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"Wollte weg aus Wien, damit ich zu mir komme"

Gaziantep – was für österreichische Ohren so exotisch klingt, ist eine Millionenstadt in Südostanatolien, nahe der Grenze zu Syrien.

Und es ist die neue Wahlheimat von Yasin Pehlivan.

Der Ex-Rapidler schlug vergangenen Sommer genau dort seine Zelte auf, um einen Tapetenwechsel zu vollziehen. Nach ernüchterndem Start hat sich der 23-Jährige inzwischen als Stammspieler etabliert und zurück ins Nationalteam gekämpft.

Am Rande des ÖFB-Camps in Pörtschach hat der 13-fache Internationale im LAOLA1-Interview  einiges über sein Türkei-Abenteuer zu erzählen.

Wie zum Beispiel die Erlebnisse mit dem „strengeren Pacult“, die schwierige Eingewöhnungsphase für Legionäre, das Gefühl als Verein mit Titelambitionen plötzlich mitten im Abstiegskampf zu stecken oder seinen persönlichen Reifeprozess.

LAOLA1: Yasin, du hast dich im Sommer auf das Abenteuer Gaziantepspor eingelassen, bist dort mittlerweile Stammspieler. Wie war es, sich dort zurechtzufinden?

Yasin Pehlivan: Am Anfang war es nicht leicht. Dort ist ein ganz anderes Umfeld als bei Rapid. Zu Beginn der Meisterschaft habe ich nicht gespielt. Das war eine schwere Situation für mich. Dann ist der Trainer gegangen, unter seinem Nachfolger musste ich mich neu beweisen, er hat mich nicht gekannt. Dieser Trainer war jedoch nur rund zehn Wochen da, jetzt habe ich wieder einen neuen. Inzwischen spiele ich aber eigentlich jede Partie.

LAOLA1: Wie viel Geduld ist notwendig, bis man sich durchsetzt und regelmäßig zum Einsatz kommt?

Pehlivan: Das ist wirklich eine sehr schwierige Zeit. Das sage ich nicht nur so, das muss man erleben. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich es geschafft habe. Ich habe mich durchgesetzt. Jetzt spiele ich immer und bin sehr glücklich.

LAOLA1: Es war bei Legionären, die in die Türkei gewechselt sind, schon öfters zu beobachten, dass sie am Anfang wenig bis gar nicht gespielt haben. Ist es normal, dass man als Neuzugang nicht gleich eine Chance bekommt?

Pehlivan: Ich habe mit vielen gesprochen. Die haben mir gesagt, ich soll Geduld haben, bei ihnen war es genauso. Das haben mir auch die anderen Ausländer gesagt, die waren teilweise sechs, sieben Wochen nicht im Kader. Als Neuzugang musst du dich dort einmal im Training beweisen, du musst besser als deine Mitspieler sein. Wenn du die Chance kriegst, musst du sie halt nutzen. Wenn du sie nicht nutzt, bist du vielleicht sogar weg.

LAOLA1: Hierzulande stellt man sich möglicherweise vor: Du bist türkisch-stämmig, kommst hin und fühlst dich wie zu Hause. Wie war es für dich, dich in Gaziantep einzuleben?

Pehlivan (schmunzelt): Für mich ist es immer ein komisches Gefühl. Wenn ich hierher zum Nationalteam komme, werde ich als Türke gesehen. Wenn ich in der Türkei bin, werde ich als Österreicher betrachtet. Ich weiß nicht, wo ich dazu gehöre.

LAOLA1: Andere türkisch-stämmige Österreicher haben berichtet, dass sie sich anfangs schwer getan haben, weil sie die Kultur nicht kannten. War das für dich auch so?

Pehlivan: Nein, eigentlich nicht. Mit meinen Eltern rede ich zu Hause Türkisch, ich bin türkisch aufgewachsen. Für mich war es nicht so schwer.

LAOLA1: Auch im Leben abseits des Fußballs?

Pehlivan: Das war schon schwer! Ich bin das Leben wie in Wien gewohnt, und das ist ein sehr gutes. In Gaziantep gibt es zwar viele Reiche, aber auch sehr viele Arme. Die haben es nicht leicht dort – ein ganz anderes Leben als in Wien.

LAOLA1: War es für dich gut, einmal einen Tapetenwechsel zu haben?

Pehlivan: Ich wollte unbedingt von Rapid weg, damit ich etwas Neues sehe und kennenlerne! Ich wollte weg aus Wien, damit ich wieder zu mir komme.

LAOLA1: Was heißt, zu dir zu kommen? Erwachsener zu werden?

Pehlivan: Nicht erwachsener. Schwer zu sagen: Ich bin ganz anders geworden – viel ruhiger, nur noch Fußball. Jetzt habe ich Ziele, die ich erreichen will.

LAOLA1: Es ist auch ruhiger um dich geworden. Findest du es schade, dass der türkische Fußball nicht so im Blickpunkt steht?

Pehlivan: Ich finde es eigentlich ganz gut, dass es nach dieser Situation vergangenen Winter ein bisschen ruhiger geworden ist. Sportlich wird es jetzt wieder - und es wird noch besser.

LAOLA1: Soll Gaziantepspor für dich das Sprungbrett zu einem größeren Verein sein?

Pehlivan: Das war mein Ziel, als ich zu Gaziantepspor gegangen bin. Ich wollte dort spielen, meine Leistungen bringen und dann zu einem Topverein kommen.

LAOLA1: Ekrem Dag kam einst von Gaziantepspor zu Besiktas. Dort spielen mit Veli Kavlak und Tanju Kayhan zwei weitere Ex-Rapidler, die positive Schlagzeilen schreiben. Wie werden sie in der Türkei gesehen?

Pehlivan: Veli hat sich als Guti-Nachfolger gut durchgesetzt. Was soll man sagen? Er hat’s geschafft! Tanju hat seine Chance bekommen und auch genützt, wird jetzt aber leider verletzt ausfallen.

LAOLA1: Für dich war es bei Rapid zum Schluss ein Wellental, nachdem es anfangs steil nach oben gegangen ist. Blickst du mit gemischten Gefühlen zurück?

Pehlivan: Keine Ahnung, was das für eine Zeit war zum Schluss. Einmal habe ich gespielt, einmal nicht. Ich weiß es selber nicht, mir wurde nie etwas gesagt. Aber das ist vorbei. Ich will nicht mehr zurück blicken, nur mehr nach vor.


Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Der Trainer, der dich geholt, aber kaum eingesetzt hat, war mit Tolunay Kafkas ein alter Bekannter, der früher bei Pasching, dem LASK und der Admira gespielt hat. War die Österreich-Connection kein Vorteil?

Pehlivan: Eigentlich nicht. Er hat nicht viel mit mir gesprochen. Beim ersten Training hat er mich ein paar Sachen über Österreich gefragt, vor allem über die Trainer. Ansonsten haben wir eigentlich nicht viel geredet.

LAOLA1: In Österreich ist er als Charismatiker in Erinnerung…

Pehlivan: Er war ein sehr strenger Trainer. So einen strengen Trainer wie Kafkas habe ich bis jetzt noch nie gehabt.

LAOLA1: Du kommst aus der Pacult-Schule…

Pehlivan: Jeder glaubt, Pacult ist streng. Aber den muss man einmal erleben, den Kafkas.

LAOLA1: Gaziatepspor hatte vor der Saison große Ziele, aktuell steht ihr einen Platz vor den Abstiegsrängen. Was ist schief gelaufen?

Pehlivan: Die Ziele waren sehr groß. Gazientepspor ist vergangene Saison Vierter geworden. Im Sommer, als sie mich verpflichten wollten, lautete das Ziel, Meister zu werden. Ich habe mir alles angeschaut und gedacht: Sie haben sehr gute Spieler, mit dieser Mannschaft kann man etwas erreichen. Wir wollten unter die ersten Vier kommen - mit dem Playoff-System kann man dann Meister werden. Auf einmal spielen wir gegen den Abstieg. Der ist aber kein Thema.

LAOLA1: Sondern?

Pehlivan: Wir haben jetzt noch sechs eher leichte Spiele, die wollen wir alle gewinnen, damit wir unter die ersten Acht kommen, um noch eine Chance auf einen Europa-League-Platz zu haben.