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"Ich dachte, das Stadion fliegt davon"

Respekt gebührt Rapid nach der Aufholjagd beim 2:2 gegen niemand geringeren als Ajax Amsterdam.

Respekt gebührt den 43.200 Fans, die das Ernst-Happel-Stadion zu einem Hexenkessel machten und nicht unbeteiligt waren, dass die Grün-Weißen zurück in die Spur fanden.

Selbst Gäste-Trainer Frank de Boer, aufgrund der verspielten 2:0-Führung not amused, musste dem Gegner Respekt zollen: „Kompliment, wie Rapid gespielt hat.“

Doch alles war an diesem denkwürdigen Abend im Wiener Prater nicht Gold, was glänzt.

Verschlafen, nervös, indisponiert

„Die erste Halbzeit haben wir ein bisschen verschlafen, sind immer einen Schritt zu spät gekommen. Das darf uns in Amsterdam nicht passieren“, meinte Florian Kainz gegenüber LAOLA1.

Nach einem ersten Abtasten startete die Partie sehr zerfahren, auch Ajax fand noch nicht zum gewohnten Spiel. In weiterer Folge verpasste es Rapid jedoch, dem Gegner die Schneid abzukaufen.

„Wir haben in der ersten Halbzeit nicht den Zugriff auf die Spieler von Ajax gefunden. Sie sind uns leider auf den Seiten durchgebrochen, wir konnten zwei, drei Konter nicht unterbinden“, ärgerte sich Abwehrchef Mario Sonnleitner über den unglücklichen Spielverlauf.

Denn durch einen Stellungsfehler und das darauffolgende Ausrutschen von Neuzugang Stephan Auer ging Ajax mit der ersten Chance in Führung, verabsäumte in weiterer Folge sogar eine höhere Führung, ehe das 2:0 fiel.

„Dachte, das Stadion fliegt davon“

Rapid musste Lehrgeld bezahlen. Auch Trainer Zoran Barisic ärgerte, dass man vor allem beim Attackieren nicht konsequent genug war, das Spiel frühzeitig aus der Hand gab.

„Nach dem 0:1 hat uns die Nervosität gepackt, da sind wir gar nicht mehr ins Spiel gekommen. Ich war überhaupt nicht entsetzt, wie gut Ajax ist, sondern eher traurig, dass wir danach den Rhythmus verloren, ihnen zu viele Räume gelassen haben und in den Zweikämpfen nicht konkret genug waren.“

Der positive Aspekt: Mit dem 0:2 kam Rapid vor der Pause noch gut weg, ehe sich das Blatt schlussendlich doch noch zum Guten wenden sollte.

Vor allem dank Kainz, der kurz nach dem Seitenwechsel mit seinem Anschlusstreffer (48.) das Spiel auf den Kopf stellte: „Das war natürlich ein super Gefühl. Aber ich habe mich gar nicht so freuen können, sondern gleich den Ball genommen, damit wir auf das zweite Tor spielen können.“

Auch Barisic schöpfte wie die zigtausenden Anhänger neuen Mut: „Unglaublich, dass uns die Fans nicht im Stich gelassen haben. Nach dem Anschlusstor dachte ich, das Stadion fliegt davon.“

Der Glaube versetzte Berge

Plötzlich war Rapid back in Business, plötzlich witterten die lautstarken Fans wieder eine Sensation. Doch was war in der Kabine passiert?

„Der Trainer hat auf jeden Fall die richten Worte gefunden. Wir sollten daran glauben, wir waren auch damals gegen Salzburg schon 0:3 hinten und haben noch ein 3:3 geholt. Wir sind Rapid, wir können so etwas immer drehen“, so Kainz weiter.

Auch Schrammel-Ersatz Stefan Stangl bestätigte: „Wir haben den Kopf nicht hängen lassen, wollten das Beste daraus machen. Mit den Fans im Hintergrund haben wir den Flow mitgenommen und wollten es noch drehen.“

Daran änderte auch der Platzverweis von Stefan Schwab, der mehr als berechtigt war und zum Glück für den Gegenspieler ohne Verletzung ausging, nichts. Trainer Barisic nahm seinen Schützling im Nachhinein in Schutz:

„Das ist nicht unser Stil, wir wollen uns für das Foul entschuldigen. Das war nicht notwendig und er hat uns damit keinen Gefallen getan, das weiß er selbst. Er wird eine saftige Strafe bekommen, aber es ist zum ersten Mal passiert, jeder junge Spieler macht Fehler. Er hat sich sofort entschuldigt und gemeint, dass er die Situation falsch eingeschätzt hat.“

Als wäre Rapid in Unterzahl gewesen

Anstatt alles zu riskieren und möglicherweise ins offene Messer zu laufen, brachte Barisic Srdjan Grahovac für Kapitän Steffen Hofmann, der fuchsteufelswild den Platz verließ und so gar nicht mit der Entscheidung einverstanden war. Diese stellte sich schlussendlich aber als goldrichtig heraus.

„Trotz des Ausschlusses hatte ich das Gefühl, dass jeder noch an den Ausgleich glaubt“, beschreibt Sonnleitner den Ruck, der mit einem Mann weniger durch die Mannschaft ging.

Auch de Boer spürte, dass sein Team das Heft aus der Hand gab. Der Anschlusstreffer so wie das Verhalten in Überzahl waren nicht nach dem Geschmack des CL-Siegers von 1995.

„Wir haben nach der Pause gleich eine auf die Nase gekriegt. Dann schaute es aus, als würden wir mit zehn und Rapid mit elf Spielern spielen. Schade, dass es dann nur zu einem 2:2 gereicht hat.“ Dieses markierte Robert Beric nach blitzschnellem Umschalten nach Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte.

„Wir fahren nach Amsterdam, um zu gewinnen“

Ein Tor in Unterzahl und zwei komplett konträre Halbzeiten, das spricht für Moral innerhalb der Mannschaft. Obwohl Jan Novota mit zwei wichtigen Paraden im Finish das Unentschieden rettete, wäre sogar fast noch ein Rapid-Sieg gelungen.

„So pervers es ist, hätten wir sogar noch das 3:2 machen können. Das wäre aber auch ungerecht gewesen“, musste Sonnleitner zugeben.

So tritt man die Auswärtsreise in die Grachtenstadt kommenden Dienstag mit einem 2:2 an, das zwar alle Möglichkeiten offen hält, jedoch einen klaren Vorteil für Ajax bedeutet.

„Ajax ist sicher weiterhin der Favorit, noch dazu haben sie ihr Heimspiel vor der Brust. Aber wir fahren nach Amsterdam, um zu gewinnen“, gibt „Zoki“ die Marschroute vor. Schließlich würde nur ein Sieg bzw. ein Unentschieden ab einem 2:2 Rapid in die Verlängerung bzw. zum Aufstieg führen.

„Das wird ein brutaler Fight“

Der Chefbetreuer glaubt vor allem daran, dass so eine erste Halbzeit nicht noch einmal passieren wird. Auch Florian Kainz entfacht den kleinen Funken Hoffnung:

„Ajax ist natürlich Favorit, aber wir sind auf jeden Fall optimistisch, dass wir dort etwas reißen können. Man hat gesehen, dass wir mithalten können. Wenn wir 90 Minuten so spielen, ist auf jeden Fall etwas möglich.“

Amsterdam ist jedoch bekanntlich ein heißes Pflaster. In der heimischen Arena muss sich Rapid erst einmal beweisen und die Lehren aus dem Hinspiel ziehen.

„Es wird dort nicht leichter. Die wissen jetzt auch, dass wir etwas können. Das wird ein brutaler Fight werden. Da zeigt sich, wer die Männer sind“, kündigt Sonnleitner an und fordert die Fans auf: „Pilgert alle nach Amsterdam. Wir werden das da draußen richten.“

So ein 2:2 gegen Traditionsverein Ajax kann sich schon sehen lassen. Respekt ist den Grün-Weißen nach der Aufholjagd somit auch in Amsterdam sicher.


Alexander Karper/ Peter Altmann/ Andreas Gstaltmeyr