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"Ans Aufgeben hab' ich nie gedacht"

Gewissheit, Glaube, Hoffnung, Zuversicht.

Alles Worte, die Rubin Okotie in den letzten Monaten kaum verwendet hat.

Ein Knorpelschaden im Knie vor fast zwei Jahren (September 2009) hat beim 24-Jährigen einiges verändert.

Okotie hat sich verändert. Die Leidenszeit hat ihn verändert.

"Es ist schon schwer, wenn du so lange verletzt bist. Da gibt es dann Phasen, wo du nah am Verzweifeln bist."

Aber der vierfache ÖFB-Teamspieler hat nie ans Aufgeben gedacht und denkt auch jetzt nicht daran.

Er will sich wieder zurückkämpfen. Wo, das weiß er selbst noch nicht genau.

Nur beim 1. FC Nürnberg nicht, so viel ist sicher. Denn Trainer Dieter Hecking legt dem Stürmer im LAOLA1-Interview deutlich einen Abschied nahe.

Wie es nun weiter geht, was für ihn am besten wäre, und warum er von der Austria schwer enttäuscht ist, erklärt er beim Termin mit LAOLA1.

LAOLA1: Rubin, du bist mit Nürnberg das zweite Mal binnen kürzester Zeit in Österreich. Schön, dass die Vorbereitung quasi „zuhause“ stattfindet?

Rubin Okotie: Absolut. Ich komm' zwar nicht aus dem Westen, trotzdem ist Tirol für mich Heimat. Es ist immer wieder schön, hier zu sein.

LAOLA1: Die Vorbereitung gilt als härteste Zeit für Fußballer. Bist du nach deiner Verletzung schon wieder bei 100 Prozent?

Okotie: Ja, ich fühl' mich körperlich wirklich wieder gut. Ich hab' in den letzten Wochen einige Schritte nach vorne gemacht, da ich privat zwei Wochen mit ÖFB-Physiotherapeut Mike Steverding trainieren konnte. Wir haben spezielle Übungen für das Knie gemacht, damit es stabiler ist.

LAOLA1: Spürst du noch Nachwirkungen bei gewissen Bewegungen?

Okotie: Nein, im Großen und Ganzen nicht. Es kann aber natürlich sein, dass ich bei Spielen manchmal etwas spüre.

LAOLA1: Spielt das Mentale dabei eine Rolle?

Okotie: Angst vor gewissen Bewegungen hab' ich überhaupt keine. Ich hab' auch das harte Training der letzten Wochen gut verkraftet. Der Kopf ist frei. Die 100-prozentige Fitness und Sicherheit bekomm' ich aber nur durch Spiele.

LAOLA1: Wie schwer war die Leidenszeit für dich?

Okotie: Es ist schon schwer, wenn du so lange verletzt bist. Da gibt es dann Phasen, wo du nah am Verzweifeln bist. Aber diese Phasen musst du überstehen und weiter kämpfen.

LAOLA1: Hast du jemals ans Aufhören gedacht?

Okotie: Nein, ans Aufgeben hab' ich nie gedacht.

LAOLA1: In Nürnberg war es vergangene Saison nicht einfach. Kannst du auch etwas Positives mitnehmen?

Okotie: Natürlich. Mir hat das Jahr in Nürnberg auch etwas gebracht. Leider war ich nie richtig fit. Und immer, wenn ich nah an der Mannschaft dran war, kam der nächste Rückschlag. In dieser Phase hab' ich gelernt, dass man nie den Kopf hängen lassen darf. Du musst immer an dich glauben und hart weiter arbeiten. Auch wenn es schwer fällt.

LAOLA1: Hättest du damit gerechnet, dass der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland so groß ist?

Okotie: Mein Hauptproblem war, dass ich in keinem körperlichen Top-Zustand gekommen bin. Wäre ich in der aktuellen Verfassung gekommen, hätte ich sicher nicht so lange gebraucht.

LAOLA1: Wie bist du mental mit den vielen Rückschlägen zurecht gekommen? Hast du dir professionelle Hilfe geholt?

Okotie: Zum einen sprech' ich viel mit meiner Mama, zum anderen hab' ich wieder angefangen, mit einem Mentaltrainer zu arbeiten. Ich hatte ihn schon in der FSA-Akademie und nun arbeiten wir wieder zusammen.

LAOLA1: Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?

Okotie: Wir sprechen ein Mal pro Woche ausführlicher miteinander. Da wir in getrennten Städten leben, läuft das über Skype. Wir arbeiten an verschiedenen Techniken, die dir helfen, dich nur auf dich zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Bei mir funktioniert das ganz gut.

LAOLA1: In Kürze startet die U20-WM in Kolumbien. Dort ist vor vier Jahren unter anderem dein Stern aufgegangen. Denkst du ab und zu noch an dieses Sommermärchen?

Okotie: Klar denkt man immer wieder mal daran. Dann kommen die schönen Momente wieder hoch. Es war wirklich eine tolle Zeit mit den anderen Jungs. Ich wünsch' auch dem aktuellen U20-Team alles Gute. Sie können Ähnliches erreichen wie wir, da die Truppe wirklich gut ist. Viele spielen im Ausland oder in der Bundesliga.

LAOLA1: Stichwort Ausland: Gibt es eigentlich einen richtigen Zeitpunkt, um ins Ausland zu wechseln?

Okotie: Das muss im Endeffekt jeder für sich selbst entscheiden. Man spürt ja, ob man für diesen Schritt bereit ist. Wenn man bereit ist, würde ich jedem diesen Schritt empfehlen. Im Ausland ist das Niveau einfach höher als in Österreich.

LAOLA1: Gibt es Dinge, die du in den letzten vier Jahren bereut hast?

Okotie: Man macht immer Fehler, das gehört zur Entwicklung einfach dazu. Aus solchen Dingen musst du auch lernen.

LAOLA1: Wie gehst du mit der großen Erwartungshaltung um, die es seit 2007 gibt?

Okotie: Ich versuch' immer, mein Bestes zu geben. Die Erwartungen anderer seh' ich nicht als Belastung. Wenn du alles gibst, kommt der Rest ohnehin von alleine.

Das Interview führten Kurt Vierthaler und Christoph Nister

LAOLA1: Sportlich stehen bei dir schwere Zeiten ins Haus. Wie siehst du deine Rolle in Nürnberg?

Okotie: Ja, es ist wirklich sehr schwierig. Nürnberg hat für meine Position einen weiteren Spieler geholt, daher bin ich nur mehr Stürmer Nummer drei.

LAOLA1: Trainer Dieter Hecking hat im LAOLA1-Interview klar gesagt, dass er derzeit nicht mehr mit dir plant und ein Ausleihgeschäft forciert.

Okotie: Ich sehe das ähnlich. Für mich ist wichtig, dass ich diese Saison so viele Spiele wie möglich mache. In Nürnberg wird das nicht funktionieren, darum müssen wir eine Lösung finden.

LAOLA1: Wie weit sind Gespräche mit anderen Klubs fortgeschritten?

Okotie: Teilweise schon sehr weit. Ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen eine Entscheidung gibt.

LAOLA1: Es gab in letzter Zeit immer wieder Gerüchte um mögliche Klubs. Dynamo Dresden und Ingolstadt sollen potenzielle Abnehmer sein. Ist da was dran?

Okotie: Ja, da ist schon was dran. Ich wollte jetzt mal mit Nürnberg in die Vorbereitung starten und sehen, wie es mir körperlich geht. Nun folgen in weiterer Folge die Gespräche.

LAOLA1: Wäre die zweite deutsche Liga die beste Option?

Okotie: Wichtig ist primär, dass ich spiele. Ich muss meinen Rhythmus finden und dazu brauche ich Spielpraxis. Die zweite deutsche Liga ist eine starke Liga, in der ich mich gut entwickeln könnte.

LAOLA1: Wäre eine Rückkehr nach Österreich eine Option?

Okotie: Derzeit gibt es keinen Kontakt zu österreichischen Klubs. Mein Berater hat Kontakt zu zwei spanischen Vereinen aus der ersten Liga. Wir sind aber nicht sicher, ob wir das machen wollen.

LAOLA1: Welche Voraussetzungen muss ein Verein erfüllen, damit er für dich in Frage kommt?

Okotie: Wichtig ist, dass der Klub auf mich baut. Natürlich wäre es auch nicht schlecht, wenn mir der Spielstil entgegen kommt.

LAOLA1:
Hecking traut dir mittelfristig zu, dass du dich in der deutschen Bundesliga durchsetzt. Wie ist dein Verhältnis zu ihm?

Okotie: Das Verhältnis ist so, wie es zwischen Spieler und Trainer eben ist. Wir kommunizieren jetzt nicht viel, aber wenn es etwas gibt, dann kommt er auf mich zu.

LAOLA1: Wie schwer ist es, wenn man im Prinzip keine Chance auf Einsätze hat?

Okotie: Es ist schon frustrierend, weil es eigentlich von Anfang an klar ist. Du kannst zwar alles geben, aber du weißt, dass zwei Spieler vor dir sind. Darum ist es schwer, weil ich es nicht in meiner Hand hab'. Aber so ist das Geschäft. Ich werde trotzdem Gas geben, denn irgendwann werde ich dafür belohnt.

LAOLA1: Hast du den Schritt ins Ausland in den letzten Monaten bereut?

Okotie: Im Nachhinein ist man natürlich immer klüger. Aber bei der Austria sind einige Dinge vorgefallen, weshalb ein Verbleib nicht mehr möglich war. Deswegen war Nürnberg damals die beste Option für mich.

LAOLA1: Welche Dinge sind bei der Austria vorgefallen?

Okotie: Es sind Sachen vorgefallen, bei denen sich die Austria nicht korrekt verhalten hat.

LAOLA1: Ist die Tür damit für immer geschlossen?

Okotie: Das würde ich nicht sagen. Die Austria ist der Verein, bei dem ich groß geworden bin und dem ich viel zu verdanken hab'. Aber in der Phase, wo ich verletzt war, wurde mit mir nicht korrekt umgegangen. Man hat nicht an mich geglaubt und mir kein Vertrauen geschenkt. Das hat mich schon enttäuscht. Außerdem...

LAOLA1: Außerdem?

Okotie: Außerdem, hab' ich für den Verein immer alles getan und auch unter Schmerzen gespielt. Nach so einer schweren Verletzung hätte ich mir mehr Rückendeckung erwartet. Das war auch der ausschlaggebende Grund, warum ich nicht bleiben konnte. Danach hat man mich so hingestellt, als würde ich nur des Geldes wegen gehen und zu Salzburg wechseln.

LAOLA1: War Salzburg jemals ein Thema?

Okotie: Eigentlich hab' ich immer gesagt, dass die Austria in Österreich mein Verein ist. Aber die vorher genannten Dinge haben mich schon getroffen. Also hab' ich gesagt, ich hör' mir alles an. Letztlich wollte ich jedoch lieber den Schritt ins Ausland wagen.