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"Mein Baby ist erwachsen geworden"

St. Pölten ist bereit für die Bundesliga.

Zumindest infrastrukturell. Denn das die neue NV-Arena zählt zweifellos zu den schönsten Stadien des Landes.

Sportlich sieht es da noch ein wenig anders aus. Stress hat der SKN auch keinen. „Aber in den nächsten zwei, drei Jahren wollen wir dann aufsteigen“, stellt Martin Scherb im LAOLA1-Interview klar.

Der 41-Jährige ist eine Rarität im Profi-Trainer-Geschäft. Er war nie ein erfolgreicher Kicker. „Ich musste mir alles sehr hart erarbeiten“, sagt der Niederösterreicher.

Er spricht über ABBA als Motivation, das kaum vorhandene Trainer-Scouting und seinen Plan, die Mannschaft als Mittelständer in der Bundesliga zu übergeben.

LAOLA1: Sind die sportlichen Erwartungen durch das neue Stadion gestiegen?

Martin Scherb: Wir wurden wegen unserer Politik der kleinen Schritte oft belächelt. Aber wir haben 2007 ein Projekt gestartet, das nun mit diesem Stadion einen weiteren Superschritt gemacht hat. Andere Vereine haben drei, vier Schritte auf einmal genommen, kommen dadurch aber aus dem Gleichgewicht und können sich oben nicht halten. Bei uns geht es langsam und stetig voran. Die Erwartungshaltung ist nicht hoch, sondern einfach eine Herausforderung.

LAOLA1: Angesichts dieser Infrastruktur ist der nächste Schritt aber zwangsläufig der Aufstieg.

Scherb: Das ist der mittelfristige Plan. Wir haben diese Infrastruktur und eine Mannschaft auf gutem Niveau. Jede Position ist doppelt besetzt. Unser Ziel in der nächsten Saison ist es, vom Bereich Platz vier bis fünf unter die Top drei zu kommen. In den nächsten zwei, drei Jahren wollen wir dann aufsteigen.

LAOLA1: Was fehlt der Mannschaft noch?

Scherb: Nicht mehr viel. Im Frühjahr haben wir nur zwei Punkte weniger geholt, als das beste Frühjahrs-Team. Dieses Niveau wollen wir diesmal konstant halten. Dann werden wir sehen, ob wir noch ein oder zwei Spieler brauchen, um den letzten Schritt zu machen.

LAOLA1: Warum ist es für Trainer, die keine Profi-Fußballer waren, in Österreich so schwer?

Scherb: Weil der Bekanntheitsgrad mit einem ehemaligen Nationalteamspieler viel größer ist, als mit einem unbekannten No-Name von unten. Entscheidend ist aber die Trainer-Bewertung! Wo stehen Mannschaft und Verein, bevor der Trainer gekommen ist? Und wo stehen sie, wenn der Trainer gegangen ist? Dann kann man sagen, ob es erfolgreich oder eine falsche Entscheidung war. Wobei es auch von beiden Seiten nicht passen kann. Es gibt einfach Klubs und Trainer, die nicht zusammenpassen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man sich vorher ausführlich über Ziele und Strukturen unterhält. Erst dann sollte das Gehalt ein Thema sein. Quasi als Punkt 27. So habe ich es immer gehalten.

LAOLA1: Haben Sie das Gefühl, das diese Trainer-Bewertung in Österreich wirklich regelmäßig passiert?

Scherb: Ich glaube nicht. Da fehlt uns noch einiges. In großen Fußball-Ländern gibt es Trainer-Scouting. Da wird beobachtet, wie er arbeitet, wie er sich verhält, wie seine Mannschaften spielen. Bei uns werden Entscheidungen oft aus der Hüfte getroffen. Ich werde mein Bestes dazu beitragen, dass die Trainer-Beobachtung in Zukunft auf eine professionellere Ebene gestellt wird.

LAOLA1: Sie haben mit Mirnel Sadovic, Marcel Holzmann, Gorka Unda, Raphael Rathfuss und Konstantin Kerschbaumer fünf Neuzugänge begrüßen dürfen. Sind Sie damit zufrieden?

Scherb: In den letzten fünfeinhalb Jahren konnten wir budgetär maximal Abgänge ersetzen. Erstmals ist es uns gelungen, uns qualitativ hervorragend zu verstärken. Ich bin sehr zufrieden – das sagt ein Trainer selten.

LAOLA1: Sie sind nach Mattersburgs Franz Lederer der zweitlängstdienende Profi-Trainer Österreichs. Bedeutet Ihnen das etwas?

Scherb: Nein. Wenn ich fünf Jahre wohin in Urlaub fahre, bekomme ich vom Fremdenverkehrsbüro schon die erste Auszeichnung, bei der Bundesliga ist das noch nicht so. Aber es macht mich schon stolz, dass dieser Weg ausgezeichnet wird. Es ist nicht selbstverständlich, so lange Trainer eines Vereins zu sein. Es zeigt mir auch, dass es von den Show-Trainern weggeht, hin zu Trainern, die nach Konzepten arbeiten und gut strukturiert sind. Dafür stehe ich mit meinem Team.

LAOLA1: Sie haben 1997 den Nachwuchstrainer-Lehrgang abgeschlossen und wurden elf Jahre später Profi-Trainer. Haben Sie erwartet, dass das so schnell geht?

Scherb: Es war hier in St. Pölten eine glückliche Fügung. Ich bin ja einer der wenigen Trainer, die keine große Fußballer-Karriere hinter sich haben. Ich musste mir alles sehr hart erarbeiten. Persönlich sehe ich mich aber noch nicht am Ende des Weges angekommen. Ich habe a) hier in St. Pölten noch einiges vor und b) auch persönliche Ziele.

LAOLA1: Wenn man sich Ihre Zwischenbilanz in St. Pölten ansieht, haben Sie das Team in der Regionalliga übernommen und ins solide, obere Mittelfeld der Ersten Liga geführt. Das ist sehr positiv. Dennoch wird Ihr Name nur sehr selten genannt, wenn es um Trainer-Kandidaten in der Bundesliga geht. Fehlt Ihnen die Lobby?

Scherb: Nein, das glaube ich nicht. Es hat im Sommer auch schon zwei Anfragen gegeben. Es ist aber gar nicht zu näheren Gesprächen gekommen, weil mein Baby St. Pölten jetzt erwachsen geworden ist und ich es noch ein bisschen aufziehen will. Ich habe hier noch einiges vor. Das große Ziel ist, St. Pölten als soliden Mittelständer in der Bundesliga zu übergeben.

LAOLA1: Sie haben einmal gesagt: „Ein Trainer muss Experte, Führungskraft, Psychologe, Pädagoge, Wettkampfcoach, Manager und Repräsentant sein.“ Was von all dem können Sie am besten und was am schlechtesten?

Scherb: Was ich am schlechtesten kann, verrate ich nicht. Aber natürlich holt man sich für manche Bereiche Spezialisten, wie wir mit unserem Sportpsychologen. Das zeichnet Führungskräfte in Sport und Wirtschaft aus. Wenn ich Repräsentant des Vereins sein soll, muss ich mich auch entsprechend auf Interviews vorbereiten. Trainer zu sein, ist lebenslanges Lernen. Jeder Trainer, der glaubt, schon alles zu wissen, wird über kurz oder lang scheitern.

LAOLA1: Sie hören vor dem Spiel Musik von David Guetta, um sich die notwendige Emotion zu holen. Wozu braucht man die als Trainer? Sollte man nicht der Ruhepol an der Seitenlinie sein?

Scherb: Das stimmt schon, ein Trainer sollte immer gelassen und souverän wirken. Das strahlt dann auch auf die Mannschaft aus. Aber für die letzten Worte in der Kabine ist es schon wichtig, richtig pushen zu können. Da hilft mir dann David Guetta. In der Regionalliga habe ich übrigens „The winner takes it all“ von ABBA gehört. Mal sehen, was ich mir in dieser Saison reinziehe. Vielleicht wird es ja ein Meisterlied.


Das Gespräch führte Harald Prantl