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Ungekrönt

Ungekrönt

Es war jenes Gesicht von Lionel Messi, das er schon so oft in seiner Karriere gezeigt hatte, wenn er wieder einmal von einem Gegenspieler niedergestreckt wurde und völlig ungerührt wieder aufstand.

Auch diesmal verzog der Superstar keine Miene, wirkte wie so oft stoisch. Die 48 Stiegen hinauf zum WM-Pokal musste er gleich zwei Mal steigen. Doch das Objekt der Begierde durfte er nicht berühren.

Beim ersten Mal bekam er sogar eine Trophäe in die Hand gedrückt, es war aber sicher nicht jene, die er an diesem Abend aus dem Maracana mit nach Hause nehmen wollte, es war jene für den besten Spieler des Turniers.

Eine Stufe unter Maradona und Pele

Der zweite Gang in Richtung WM-Pokal war noch schwerer, doch auch diesmal hatte der Argentinier sein Pokerface aufgesetzt, schüttelte artig die Hände diverser Staatschefs, Offizieller, etc. und ließ sich die Silbermedaille um den Hals hängen. Kurz darauf hatte er sie schon wieder abgenommen.

„La Pulga“ hatte die größte Chance seines bisherigen Lebens verpasst, endgültig zum Riesen zu werden. Anstatt sich in eine Reihe mit Diego Maradona, Pele und Franz Beckenbauer zu stellen, bleibt Messi auf einer Stufe mit Johan Cruyff, Michel Platini und Zico – einer der ganz Großen, aber bei Weltmeisterschaften ungekrönt. Und schon wieder scheiterte er an Deutschland.

Im Vorfeld hatte der 27-Jährige das WM-Finale gegen Deutschland als „wichtigstes Spiel in unserem Leben“ bezeichnet. Und man merkte von der ersten Minute an, dass ihm das bewusst war. Messi machte in Rio de Janeiro sein bestes Spiel dieser WM, beschäftigte die DFB-Abwehr mehr, als ihr lieb war und ließ in der 47. Minute eine große Möglichkeit aus.

Immer wieder Deutschland

Apropos Möglichkeit. Es war seine dritte auf den WM-Titel. 2006 in Deutschland war der vierfache Weltfußballer noch ein Teenager und wurde im Viertelfinale auf die Bank gesetzt, von wo aus er mitansehen musste, wie Jens Lehmann im Elferschießen seinen WM-Traum zunichte machte.

Vier Jahre später war Messi schon der unumstrittene Star der Gauchos. Zumindest auf dem Feld. Denn auf der Trainerbank saß Diego Maradona und spielte den Coach. Doch auch in Südafrika war im Viertelfinale Endstation. Wieder gegen Deutschland. Diesmal brauchte die DFB-Elf aber weder Verlängerung, noch Elferschießen, sondern fertigte die „Albiceleste“ mit 4:0 ab.

Es blieb eine schwierige Beziehung zwischen Messi und dem Nationalteam. Beim FC Barcelona lieferte er Gala um Gala, in der „Seleccion“ blieb er zu oft viel schuldig.

Funktionieren unter/neben Sabella

Als Alejandro Sabella im Juli 2011 Teamchef wurde, änderte sich die Lage nach und nach. Der Coach richtete das Spiel der Gauchos voll und ganz auf den Superstar aus, dieser dankte es ihm mit guten Vorstellungen.

Messis Anerkennung in der Heimat, die lange Zeit jener in Europa arg hinterher hinkte, steigerte sich. Im Laufe des Turniers in Brasilien sogar rapide. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, der Superstar führe die Truppe praktisch im Alleingang, aber mit minimalem Aufwand durch das Turnier. Wobei ihm Javier Mascherano in Wahrheit in unspektakulärer Art und Weise jede Menge Arbeit abnahm.

„Er war ein fundamentaler Faktor dafür, dass wir heute hier waren“, sagte Sabella nach dem verlorenen Finale über Messi. Es wurde sogar gemunkelt, Messi und Mascherano hätten tatsächlich dem Coach Aufstellung und Taktik diktiert.

Nach 32 Spielen unter – oder doch neben? – Sabella war jedenfalls klar, dass Messi auch im Nationalteam funktioniert. 25 Treffer hatte „La Pulga“ in diesen Partien erzielt. In den 61 Länderspielen davor konnte der Barca-Profi lediglich 17 Tore verbuchen.

Es war nicht die letzte Chance

Sabellas Ära als Teamchef ist mit dem Abpfiff der WM 2014 aller Voraussicht nach beendet. Wer danach kommt, ist noch unklar. Wie Messi mit ihm zurechtkommt, noch unklarer.

So gut wie sicher ist hingegen, dass Messi noch zumindest eine WM, eventuell sogar zwei spielen kann. Das Tor zum Olymp, auf dem Pele, Maradona und Beckenbauer thronen, ist also nicht endgültig verschlossen.