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Ewiger Kampf zwischen Leidenschaft und Kreativität

Ewiger Kampf zwischen Leidenschaft und Kreativität

Luiz Felipe Scolari hat einen Traum.

Er will Weltmeister werden. In seiner Heimat. Mit seinen Landsleuten.

Soweit verständlich, soweit nicht überraschend. Doch der brasilianische Teamchef hat auch einen ganz speziellen Wunsch für das Endspiel am 13. Juli im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro.

Wenn seine Mannschaft, die im Achtelfinale gegen Chile bis ins Elferschießen musste, bei der Heim-WM den sechsten Titel der Landesgeschichte einfährt, soll der Finalgegner doch bitteschön „Argentinien“ heißen.

„Ich hoffe, dass wir ein Finale Brasilien-Argentinien haben, ein südamerikanisches Endspiel mit Spielern, die eine exzellente technische Qualität haben“, stellte der 65-Jährige bereits vor dem Auftaktspiel gegen Kroatien in einer Pressekonferenz klar.

Rivalität beruht nicht auf Kriegen

„Ich will nicht, dass sie vorher ausscheiden“, würde Scolari den argentinischen Traum, den dritten WM-Titel im Land des großen Rivalen einzufahren, gerne selbst in letzter Minute zerstören.

Doch warum herrscht zwischen den beiden großen Fußball-Nationen Südamerikas überhaupt so eine große Rivalität, die seit Jahrzehnten als eine der berüchtigtsten überhaupt gilt?

Im Gegensatz zu vielen anderen, wie zum Beispiel Deutschland gegen England, ist die brasilianisch-argentinische Feindschaft nicht in früheren, kriegerischen Auseinandersetzungen begründet.

Die beiden Nationen blicken auf eine lange Freundschaft zurück, die bis ins 19. Jahrhundert reicht.

Scolari wünscht sich Finale gegen Gauchos

Damals zogen Brasilien und Argentinien sogar gemeinsam in Kriege (Paraguay-Krieg 1864) und unterstützten sich bei aufkeimenden Problemen gegenseitig.

Brasilien stand zu Beginn im Schatten

Auch die Anfangsjahre des Fußballsports verliefen konfliktfrei.

Brasilien war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weit vom aktuellen Status als Top-Nation entfernt und stand ganz klar im Schatten der Konkurrenz in Form von Argentinien und Uruguay – übrigens auch heute noch der am öftesten ausgetragene Länderkampf der FIFA-Geschichte.

Ab den 50er Jahren wendete sich das Blatt. Brasilien holte, angeführt von Superstar Pele, drei WM-Titel (1958, 1962, 1970) und galt fortan als Fußball-Nation Nummer eins. Plötzlichen stahlen die Zauberer vom Zuckerhut den Gauchos die Show.

Während Letztere vor allem mit ihrem leidenschaftlichen Kampfgeist und ihrer technischen Präzision punkteten, beeindruckten die Brasilianer mit ihrer spielerischen Kreativität.

Maradona gewann am liebsten gegen Brasilien

Die Rivalität besteht aber bis heute. Vor allem die erfolgreiche Ära der Argentinier mit den zwei WM-Titeln 1978 und 1986 sowie „dem göttlichen“ Diego Maradona, der sich mit Pele immer noch um den Ruf des besten Kickers aller Zeiten streitet, heizte das angespannte Verhältnis noch einmal ordentlich an.

In seiner Biographie meinte Maradona sogar: „Mein Land liebt es mehr als alles andere, im Fußball gegen Brasilien zu gewinnen. Bei ihnen ist es aber nicht anders. Sie genießen einen Erfolg gegen uns mehr als Siege gegen die Niederlande, Italien, Deutschland oder einen anderen Gegner. Wie wir. Wie ich. Es ist einfach schön, gegen Brasilien zu gewinnen.“

Statistiker lassen Scolaris Traum leben

Geht es nach Statistikern der Universität Innsbruck und der Wirtschaftsuniversität Wien, geht Scolaris eingangs erwähnter Wunsch übrigens in Erfüllung. Am wahrscheinlichsten ist nicht nur ein WM-Sieg Brasiliens, sondern auch ein Finale gegen die Albiceleste.

Sollte es im Endspiel wirklich zum großen Duell zwischen dem Gastgeber und seinem großen Rivalen kommen, wird es mit Sicherheit auch außerhalb der Landesgrenzen für viel Furore sorgen. Schließlich verfügen beide Mannschaften über ein extrem hohes Fan-Potenzial.

Fahnen-Verbot in Bangladesch

Die Rivalität emotionalisiert sogar so sehr, dass sich andere Staaten zu teilweise kuriosen Schritten gezwungen sehen. So verboten die Behörden von Bangladesch vor der WM 2014 das Anbringen von brasilianischen und argentinischen Flaggen auf den Dächern.

„Mit der WM vor der Tür sind wir eine Nation von Argentiniern und Brasilianern geworden“, ortete ein Regierungssprecher eine Respektlosigkeit gegenüber der eigenen Landesfahne.

So eng wird das in Österreich zum Glück nicht gesehen. Hierzulande ist jeder dazu eingeladen, mit seinem Favoriten mitzufiebern. Denn eine Rivalität kann ja durchaus gesund sein. Vor allem, wenn sie, wie eben erklärt, aus rein sportlichen Motiven besteht.

Christian Frühwald

„Der Neid ist gegenseitig“

Zwischen den beiden Ligen entwickelte sich ein reger Austausch der jeweiligen Top-Spieler. Vor allem die brasilianischen Vereine verstärkten ihre Defensive mit Vorliebe mit Akteuren aus Argentinien.

Roberto Perfumo, ein Weltklasse-Abwehrspieler von Cruzeiro in den 70er Jahren, erklärte den Unterschied zwischen den jeweiligen Nationen in einem Interview mit der argentinischen Zeitung „Olé“: „Der Umgang mit dem Ball ist ganz anders. Wir nutzen ihn eher, um unsere Ziele zu erreichen, sie hingegen für das persönliche Vergnügen.“

„Das hat mit der Lebensweise, mit der Art, wie man sich gibt, zu tun. Für uns ist der Fußball tragisch. Für sie hingegen nicht.“ Eines hätten die Spieler jedoch gemein: „Der Neid ist gegenseitig.“

Maradona heizte Rivalität an

Da ab den 80er Jahren die Stars beider Nationen immer öfter den Weg ins finanzstarke Europa suchten, hatten sich die Transfer-Aktivitäten zwischen Brasilien und Argentinien danach stark reduziert.

Erst in den vergangenen Jahren haben sich die finanzkräftigeren brasilianischen Klubs wieder vermehrt mit Gauchos verstärkt.