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"Recht viel mehr nach oben gibt es nicht mehr"

Während die Unterschrift von Christian Fuchs bei Leicester City so manchen überraschte und auch die Verhandlungen von Sebastian Prödl mit dem FC Watford erst spät an die Öffentlichkeit drangen, war der Wechsel von Kevin Wimmer zu Tottenham eines der am schlechtesten gehüteten Transfer-Geheimnisse dieses Frühjahrs.

Der Innenverteidiger übersiedelt für eine kolportierte Ablöse von sechs Millionen Euro vom 1. FC Köln nach London und avanciert damit zum viertteuersten Spieler der österreichischen Fußball-Geschichte.

Teurer als der 22-Jährige waren bis dato nur Aleksandar Dragovic (9 Millionen von Basel zu Kiew), Marc Janko (6 Millionen von Salzburg zu Twente Enschede) und Marko Arnautovic (6,2 Millionen von Twente Enschede zu Werder Bremen).

„Das ist schon eine gewisse Auszeichnung“, freut sich der Oberösterreicher auch über die finanzielle Wertschätzung, die ihm Tottenham durch diese Transfersumme entgegenbringt.

Noch mehr fiebert Wimmer jedoch dem sportlichen Abenteuer in der Premier League entgegen, zu dem er am Rande des ÖFB-Camps im Hinblick auf das EM-Qualifikations-Spiel in Russland ausführlich Stellung nahm:

KEVIN WIMMER…

…ÜBER SEINE ERLEICHTERUNG, DASS DER TRANSFER OFFIZIELL IST:

Ich bin natürlich persönlich sehr erleichtert. Für mich war - wie eigentlich für jeden - klar, dass im Sommer der Schritt nach England erfolgt. Ich musste mich lange genug ein bisschen bedeckt halten. Es wurde immer viel spekuliert, aber im Endeffekt wurde es nicht offiziell bestätigt, weil es geheißen hat, ich soll die Saison in Ruhe zu Ende spielen und weiterhin meine Leistung bringen. Das ist uns auch ganz gut geglückt. Wir haben mit dem 1. FC Köln eine richtig gute Saison gespielt und genau das erreicht, was wir uns vorgestellt haben, sind eigentlich sogar noch über den Erwartungen geblieben. Aber es ist schon gut, dass der Wechsel jetzt nach Saisonende offiziell wurde. Das hilft einem auch, vor allem bei der Nationalmannschaft, wenn alle wissen, wo dein weiterer Weg hinführt. Jetzt wird nicht mehr über meine Zukunft spekuliert, sondern jeder weiß Bescheid, und ich kann mich in Ruhe darauf vorbereiten. Für mich ist das ein beruhigendes Gefühl.

…ÜBER SEINE BEWEGGRÜNDE, DIESEN SCHRITT ZU WAGEN:

Ich habe jetzt drei Jahre in Köln gespielt, hatte eine sehr schöne Zeit und habe mich sehr wohl gefühlt in der Mannschaft und mit dem Trainer-Team. Ich konnte mich gut weiterentwickeln, für mich persönlich war Köln sicherlich die richtige Station. Ich habe mich jetzt aber so weit gesehen, dass ich für den nächsten Schritt bereit bin. Die englische Liga ist genau das, wovon ich als kleiner Junge geträumt habe. Die Intensität, das Tempo und die Atmosphäre sind schon etwas Besonderes. Als Fußballer will man so etwas erleben. Natürlich ist in Deutschland auch alles überragend, aber ich habe immer gesagt, die Premier League ist mein Traum. Dass ich den doch relativ früh verwirklichen kann, ist natürlich ein sehr schönes Gefühl.

…ÜBER DIE ERSTEN KONTAKTE ZU TOTTENHAM:

Der erste Kontakt ist im Winter zustande gekommen. Als ich mitbekommen habe, um welchen Verein es sich tatsächlich handelt, war das natürlich erst mal ein bisschen schwer zu verarbeiten und zu realisieren. Ich glaube, wenn man als Fußballer – noch dazu als junger Fußballer – solch eine Möglichkeit bekommt, gibt es für mich persönlich nicht viel darüber nachzudenken, ob man die Chance wahrnimmt oder nicht. Ich glaube, dass Tottenham in meiner persönlichen Entwicklung genau der richtige Schritt ist. Ich bin voller Vorfreude und schon sehr gespannt, was mich da erwartet.

…DARÜBER, WAS DIE FASZINATION TOTTENHAM AUSMACHT:

Es ist ein Riesen-Klub, ein Londoner Traditionsverein – natürlich gibt es speziell in London sehr viele Vereine, aber Tottenham ist in der Meisterschaft immer vorne mit dabei, auch nächste Saison spielen wir international, was noch einmal ein schöner Nebeneffekt ist. Alleine schon, wenn man im Fernsehen die Stimmung sieht, wie die Fans bei jedem Angriff abgehen und die Mannschaft immer unterstützen, macht das schon sehr viel Spaß, in diesem Stadion aufzulaufen. Das Trainingsgelände, das Trainerteam, die noch sehr junge Mannschaft – ich glaube, das passt alles sehr gut.

…DARÜBER, AUF WELCHE TOTTENHAM-STARS ER SICH AM MEISTEN FREUT:

Es sind fast nur Nationalspieler aus richtig guten Nationen. Wenn man sieht, was Harry Kane in diesem Jahr gespielt hat, wie viele Tore er gemacht hat, obwohl er erst 21 Jahre alt ist, ist das schon beeindruckend. Er hat auch bei seinem Debüt für England direkt ein Tor gemacht. Christian Eriksen ist ein Spieler, den ich sehr schätze, dessen Spielweise mir sehr imponiert, auch welche Freistöße er schießt. Auch in der Abwehr gibt es sehr gute Leute. Jan Vertonghen ist ein schon bisschen routinierterer Spieler, der viel erlebt hat. Das sind auf jeden Fall Spieler, die mir in meiner Entwicklung helfen werden und von denen ich mir einiges abschauen werde. Vom Konkurrenzkampf her wird es natürlich nicht einfacher werden, aber das war mir vor meinem Wechsel bewusst, dass es eine große Herausforderung wird.

…ÜBER DIE FINANZIELLEN MÖGLICHKEITEN DURCH DEN NEUEN TV-VERTRAG:

Es ist natürlich schon extrem, was da jedes Jahr an TV-Geldern fließt. Deutschland und England sind für mich die zwei besten Ligen. Natürlich muss ich erst einmal sehen, wer noch alles zur Mannschaft kommt. Das Geld ist auf jeden Fall vorhanden. Ich bin schon gespannt, wie die Mannschaft beim Trainingsstart aussehen wird, was sich da noch alles tut. Aber ich glaube, dass auch die deutsche Liga richtig gut ist, in der ich mich auch richtig wohl gefühlt habe. Aber ich denke, dass die englische Liga vom Tempo her noch intensiver ist und man da als Abwehrspieler noch mehr gefordert sein wird.

…ÜBER DEN KONKURRENZKAMPF IM NATIONALTEAM, WO ALEKSANDAR DRAGOVIC UND MARTIN HINTEREGGER DERZEIT DIE NASE VORNE HABEN:

Natürlich will man als Fußballer immer von Beginn an spielen. Wir haben im Nationalteam seit einiger Zeit eine richtig gute Mannschaft. Es ist sehr positiv, dass wir vier gute Innenverteidiger haben. Man muss sagen, dass „Drago“ und „Hinti“ das bisher sehr gut gemacht haben und da nicht wirklich groß daran zu rütteln ist. Die bringen immer ihre Leistung und stehen hinten wirklich sehr gut. Natürlich ist es für mich persönlich oder Sebastian Prödl schwer, da vorbeizukommen. Aber man ist immer bereit und versucht wie ich, als ich gegen Bosnien-Herzegowina von Beginn an ran durfte, alles rauszuholen. Zudem probiert man selbstverständlich auch, sich über den Verein zu empfehlen.

…ÜBER DEN HINWEIS VON TEAMCHEF MARCEL KOLLER BEI DER KADERBEKANNTGABE, DASS ER AUCH IM DEFENSIVEN MITTELFELD SPIELEN KÖNNE:

Ich war früher immer Mittelfeldspieler, auch noch im Nachwuchs in Linz oder mit 15, 16 Jahren in der Fußball-Akademie. Deswegen ist es für mich kein unbekanntes Gebiet. Es ist auf jeden Fall etwas, das ich auch spielen könnte.

Aufgezeichnet von Peter Altmann

…ÜBER DIE UNTERSCHIEDE FÜR INNENVERTEIDIGER IN ENGLAND UND DEUTSCHLAND:

Das ist schwer zu beurteilen. Über Deutschland kann ich sagen, dass dich, wenn du gegen Vereine wie Bayern, Dortmund oder Gladbach spielst, die Gegenspieler sehr früh anlaufen, stören und ein hohes Pressing spielen. Da hast du als Innenverteidiger wenig Zeit, um rauszuspielen. Ich glaube, das wird in England auch so sein. Was vielleicht in England dazukommt, ist, dass die Stürmer noch mehr Physis mitbringen, in den Zweikämpfen noch robuster sind und man da noch ein Stück weit geforderter ist. Vielleicht sind die Spieler in Deutschland dafür ein bisschen spielstärker.

…DARÜBER, DASS ER VOM ABSTIEGSKAMPF IN DAS RENNEN UM INTERNATIONALE STARTPLÄTZE WECHSELT:

Dieses Jahr war das erste, in dem ich wirklich gegen den Abstieg gespielt habe, obwohl wir nie groß gefährdet waren. Aber es hat immer geheißen, wir spielen gegen den Abstieg, der Klassenerhalt ist das Ziel. Das ist auf jeden Fall ein anderer Stress, als wenn man oben mitspielt. Abstiegskampf muss ich ehrlich gesagt nicht jedes Jahr haben, wobei wir es relativ souverän gemeistert haben. Tottenham ist immer oben mit dabei, will immer international spielen. Natürlich ist die Erwartungshaltung eine andere, aber das ist positiver Druck. Wenn man trotz dieses Drucks erfolgreich ist, ist es umso schöner.

…DARÜBER, OB ES MÖGLICH IST, DIE LÜCKE ZU DEN TOP-TEAMS CHELSEA, ARSENAL, MANCHESTER UNITED UND MANCHESTER CITY ZU SCHLIESSEN:

Auf jeden Fall. Tottenham hat in dieser Saison die Heimspiele gegen Chelsea und Arsenal gewonnen. Da sieht man schon, dass sie mithalten können. Nur ist halt oft das Problem gewesen, dass man dann gegen die vermeintlich Kleineren unnötig Punkte liegen lässt, was den absoluten Spitzenmannschaften wie Chelsea nicht so oft passiert. Das gilt es noch zu verbessern. Aber ich glaube, dass von der Mannschaft her der Unterschied zu Chelsea, Arsenal oder Man City nicht allzu groß ist, da man in den direkten Duellen immer wieder sieht, dass man auf jeden Fall mithalten und die auch schlagen kann.

…DARÜBER, WAS FÜR IHN NACH TOTTENHAM NOCH ALS PERSÖNLICHE STEIGERUNG KOMMEN KÖNNTE:

Vielleicht der LASK zum Ausklang der Karriere (lacht). Es ist schwer vorauszusehen, wie meine Zeit in London wird. Wenn alles so verlaufen sollte, wie man sich das vorstellt, gibt es immer noch Steigerungen nach oben. Aber in England oder speziell in London ist das ja auch ein heikles Thema, zu anderen Mannschaften zu wechseln. Ich denke, dass Tottenham besonders in London, aber auch in England eine gute Adresse ist – auf jeden Fall ein Verein, der eine sehr junge Mannschaft hat und auf längere Sicht gesehen auch weiter oben anklopfen kann. Ich glaube, recht viel mehr nach oben gibt es eh nicht mehr. Wenn, müsste ich dann schon wirklich zum LASK wechseln (grinst).