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Ein Fußballspiel als politische Manifestation

Ein Fußballspiel als politische Manifestation

Am Sonntag treffen der FC Barcelona und Real Madrid aufeinander.

Die 253. Auflage des wichtigsten Duells im spanischen Sport wird wieder eine politische Komponente bekommen.

Das war schon immer so und wird wohl auch immer so sein.

Dennoch wird der 7. Oktober (Barca-Real, ab 19:20 Uhr LIVE auf LAOLA1.tv) als besonderer Tag in die Geschichte des Clasico eingehen.

Die Wahl vor Augen

Das Aufeinandertreffen des FC Barcelona als „historischer Träger des katalanischen Nationalismus“ und Real Madrid als Repräsentant des spanischen Zentralstaats ist das erste, seit Neuwahlen in Katalonien feststehen.

Die Regionalregierung hatte nach Unstimmigkeiten mit Madrid über einen neuen Steuerpakt zum Urnengang aufgerufen, dem wenig später ein Referendum zur Unabhängigkeit folgen soll.

Umso mehr ist man auf das Verhalten und die akustische sowie optische Performance der Barca-Fans gespannt. „Ich finde es sehr gut, dass man als Mosaik die katalanische Flagge nachbildet“, erklärt Mittelfeld-Stratege Xavi, betont aber zugleich: „Wir wissen, welche Situation Katalonien gerade erlebt, aber wir spielen nur. Es geht um Fußball, nicht um Politik.“

Die Independenz-Bestrebungen haben allerdings einen in Kreisen der „Cules“ beliebten, nahezu vergötterten Fürsprecher – Pep Guardiola.

„Eine Stimme mehr“

Am katalanischen Nationalfeiertag, „La Diada“, meldete sich der ehemalige Erfolgstrainer via Grußbotschaft von der Ostküste der USA an die Hunderttausenden auf der Straße.

„Aus New York habt ihr eine Stimme mehr“, lauteten die kurzen, aber bei den Massen Jubelstürme hervorrufenden Worte des derzeit pausierenden Fußball-Fachmanns.

Weniger begeistert wurde das öffentliche Eintreten für eine Abspaltung der Mittelmeer-Region in anderen Teilen Spaniens aufgefasst.

Alfonso enttäuscht

„Enttäuschende Erklärungen von Guardiola, angesichts seiner Bedeutung als Spieler und Trainer für den spanischen Fußball“, kommentierte Alfonso, ehemaliger Spieler von Real und Barca auf Twitter.

Der einstige Angreifer stand um die Jahrtausendwende gemeinsam mit Guardiola bei Barca und im Nationalteam auf dem Platz und zweifelt nun an dessen spanischer Integrität.

„Er wird sich über Erfolge der Seleccion freuen? Ich habe da meine Zweifel“, so Alfonso, der die Vermengung von Sport und Politik durch die Barca-Ikone anprangert.

Barca nicht mehr in La Liga?

Dass ein bekennender Separatist für die Nachfolge von Vicente del Bosque als spanischer Teamchef absolut ungeeignet sei, war in den letzten Wochen ebenso Thema, wie die Frage nach dem Verbleib der katalanischen Liga-Teams im Falle einer staatlichen Souveränität.

„Sollte Katalonien unabhängig werden, habe ich keinen Zweifel, dass Barca weiter in La Liga spielen würde, ähnlich wie es etwa der AS Monaco in Frankreich macht“, machte FCB-Präsident Sandro Rosell allen Spekulationen um eine spanische Meisterschaft ohne seinen Verein den Garaus.

Die Angst, Jahre ohne Clasico zu erleben, könnte ein Schelm da schon als ein aus Madrid gesätes Argument für einen Verbleib bei Spanien auffassen.

Nahost-Konflikt im Camp Nou

Der bevorstehende Clasico wird zudem um eine weitere Komponente aus der Weltpolitik erweitert.

Gilad Shalit, israelischer Militär und bekennender Barca-Fan, verbrachte die letzten fünf Jahre in Gefangenschaft der Hamas und beklagte, die besten Jahre seines Vereins nicht miterleben zu können.

Nach seiner Freilassung im Austausch mit Hunderten Palästinensern ereilte das lebendige Symbol des Nahost-Konflikts eine Einladung zum Spiel am Sonntag gegen Real.

Palästinenser sagt ab

Nach Protesten palästinensischer Gruppen luden die „Blaugranes“ als Kompensation Mahmud al-Sarsak, Ex-Nachwuchs-Teamspieler des arabischen Landes und selbst lange in Israel inhaftiert, ein.

"Ich bin wegen des Drucks der Fans von Barcelona eingeladen worden“, stellte der 25-Jährige fest und sagte für den Clasico ab. Er wolle nicht mit Shalit zusammen auf der Tribüne sitzen lautete die Erklärung für den Verzicht.

Anderen Spielen des Klubs werde er aber sehr gerne beiwohnen: "Aber nur, wenn man mich nicht mit Shalit oder einem anderen Zionisten auf eine Stufe stellt."

Diese Episode ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik vor dem Fußball nicht haltmacht. Besonders nicht beim Clasico.

Ob man es nun gutheißt, oder nicht.


Christian Eberle