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"So einen Blödsinn hört man nicht oft"

Im Herbst war Austria Lustenau das in der Ersten Liga, was die Wiener Austria in der Bundesliga darstellte. Ein souveräner Leader, der mit großem Abstand in die Winterpause ging.

Im Frühjahr sind die Vorarlberger in der zweithöchsten Spielklasse nun das, was Rapid im Oberhaus darstellt: Das sieglose Team, über das eine ganze Liga nur staunt und sich wundert.

Doch die Krise des Ländle-Klubs, der mit dem 0:3 bei Schlusslicht Blau-Weiß Linz einen neuen, peinlichen Tiefpunkt verzeichnete, darf als noch veritabler eingestuft werden als jene der Wiener.

„So etwas habe ich noch nie erlebt“

Schließlich ist hier die Rede von jener Austria, die für ganz Fußball-Österreich bereits im Herbst Bundesligist war. Kein Wunder, wenn man sich die Zahlen vor dem Jahreswechsel zu Gemüte führt.

Die Lustenauer blieben die ersten 13 Runden ungeschlagen, mussten überhaupt nur zwei Niederlagen hinnehmen, waren die zweitbeste Offensive sowie die beste Defensive (nur zwölf Gegentore, 2013 schon 14) und führten die Tabelle mit acht Punkten Vorsprung auf St. Pölten an.

Nun wurden sie vom Dritten des Herbstes, Grödig, das neun Zähler zurücklag, überholt und liegen nach nur drei Unentschieden und drei Niederlagen im Frühjahr plötzlich drei Punkte zurück.

„Es ist wirklich unglaublich und schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich mache das schon sehr lange, aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, kann es Präsident Hubert Nagel im Gespräch mit LAOLA1 nicht fassen, was derzeit mit seinem Verein vor sich geht.

Enttäuscht und überrascht zugleich

Vor allem die Art und Weise gibt dem 61-Jährigen zu denken: „Es braucht viel Charakter, dass man da raus kommt. Und wir haben ja viele routinierte Spieler. Wenn wir lauter Junge hätten, hätte ich geglaubt, dass das passieren kann, aber nicht so. Das enttäuscht und überrascht mich zugleich.“

Sportlich haben sich die Lustenauer nach der Pleite in Linz zu erklären versucht (Hier zur Story). Dazu steht aber weiterhin die These über mangelnde Bereitschaft hinsichtlich des Aufstiegs im Raum.

Zum einen wegen der Vertragssituation. Einige Spieler haben noch keinen Vertrag für die neue Saison, die sich eben auch in der Bundesliga abspielen könnte. Wie sehr wirkt sich das wirklich aus?

„Ich kann nichts mehr von irgendwelchen Vertragsverlängerungen hören“, spricht Trainer Helgi Kolvidsson das aus, was sich wohl auch viele Fans in Lustenau denken.

„Das ist eine Dauerausrede“

Sein Boss, der den Vertrag des Isländers vor kurzem um ein Jahr verlängert hat, schlägt hinsichtlich dieses begleitenden Themas in dieselbe Kerbe: „Das ist eine Dauerausrede und sonst gar nichts.“

Zusatz: „Wenn jemand das darauf zurückführt, dass er noch keinen Vertrag hat – das kann es ja nicht sein. Und so werden sich die Angebote sicherlich auch in Grenzen halten.“

Spieler: „Krise rein sportlich“

Daniel Dunst ist einer der Spieler, der noch keinen Vertrag für die neue Saison hat. Der Rechtsverteidiger sagt aber klar: „Diese Krise ist rein sportlich und hat damit nichts zu tun. Ich habe auch mit anderen darüber geredet.“

Er gibt aber zu: „Der eine kann mit der Situation besser umgehen, der andere nicht so. Der Verein hat aber mit dem Großteil gesprochen und es liegt an den Spielern, sich zu entscheiden.“

Auch soll es nicht am finanziellen Angebot liegen, sagt Dunst, der eher nur in der Bundesliga bei der Austria bleibt, nicht aber in der Ersten Liga.

Sascha Boller goss ordentlich Öl ins Feuer

Einer der schon weg ist, heißt Sascha Boller und der goss Öl ins Feuer.

Der Deutsche sorgte mit seinem Wechsel zum direkten Titel-Konkurrenten Grödig für Aufsehen und hielt im LAOLA1-Interview fest: „Man redet zwar immer vom Aufstieg, aber nach drei Jahren fehlt mir die Überzeugung, ob man den hundertprozentig will.“

Will man im Ländle also gar nicht aufsteigen?

Kolvidsson schüttelt darüber nur den Kopf: „Das ist totaler Quatsch. Wir haben 2014 unseren 100. Geburtstag, wir haben das große Ziel, einen super Herbst gespielt und eine super Ausgangsposition erarbeitet. Nun haben wir eben sechs Spiele unsere Leistung einfach nicht auf den Platz gebracht.“

Nicht wollen? „Hundertprozentiger Blödsinn“

Der Trainer weiter: „So etwas kann ich mir auch von den Spielern her nicht denken. Da war eher die Angst da, die Position, die wir uns geschaffen haben, zu verlieren. Wenn du nicht gewinnst, dann schmilzt der Abstand und das Flattern kommt auf.“

Auch Nagel tut diese These rund ums Nichtwollen ab: „Das ist hundertprozentiger Blödsinn.“

Beide schenken den Worten Bollers überhaupt nicht so viel Gewicht. Kolvidsson sagt klipp und klar: „Er redet viel.“

Nagel betont, er sei nicht so böse auf ihn, wie mancher vermutet. Und er habe sich auch beim Trainer dafür eingesetzt, ihn spielen zu lassen, wenn er sich ordentlich benehme. Hinsichtlich seiner Aussagen meint der Klubchef jedoch: „Seine Erklärungen zum Wechsel sind einfach nur dumm.“

Über Boller: „So einen Blödsinn hört man nicht oft“

„Wenn Sie ihm das abkaufen möchten, dann können Sie das machen, wenn er irgendwo hingeht und vor 10.000 Zuschauern spielt. Aber nicht wohin, wo er Fuchs und Hase trifft und wenn es gut geht 200 Zuschauer kommen. Der Euphorie wegen ist noch keiner nach Grödig gegangen – und auch Sascha Boller nicht. So einen Blödsinn hört man nicht oft.“

Für Nagel sind es also falsche Motive, die Boller angibt. Und für den langjährigen Funktionär ist der Wille des Aufstiegs auch nicht an finanzielle Mittel gebunden.

„Wenn ich den Willen nur mit Geld zeigen kann, dann gibt es eben diese Vereine, die nur mit Geld locken können und das auch tun. Das sieht man auch im größeren Fußball, etwa in Hoffenheim.“

Hinsichtlich Grödig hat das Vorarlberger Urgestein eine eigene Meinung: „Dem Herrn Haas wird es irgendwann einmal zu blöd werden, dann wird er aufhören, denn alleine kann man einen Fußball-Klub auf Dauer nicht am Leben erhalten.“

„Er bringt viele gegen sich auf“

Boller hat Nagel an den Salzburger Titelkonkurrenten verloren, diese Niederlage gibt er offen zu.

 „Vielleicht habe ich zu wenig gezeigt, dass wir ihn halten wollen. Das hat auch gestimmt, weil Sascha – egal ob hier oder zuvor – überall immer Probleme gemacht hat. Er ist kein Mannschaftsspieler und bringt viele gegen sich auf. Ich war lange sein absoluter Mentor und habe ihn geschützt, auch weil ich Spieler mag, die etwas anders sind. Seine Qualitäten sind unbestritten, aber ich hoffe, dass er sich mit bald 30 Jahren irgendwann einmal besinnt.“

Boller ist de facto Vereinsgeschichte, der 29-Jährige wechselt so oder so nach Grödig. Es liegt auch an Austria Lustenau, ob der Kreativspieler in der Bundesliga oder weiter Erste Liga spielen wird.

„Wir bezahlen, was wir können“

Für Nagel ist nur eines klar: „In Lustenau wünscht sich jeder den Aufstieg, wir haben die Euphorie und auch jedes Jahr die meisten Zuschauer. Aber wir bleiben am Boden und bezahlen nur das, was wir können: Wenn man rundum schaut, was da so passiert, dann nehme ich mich lieber etwas zurück, als der große Nagel zu sein und nichts mehr bezahlen zu können. Denn dann bist du ganz alleine.“

Das jüngste Beispiel dafür spielt im selben Stadion und nennt sich FC Lustenau, das sich nach dieser Saison aus dem Profifußball zurückziehen muss. Am Freitag gibt es das vorerst vorletzte Derby.

Und in diesem wünscht sich Nagel eine sportliche Reaktion seines Teams. Denn für ihn hat der Fall seines Klubs alleine sportliche Gründe, nicht unsportliche wie mangelnde Einstellung aufgrund eines fehlenden Vertrages. Auch wenn ein 0:5 in Horn oder 0:3 in Linz das nicht unbedingt unterstreichen.

„Qualität ist es, da wieder rauszukommen“, sagt Nagel. Und der leidgeprüfte Boss glaubt weiter an seine Truppe: „Da sind immer noch gute Fußballer am Werk.“

 

Bernhard Kastler