dem spätsommerlichen Wechsel vom FC Porto nach Trabzon nicht gänzlich unbefriedigend. Unter Trainer Senol Günes, dem türkischen Ex-Teamchef, bekam Janko bis Ende November regelmäßig Einsatzzeit, wenngleich nicht immer von Anfang an.

Dennoch kein Vergleich zu den Geschehnissen unter dessen Nachfolger Tolunay Kafkas, den der Niederösterreicher noch aus gemeinsamen Spielerzeiten bei der Admira kannte.

„Seither bin ich komplett rasiert worden“

Sportliche Gründe für die Degradierung im Frühjahr könne er ausschließen: „Unter dem neuen Trainer gab es ja nur zwei Spiele, die ich machen durfte. Beim ersten Spiel hat er mir gesagt, dass er mit meiner Leistung sehr zufrieden war. Beim zweiten haben wir 0:3 gegen Fenerbahce verloren, seither bin ich komplett rasiert worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aufgrund einer Partie eine so negative Meinung gegenüber jemandem entsteht, dass man ihn komplett abschießt.“

Janko wurde suspendiert. Hinter dem Warum steht bis dato mangels Antwort ein Fragezeichen. Trainer und Präsidium hätten sich den Ball gegenseitig zugeschoben.

Der 1,96-Meter-Riese ortet auch für den Verein eine unbefriedigende Situation, wobei er den diesbezüglichen Business-Plan seines Arbeitgebers nicht nachvollziehen kann:

„Ich sage immer: Wenn man ein cleverer Geschäftsmann ist, stellt man seine Ware in die Auslage und vergräbt sie nicht im Keller. Sie sehen das ein bisschen anders und erhoffen sich dadurch vielleicht einen besseren Erfolg.“

„Die Uhren stehen wieder bei null“

Nun gelte es eine für beide Parteien vertretbare Lösung auszuarbeiten: „Dann werden wir schauen, wo die Reise hingeht.“

Diese Verhandlungen könnten wiederum schwieriger als erhofft werden. Denn am Montag wurde Kafkas entlassen und durch Mustafa Akcay ersetzt. Zudem kam beim Traditionsverein nach dem enttäuschenden 9. Platz in der Abschlusstabelle ein neues Präsidium an die Macht.

„Es wäre für Mittwoch geplant gewesen, dass mein Management nach Istanbul fliegt, um mit dem Verein zu sprechen und eine Lösung zu finden. Aufgrund der Tatsache, dass ein neues Präsidium und ein neuer Trainer installiert wurden, stehen die Uhren wieder bei null. Jetzt muss man die Gespräche wieder von Anfang an suchen“, schildert Janko.

Sein Wunsch wäre es, im Ausland zu bleiben, daran hat auch diese negative Erfahrung nichts geändert.

Das „Großereignis“ für „Einzelsportler“ Janko

„Im Endeffekt habe ich ja gewusst, worauf man sich da im negativsten Fall einlassen kann. Dieser ist bei mir leider eingetreten. Ich muss jetzt mit dieser Situation leben und probiere, nicht zu verzweifeln. Mit Hilfe von Verwandten, Freunden und natürlich meiner Freundin habe ich das auch geschafft – und auch mit Hilfe des Trainerstabs des Nationalteams, der mir immer wieder Mut zugesprochen hat.“

Fitness-Guru Roger Spry hat für Janko ein Trainingsprogramm ausgearbeitet, das dieser konsequent durchgezogen hat. Die ersten Tests im Rahmen des ÖFB-Camps in Stegersbach ergaben, dass der Goalgetter keineswegs auf der faulen Haut gelegen ist, sondern körperlich topfit ist.

Jankos Mutter Eva, die bei den Olympischen Spielen 1968 die Bronze-Medaille im Speerwurf gewann, ist als ehemals erfolgreiche Einzelsportlerin in diesen schweren Zeiten eine wertvolle Stütze für Mannschaftssportler Marc.

„Meine Mutter war eine sehr erfolgreiche Leichtathletin. Die müssen ja auch immer monatelang auf ein Großereignis hintrainieren, ohne wirklich einen Wettkampf in den Beinen zu haben. Deswegen habe ich vielleicht diese Gene in mir, dass ich diese Zeit für mich genutzt habe und mir sage: Der 7. Juni ist jetzt ein Großereignis für mich, da möchte ich auf einem guten Niveau sein. Vielleicht habe ich es auch deshalb geschafft.“

„Ungewohnte Situation für einen Mannschaftssportler“

Wobei der Blondschopf kein Hehl daraus macht, dass es keine leichte Hausaufgabe gewesen ist, den Schweinehund im Alleingang zu überwinden:

„Für einen Mannschaftssportler ist es auf jeden Fall eine ungewohnte Situation, wenn er mehr oder weniger alleine trainieren muss. Wir haben zwar sehr viel mit dem Ball trainiert, aber man sagt immer, die Wettkampf- ist eine andere als die Trainingsbelastung. Ich bin gespannt, wie es in den nächsten Tagen im Mannschaftstraining aussehen wird. Derzeit fühle ich mich jedenfalls auf einem Top-Niveau.“

Läuft alles nach Plan, ist Janko bei seinem „Großereignis“ am 7. Juni im Happel-Stadion am Start. Dabei sein ist quasi alles. Gegen Schweden zählt, um bei der Olympia-Metapher zu bleiben, jedoch nur Gold und nicht Silber.

Peter Altmann