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Egal, woher du kommst

Egal, woher du kommst

Sieben von zwölf. Was Tore angeht, ist in dieser Saison kein Spieler wichtiger für sein Team als Saido Berahino.

58 Prozent der Premier-League-Tore von West Bromwich Albion gehen auf das Konto des 21-Jährigen. Hinter Sergio Agüero und Diego Costa (je neun Treffer) bedeutet das Rang drei in der Torschützenliste.

„Wenn du mir vor zehn Jahren gesagt hättest, dass ich in der Premier League und für England spielen würde, hätte ich dir nicht geglaubt“, sagt der U21-Internationale in der „Daily Mail“. Ein Satz, den man von so manchem Kicker schon gehört hat. Doch Berahinos Karriere ist in der Tat erstaunlich.

Kindheit im Bürgerkrieg

Immerhin wuchs der Stürmer im vom Bürgerkrieg zerrütteten Burundi – aktuell das zweitärmste Land der Welt – auf. Vier Jahre später fiel sein Vater dem Krieg zum Opfer.

Für Berahinos Familie ging es ums nackte Überleben. Der Fußball – so klischeehaft das klingen mag – war für den Jungen eine Möglichkeit, den tristen Alltag kurzzeitig zu vergessen.

„Der Fußball war alles, was wir hatten. Es ist nicht wie hier, wo die Kinder Playstations und das Internet haben. Wir waren die ganze Zeit draußen, haben überall, wo wir konnten, gespielt – auf Gras, Sand oder Schotter. Keiner von uns hatte Schuhe und den Ball haben wir selbst gemacht, indem wir jede Menge Plastiksackerl verschnürt haben“, berichtet er von seiner Kindheit.

Bange erste Tage auf der Insel

Schließlich entschied sich die Familie, zu fliehen. „Wir mussten das tun. Wir mussten all unsere Freunde zurücklassen. Es war verrückt“, so der Kicker, der im Gegensatz zu seinen Geschwistern zunächst aber in Burundis Hauptstadt Bujumbura zurück blieb.

Berahino weiter: „Irgendwie hat es meine Mutter dann nach England geschafft. Ich bin mit einem Freund nachgekommen.“ Was unspektakulär klingt, war ein wochenlanges Zittern und Warten. Als der zehnjährige Saido aus dem Flugzeug stieg, warteten nämlich nicht die Mama mitsamt Geschwistern am Flughafen, sondern die Behörden.

„Ich habe meine Mutter einige Wochen nicht gesehen“, berichtet der West-Brom-Goalgetter. Der Junge lebte in einem Auffanglager für Flüchtlinge und musste bange Tage, in denen ihm immer wieder mit einer Abschiebung gedroht wurde, durchstehen. Erst als ein DNA-Test endgültig bewies, dass Liliane tatsächlich seine leibliche Mutter ist, durfte er zu seiner Familie.

Der Kulturschock

„Von da an hat mein neues Leben begonnen“, sagt Berahino. Doch das Leben in Birmingham war weiterhin kein Zuckerschlecken.

Auch in Englands U21-Nationalteam trifft Berahino regelmäßig

Am Ende der Vorsaison standen 32 Meisterschaftsspiele (elf in der Startelf), fünf Tore und zwei Assists auf seinem Statistik-Sheet. Seit diesem Sommer darf sich Berahino endgültig Stammspieler nennen. In den ersten neun Runden hat er immer von Beginn an gespielt, wurde nur ein einziges Mal – in der Schlussminute – ausgewechselt. Und hat schon sieben Treffer erzielt.

„Er will wissen, wie weit Rooney war“

„Saido kann ein Top-Spieler werden“, ist sich sein Trainer Alan Irvine sicher. Der Mann hat auch schon mit dem jungen Wayne Rooney gearbeitet und wird von Berahino auch immer wieder darauf angesprochen. „Wir plaudern oft miteinander und er will immer wissen, wie weit Rooney in diesem Alter war“, lacht der West-Brom-Coach.

Irvine weiß aber auch: „Er ist in einem Alter, in dem es in die eine oder in die andere Richtung gehen kann. Uns ist bewusst, dass er derzeit eine Menge Aufmerksamkeit bekommt, umso wichtiger ist, dass wir ihn unterstützen und in der Spur halten.“

Es ist anzunehmen, dass sich das Interesse noch einmal erhöht, wird doch bereits damit spekuliert, dass der Stürmer schon bald ins englische A-Team einberufen wird. Es wäre jedenfalls keine große Überraschung, ist es doch bei den „Three Lions“ in jüngster Vergangenheit Usus, junge, aufstrebende Offensivspieler rasch mit Einberufungen zu belohnen.

Der nächste Schritt

Spätestens im Winter werden die ersten ernsthaften Angebote für den U21-Internationalen, dessen Vertrag noch bis Sommer 2017 läuft, eintrudeln. Klubs wie Liverpool und Tottenham wird Interesse nachgesagt.

Wenn Berahino seine aktuelle Form beibehält, ist es jedenfalls nur noch eine Frage der Zeit, bis er den nächsten Schritt in seiner erstaunlichen Vita macht.

„Es war alles Gottes Plan. Gott führt mich. Ich weiß auch, dass mich mein Papa aus dem Himmel beobachtet. Er ist einer der Engel da oben“, sagt Berahino.

Harald Prantl

„Es war ein riesiger Kulturschock. Ich sprach nur Französisch, konnte kein Wort Englisch. In der Schule hatte ich einen Lehrer, der mir die Sprache beibrachte. Es war frustrierend, ich wollte doch nur bei den anderen Kindern sein.“

Das verbindende Element ließ sich dann aber doch recht schnell finden – der Fußball. „So habe ich den Respekt der anderen Kinder erlangt und bin schnell angekommen“, so der Youngster. In der Aston Manor Academy spielte er seine Gegner regelmäßig schwindelig, schon in der U21 wechselte er in den West-Brom-Nachwuchs.

„Mir war das zu fachspezifisch“

Und plötzlich war der Fußball nicht mehr ganz so unbeschwert: „Ich hatte keine Ahnung, was ich tat. Ich bin nur gelaufen und habe Tore geschossen und jeder erzählte mir: ‚Yay, yay, du bist so ein großartiger Fußball, bla, bla, bla.‘ Aber als ich zu West Brom kam, hieß es: ‚Du musst diesen Laufweg nehmen, du musst den Ball halten, du darfst nur zwei Ballberührungen machen.‘ Mir war das alles ein bisschen zu fachspezifisch. Ich brauchte drei Jahre, um das Spiel halbwegs zu verstehen.“

Berahino wurde immer besser und spielte sich rasch auf die Notizzettel diverser Scouts. Zudem wurde er, der mittlerweile die englische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, regelmäßig in die Nachwuchs-Nationalteams der „Three Lions“ einberufen. 2010 gewann er in Liechtenstein mit England die U17-WM.

Der Durchbruch

Ein Jahr später unterzeichnete der Offensivspieler seinen ersten Profi-Vertrag und ging den üblichen Weg eines englischen Talents – er wurde an unterklassige Vereine verliehen (Northampton Town, FC Brentford, Peterborough United).

Am 1. September 2013 debütierte der 1,80m große Fußballer in der Premier League, nicht ganz ein Monat später erzielte er seinen ersten Treffer in Englands höchster Spielklasse – beim 2:1-Sieg gegen Manchester United im Old Trafford.