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Alle gegen einen: Die Jagd auf Bayern beginnt

Alle gegen einen: Die Jagd auf Bayern beginnt

83 Tage sind genug.

Die deutsche Bundesliga erklärt ihre Sommerpause für beendet und startet mit dem Nord-Süd-Gipfel zwischen Rekordmeister FC Bayern und Relegations-"Champion" Hamburger SV (ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker) in die 53. Spielzeit.

Die Münchner haben dabei die Chance, als erster Verein viermal in Folge den Titel zu gewinnen, werden jedoch von der Liga gejagt wie kein anderer Klub.

Zwei Klubs schicken sich dabei ganz besonders an, dem Team von Pep Guardiola die Suppe zu versalzen, um zum großen Wurf auszuholen: Vize-Meister und Pokalsieger VfL Wolfsburg sowie Borussia Dortmund.

Doch nicht nur vorne soll die Post abgehen, auch unter den Nachzüglern herrscht dichtes Gedränge, will doch keiner den Gang in die zweite Liga antreten.

Im Bundesliga-Check behandeln wir die Titel- und Abstiegskandidaten, thematisieren mögliche Brandherde und lehnen uns weit aus dem Fenster - Wetten, dass ...???

DER TITELVERTEIDIGER

Die "magische 4" schwebt in dieser Saison über dem FC Bayern. Nach zuletzt drei überlegenen Meisterschaften en suite wollen sich die Münchner erneut die Krone aufsetzen. "Das hat noch keiner geschafft", gibt Pep Guardiola die Marschrichtung vor: Der FCB will Geschichte schreiben! Der Titelverteidiger hat zwar mit Bastian Schweinsteiger den von Bayern-Fans als "Fußballgott" verehrten Vize-Kapitän an Manchester United abgegeben, dafür aber mit Arturo Vidal und Douglas Costa zwei echte Kracher an Land gezogen.

Sportlich sollten die Münchner noch einen Tick besser aufgestellt sein als in der letzten Saison, sodass der Titel wohl erneut über den FCB führt. Die Münchner sind auf allen Positionen mindestens doppelt besetzt, Guardiola hat die Qual der Wahl und wird - sofern seine Schützlinge nicht erneut von großem Verletzungspech gestoppt werden - von Beginn an die Rotationsmaschine anwerfen, um seinen Stars die nötigen Verschnaufpausen zu verschaffen.

Was den Rekordmeister auszeichnet und von der Konkurrenz abhebt, ist zweifellos seine Konstanz. Während die Bayern in der vergangenen Saison gegen die Nachzügler fast ausnahmslos voll gepunktet haben, ließen die Konkurrenten reihenweise Federn. Ein Schwachpunkt waren allerdings direkte Duelle der Europacup-Starter: In einer Liga der Top-6 der Vorsaison hätten die Bayern tatsächlich den letzten Platz eingenommen.

 

DIE HERAUSFORDERER

Der VfL Wolfsburg wird vielerorts bereits als zweite Kraft des deutschen Fußballs bezeichnet. Das ist nach einer exzellenten Saison natürlich verfrüht, die Niedersachsen schicken sich jedoch an, den Abstand zur Konkurrenz an der Isar zu verkleinern. Gelingt es Geschäftsführer Klaus Allofs, alle seine Schäfchen - allen voran den von Manchester City umworbenen Kevin de Bruyne ("Er bleibt zu 99,9 Prozent") - im eigenen Stall zu halten, ist den Wölfen erneut einiges zuzutrauen. Dieter Hecking kann weitgehend auf das (eingespielte) Vorjahres-Personal zurückgreifen und bekam mit Max Kruse einen Knipser als Sommer-Geschenk präsentiert. Nach Jahren der extraorbitanten Fluktuation (Stichwort Magath) besinnt sich der VfL auf Kontinutität - und hat damit Erfolg.

Alles neu macht der Tuchel - nach diesem Motto ist bei Borussia Dortmund kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Nach der verkorksten letzten Spielzeit unter Jürgen Klopp steht nun der 41-Jährige auf der schwarz-gelben Kommandobrücke. Zweifellos tritt er ein schweres Erbe an, für zahlreiche BVB-Akteure stellt der Wechsel jedoch eine neue Chance dar. Henrikh Mkhitaryan blühte in der Vorbereitung regelrecht auf und soll das Spiel der Westfalen lenken, mit Gonzalo Castro, Roman Bürki und Top-Talent Julian Weigl hat man sich qualitativ und quantitativ verstärkt. Der verkorkste Herbst 2014 ist vergessen, mit dem BVB muss man definitiv wieder rechnen.

DER KAMPF UMS ÜBERLEBEN

Der Relegationsplatz ist für den Hamburger SV reserviert. Nein, im Ernst: Nach der Pokal-Blamage in Jena sowie mehreren Pannen abseits des Platzes ist Bruno Labbadia schon vor Liga-Beginn nicht um seinen Job zu beneiden. Da ausgerechnet die Bayern auswärts als erste Aufgabe warten, droht den Rothosen weiter Ungemach.

Von einer schwierigen Saison gehen viele in Hannover aus. Lars Stindl, Um und Auf im Spiel der 96er, Joselu oder auch Leonardo Bittencourt sind weg. Topeinkauf der Niedersachsen ist Oliver Sorg. Noch Fragen? Auch in Berlin wächst die Skepsis ob der Liga-Tauglichkeit der Hertha. Neben Vladimir Darida von Absteiger Freiburg soll Mitchell Weiser dem Spiel der "Alten Dame" neuen Schwung verleihen.

Und dann wären da freilich noch die üblichen Verdächtigen in Form der Aufsteiger. Mit rund 15 Millionen Euro Budget ist der SV Darmstadt mit Abstand Liga-Schlusslicht und damit wohl noch größerer Außenseiter als der SC Paderborn im Vorjahr. Dazu hat sich der FC Ingolstadt erstmals den Weg ins Oberhaus gebahnt. Zwar scheint der Kader qualitativ hochwertiger als jener in Darmstadt zu sein, es wird aber nicht ausbleiben, dass die Mannen von Ralph Hasenhüttl einiges an Lehrgeld bezahlen müssen.

Pleiten, Pech & Pannen

Geht es um diese drei Worte, geht es auch um drei Buchstaben: HSV. Es ist immer wieder erschreckend, wie tölpelhaft sich Verein und Angestellte aufs Neue übertreffen. Da die Rothosen dadurch vermeidbare Nebenkriegsschauplätze schaffen, wächst die Unruhe und steigt der Druck. Das schwere Auftaktprogramm mit vier Auswärtsspielen an den ersten fünf Spieltagen könnte sein Übriges dazu beitragen, dass der Bundesliga-Dino den Medien auch weiterhin (Negativ-)Schlagzeilen am Fließband liefert.

 

Fehlendes Bekenntis

Geht er oder bleibt er? In München ist die Personalie Pep Guardiola längst ein Dauerthema und wird dies auch bleiben, bis die Zukunft des zuletzt gereizten und genervten Spaniers geklärt ist. Ein Treuebekenntnis sieht anders aus, die Frage, ob er "der Richtige für diesen Verein" sei, deutet auf erhebliche Zweifel seinerseits hin. Die Bayern haben sich in eine Position der Abhängigkeit manövriert und sind ihrem Cheftrainer ausgeliefert. Die Geduld der Fans neigt sich, auch bedingt durch den Abschied von Bastian Schweinsteiger, dem Ende entgegen, zuletzt gab es vereinzelt Buhrufe für Guardiola. Für Entspannung sorgt an der Isar nur eines: Siege, Siege, Siege!

 

Fehlendes Bekenntnis II

Man muss Kevin de Bruyne zugutehalten, dass er immer mit offenen Karten gespielt hat.  "Ich bin keiner, der sagt, er bleibt und nach zwei Wochen ist er weg." Das ehrt den Belgier, macht die Angelegenheit für den VfL Wolfsburg aber nicht einfacher. De Bruyne ist der Topstar der Niedersachsen und wäre nicht zu ersetzen. Zwar glaubt Geschäftsführer Klaus Allofs, dass sein Schützling "zu 99,9 Prozent" bleibt, eine Garantie dafür hat er allerdings nicht. Wolfsburgs Titelambitionen stehen und fallen mit dem 24-Jährigen. Dem Pokalsieger bleibt es nicht erspart, bis 31. August zu zittern.

 

Der dünne Geduldsfaden

Fußball-Anhänger in Gelsenkirchen gehören zu den leidenschaftlichsten in Deutschland. Sie zählen aber auch zu jenen mit der kürzesten Zündschnur. Läuft es nicht nach Wunsch, äußern sie lautstark ihren Unmut. Genau hier lauert auf Schalke die Gefahr. Nach der schwachen letzten Saison träumen die Knappen wieder von mehr, misslingt jedoch der Start in die 53. Bundesliga-Spielzeit, gibt es umgehend Troubles. Andre Breitenreiter und seine Truppe brauchen von Beginn an Erfolgserlebnisse, damit dauerhaft Ruhe einkehrt. 

 

Hohe Erwartungshaltung

"Es gibt einen deutlichen Umbruch, weil wir fünf, sechs neue Stammspieler haben. Das braucht Zeit, deswegen müssen wir mit Vernunft und Realismus in diese Saison gehen." Worte aus dem Mund von Hannover-Präsident Martin Kind, die so gar nicht zu ihm passen. Der 71-Jährige gilt als nicht besonders geduldig, sodass Michael Frontzeck, ohnehin mit wenig Kredit ausgestattet, frühzeitig in die Schusslinie zu geraten droht, wenn der Erfolg ausbleibt. Dazu passt es, dass Kind bei "Sport1" die oben genannten Worte wie folgt fortsetzte: "Als Saisonziel haben wir Platz acht bis zwölf ausgegeben, damit wären wir zufrieden." Zur Erinnerung: Im Mai retteten sich die 96er auf den allerletzten Drücker.

EUROPA IST PFLICHT

Hinter dem VfL und dem BVB tummeln sich gleich mehrere Teams, die zumindest die Europa League, bei gutem Saisonverlauf aber sogar die Champions League anvisieren. Allen voran Bayer Leverkusen, das sich mit Charles Aranguiz, Admir Mehmedi und Rückkehrer Christoph Kramer verstärkt hat. Ein Fragezeichen steht derzeit hinter der Abwehr von Trainer Roger Schmidt, da Ömer Toprak (Sehnenriss) und Tin Jedvaj (Oberschenkelprobleme) ausfallen.

Ein weiteres Facelifting hat der FC Schalke 04 hinter sich. Andre Breitenreiter übernahm die Trainer-Agenden von Roberto di Matteo und will die Knappen mit neuem Spielstil und einigen neuen Spielern, vor allem Johannes Geis wusste in der Vorbereitung zu gefallen, zurück in die Erfolgsspur führen. Der Kader mit zahlreichen Toptalenten hat das Potenzial für die Königsklasse, ein guter Saisonstart ist angesichts der ansonsten zu befürchtenden Unruhe in Gelsenkirchen allerdings Pflicht.

Nach einer überragenden Saison 2014/15, die in der erstmaligen Champions-League-Teilnahme mündete, wird Borussia Mönchengladbach erneut hoch gehandelt. Bei den "Fohlen" gilt es allerdings abzuwarten, ob Josip Drmic und Lars Stindl die Abgänge von Max Kruse und Christoph Kramer wie gewünscht vergessen machen. Hinzu kommt die Doppelbelastung auf einem für viele Gladbach-Spieler neuem Terrain.

 

DARK HORSES

Selten zuvor drängen sich die Europacup-Kandidaten - laut Papierform - wie in dieser Saison auf. Das heißt natürlich längst nicht, dass sie am Ende auch das erste Tabellendrittel ausfüllen - Borussia Dortmund weiß nur zu gut, was gemeint ist. Bei den potenziellen Überraschungskandidaten gibt es allerdings auch Fragezeichen.

Da wäre etwa der 1. FC Köln, der tiefstapelt und als Ziel den Klassenerhalt ausgibt. Man wolle sich in der Liga konsolidieren, heißt es. Die Schwachstelle, die harmlose Offensive (nur 34 Tore), wurde ordentlich aufgemotzt, mit Anthony Modeste ein Stürmer aus Hoffenheim abgeworben. Fraglich bleibt, ob die für mehr Kreativität geholten Milos Jojic (23) und Leonardo Bittencourt (21) auf Anhieb das Spiel beleben können.

Die TSG Hoffenheim rechnet sich erneut Chancen auf einen einstelligen Tabellenplatz mit der Hoffnung auf mehr aus. Zurecht, denn der Kader ist in puncto Qualität und Quantität in der oberen Hälfte anzusiedeln. Ob Trainer Markus Gisdol die Abgänge von Topstar Roberto Firmino sowie den langjährigen Stützen Andreas Beck und Sejad Salihovic, die als Persönlichkeiten zweifellos fehlen werden, kompensieren kann, bleibt abzuwarten.

Hinzu kommt die Frankfurter Eintracht, die mit Trainer-Rückkehrer Armin Veh durchstarten will. Zweifel bestehen allerdings, da Toptorjäger Alex Meier voraussichtlich erst Mitte/Ende Oktober ins Geschehen eingreifen kann. Und dann wäre da noch der VfB Stuttgart. Dort blieb das Stammpersonal größtenteils beisammen, dafür steht mit Alex Zorniger ein neuer Mann in der Coaching-Zone. Die Vorbereitung lief gut, vor allem das Duo Daniel Ginczek/Daniel Didavi begeisterte die Fans. Die große Frage: Genügt Zorniger, um nach den Rängen zwölf, 15 und 14 endlich wieder den Europacup ins Visier nehmen zu können?

Wir legen uns vor Saisonbeginn fest. Wetten, dass ...

 
... der Hamburger SV diesmal die Relegation verpasst? Wir glauben: Die Hanseaten halten die Klasse direkt.
 
... die Hinrunden-Superserie der Bayern (letzte Niederlage 2012) zu Ende geht? Peps Mannen verlieren mindestens ein Spiel bis zur Winterpause.
 
... Henrikh Mkhitaryan seine Scorer-Ausbeute der letzten Saison (neun Punkte) zumindest verdoppelt? Der Armenier ist unter Thomas Tuchel kaum wiederzuerkennen.
 
... zum vierten Mal in Folge ein Aufsteiger direkt als Schlusslicht wieder absteigt? Wir befürchten, dass es die Lilien aus Darmstadt schwer haben.
 
... die Spiele des FC Bayern auswärts wie zuhause allesamt ausverkauft sein werden? Das waren sie schließlich schon in den letzten knapp 300 Matches.
 
... Borussia Dortmund in der Hinrunde maximal halb so viele Niederlagen kassiert wie in der letzten Saison? Da waren es zehn Pleiten.
 
... Werder Bremen nicht mehr die Schießbude der Liga sein wird? 65 Gegentore hat sonst nur Paderborn kassiert.
 
... die erste Trainerentlassung nicht länger als fünf Spieltage auf sich warten lässt? Hannovers Michael Frontzeck sitzt laut Wettbüros auf dem heißesten Stuhl.
 
... der VfB Stuttgart in der Heimtabelle mindestens zehn Punkte mehr macht als 2014/15? Mit 19 Zählern landeten die Schwaben auf Rang 17.
 
... in dieser Saison mindestens zwei Spieler die 20-Tore-Marke knacken? Im Vorjahr gewann Alex Meier mit 19 Treffern die Torjägerkanone.
 
... der Kampf um den Meistertitel mindestens bis zum 32. Spieltag spannend bleibt? Das wäre deutlich länger als in den letzten drei Jahren.
 

Christoph Nister